Prag kann auf gastronomischem Gebiet zwar nicht mit lukullischen Paradiesen wie Lyon und dem Piemont mithalten. Trotzdem hat sich seit der Wende auch in diesem Bereich so viel getan, dass in der Moldaustadt sogar echte Feinschmecker auf ihre Kosten kommen.
In der geschmacklichen Oberliga wetteifert mittlerweile ein gutes Dutzend Restaurants um die Gunst der Gourmands und Gourmets. Dabei reicht das Angebot von veredelter traditioneller über mediterrane Küche mit Slow-Food-Anleihen bis hin zur klassischen haute cuisine französisch-belgischer Prägung.
Unabhängig von wachsender Vielfalt und kurzlebigen Trends gilt das Restaurant Flambée in der Prager Altstadt seit mehr als zehn Jahren als Top-Adresse, an der jeder ambinionierte Gastronom gemessen wird.
Kein Wunder, denn hier sind absolute Profis am Werk: Küchenchef Dušan Jakubec ist Vizevorsitzender des Verbandes tschechischer Köche und mehrfacher Sieger des prestigeträchtigen Hennessy-Menu-Wettbewerbs. Sein Stellvertreter Mikuláš Gottwald hat seine Sporen im Linzer Restaurant Verdi verdient, das die Feinschmecker-Bibel Guide Michelin mit einem Stern führt, und war sogar Chef de partie im exquisiten Londoner Gourmet-Tempel Square, das gleich zwei Michelin-Sterne trägt.
Wir haben das Flambée an einem Juliabend besucht und in der Kühle des romanischen Kellergewölbes ein eindrucksvolles Beispiel zeitgemäßer haute cuisine erlebt.
Die erste Adresse der Prager Gastronomie residiert standesgemäß – das Lokal befindet sich im Haus Betlemský palác, einem Palais der Prager Altstadt, und erstreckt sich über zwei Stockwerke: ebenerdig das kühl-elegante Café Flambée; im mächtigen romanischen Kellergewölbe darunter dann das Restaurant, das Prager Feinschmeckerherzen höher schlägen lässt und auch außerhalb des Landes einen guten Ruf genießt. In den mit rotem Samt bezogenen Stilmöbeln saß schon viel Prominenz. Meryl Streep soll hier dinniert haben, Nicole Kidman, die Rolling Stones, Baron Rothschild, die US-Außenministerin und gebürtige Pragerin Madeleine Albright und ihr Bonner Kollege Hans-Dietrich Genscher, der in Prag ein Stück deutscher Geschichte schrieb.
Wir besuchen das Flambée an einem durchschnittlichen Wochentag im Juni, an dem außer der Hitze nichts ungewöhnlich ist. Im kühlen Keller nehmen an einem Zweier-Tisch in der Mitte des Raumes Platz und studieren die Karte. Es ist für beide eine Premiere im Flambée. Wir bestellen darum nicht a la carte, sondern halten uns an die Menu-Vorschläge des Chefs. Eines nennt sich „Menu d´Saison“ und umfasst fünf Gänge mit überwiegend jahreszeitlichem und regionalem Bezug. Ausgesprochen gelungen sind die Thunfisch-Kombination („Yellow Fin“) mit Spargelsalat und Zwiebel-Kaviar-Schaum sowie die Lachsforelle auf Blattspinat mit Buttercreme. Die Portionen, auf großflächigen Tellern serviert, erinnern an moderne Bijouterie – in Schönheit und Dimension.
Das zweite Menu hat sieben Gänge und trägt den Namen „Dom Perignon“, weil es üblicherweise mit Kostproben unterschiedlicher Jahrgänge des Spitzen-Champagners gereicht wird. Ich entscheide mich jedoch für die Variante ohne Champagner – wir haben bereits zu Beginn einen hervorragenden Rosé bestellt. Mir bleibt besonders ein Gang in Erinnerung: Teigtaschen mit Langustinen in Seeigel-Sahne-Cappuccino. Eine ähnlich gelungene Kreation habe ich zuletzt in San Sebastian genossen – einer Stadt, die es kulinarisch durchaus auch mit Lyon aufnehmen kann.
Wer neugierig geworden ist und das Restaurant gern selbst einmal besuchen möchte, dem sei geraten, viel Zeit und Muße mitzunehmen, um wirklich genießen zu können. Kein guter Begleiter wäre aber der Hunger: Das Fambée ist ein klassisches Gourmet-Lokal und braucht in dieser Hinsicht keinen Vergleich zu scheuen – für Vielesser ist es aber nichts. Hier fährt man am besten nach der Feinschmecker-Devise, die Wolfram Siebeck einmal in der „Zeit“ gewohnt provokativ formuliert hat: „Wer nur isst, wenn er Hunger hat, ist selbst Schuld“.
Quelle:
www.tschechien-online.org/news/5291-prags-erste-gourmet-adresse-restaurant-flambee