Ein Kochkurs beim Sylter Zwei-Sterne-Koch Alexandro Pape

Sylt ist die kulinarische Hochburg des Nordens. Auf gerade mal 100 Quadratkilometern bringen sieben Michelin-Sterne die Augen eines jeden Gourmets zum Leuchten. Erhellendes für den eigenen Topf bringt ein Kochkurs: Alexandro Pape, Küchenchef im Munkmarscher „Fährhaus“, ist einer jener Sterneköche, die regelmäßig Einblicke in ihre Kunst gewähren.

„Wer hat zu Hause keine Mikrowelle?“ Schon die erste Frage ist eine Überraschung. Bisher haben die Kochschüler den Meister lediglich dabei beobachtet, wie er Kartoffeln aus dem Wasser gefischt hat – nicht gerade eine gastronomische Glanzleistung. Und jetzt das. Sternekoch und Mikrowelle? Das passt tatsächlich nicht zusammen – wenn das gute Stück auch nur verwendet wird, um die Kartoffeln kurz ausdünsten zu lassen. Alexandro Pape blickt in die achtköpfige Runde: Zwei Finger werden schüchtern nach oben gereckt. „Manchmal ist eine Mikrowelle ganz praktisch“, sagt er und zieht die Kartoffeln schon nach wenigen Sekunden wieder aus dem High-Tech-Gerät, um sie per Kartoffelpresse zu dem zu verarbeiten, wozu sie bestimmt sind – zum Nudelteig. Denn das Thema dieses Kochkurses lautet: Pasta.

Wer zwei Sterne sein Eigen nennt, wirft nicht einfach Nudeln aus der Tüte ins Wasser, sondern macht den Teig natürlich selbst. Pape benutzt dafür seine 17 Jahre alte elektrische Nudelmaschine – die hat schon so einige Macken, doch der Küchenchef schwört nun mal drauf. Schon zu Beginn des Kochkurses lässt er die Teilnehmer selbst Hand anlegen. Das Ergebnis: drei Meter langer Kartoffel-Nudelteig, aus dem runde Formen ausgestochen, mit Gänsestopfleber belegt und zu Tortelloni gefaltet werden. Dazu türkische Morcheln und Physalis – fertig ist die Vorspeise. Pape – halb Italiener, halb Deutscher und verheiratet mit einer Türkin – sucht und findet Anregungen in der internationalen Küche, so viel ist schon jetzt klar. Der Grauburgunder aus Luxemburg ist bereits eingeschenkt, den ersten Gang nimmt sich jeder selbst mit an den Tisch.

Bekanntlich ist das Meer nie weit auf Sylt. Im „Fährhaus“ ist und isst man direkt am Wasser und genießt neben den Kreationen Alexandro Papes die romantische Aussicht über das Munkmarscher Wattenmeer. Nicht heute. Wer an einem Kochkurs teilnimmt, tauscht den Blick auf den Hafen gegen den in die Küche und sitzt am so genannten „Chef’s Table“. Der intime Nebenraum für bis zu zwölf Personen ist nur durch eine Glasscheibe von den Herdplatten getrennt und garantiert freien Blick auf die Tricks und Kniffe der Koch-Künstler.

Es gibt drei Dinge, die man wissen sollte, wenn man einen Kurs bei einem Sternekoch bucht. Erstens: Für das Geld, das man bezahlt, muss man mit anpacken. Zweitens: Man lernt. Immer und immer wieder. „Haben Sie Jodsalz zu Hause?“, fragt Pape, während er das Fleisch für das Hauptgericht würzt. Allgemeines Nicken. „Schmeißen Sie es weg.“ Allgemeines Entsetzen. „Nehmen Sie reines Meersalz. Auch Zucker finden Sie bei uns kaum – nehmen Sie Honig. Das Schlimmste, was Sie Ihrem Körper antun können, sind Zucker und das falsche Salz.“

Punkt drei der Dinge, die man wissen sollte, ist wenig überraschend: Es wird gegessen. Im „Fährhaus“ sogar mehr, als zuvor auf der Karte stand. Was vor allem an den Geistesblitzen des Küchenchefs liegt: „Soll ich Ihnen zeigen, was bei Papes auf den Tisch kommt, wenn die Kinder Pasta wollen?“ Die Antwort klingt kalorienreich: „Penne Rigatte a la crema“. Nudeln in kochendem Wasser al dente garen, dann abschrecken. Einen halben Liter gesalzenes Nudelwasser mit 300 Gramm Butter binden, unter ständigem Rühren Pecorino einrieseln lassen, dann die Nudeln darin garen lassen. Fertig. „Olivenöl ist natürlich viel gesünder“, gibt Pape zu, „aber ich liebe Butter. Deshalb: Finden Sie beim Kochen einen Kompromiss.“

Der Zwischengang aus dem Papeschen Familienalltag hat acht leuchtende Augenpaare hinterlassen – nun geht es zurück zur Haute Cuisine. Im November 2010 erhielt der 37-jährige Küchenchef seinen zweiten Michelin-Stern. Das verpflichtet. Zu immer neuen Kreationen und zu den allerbesten Zutaten. Und so ist das Hauptgericht ein anspruchsvolles: „Offene Lasagne von US-Prime Filet und Kräuersaitlingen mit Périgord Trüffel an grünem Spargel“ steht auf der Karte. Die Stimmung ist gelöst – und das schon seit dem Eröffnungs-Champagner an der Hotelbar. Noch dazu ist gemeinsames Kochen äußerst kommunikativ: Es wird geschnippelt und geschwatzt, frisches Brot und kleine Häppchen stehen immer griffbereit, und der 2006er Rioja Crianza, der zum Hauptgang gereicht werden soll, ist auch schon geöffnet.

Die Runde ist gemischt: Das Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen ist zum ersten Mal auf Sylt und holt sich Geheimtipps von der 76-jährigen Pensionärin, die in List auf Sylt ihren Zweitwohnsitz hat und mittlerweile ihren dritten Kochkurs beim dritten Küchenchef absolviert. Sie weiß, wo es welche Zutaten gibt und welches Restaurant sich lohnt. Die Teilnehmer tauschen Rezepte aus und erhalten so manchen kulinarischen Fingerzeig aus dem vierköpfigen Küchenteam, das den Kurs den ganzen Tag über begleitet. Der eine schwört auf griechisches Olivenöl, der andere auf spanisches. Kurzerhand werden reihum die Sorten Olivenöl probiert, die sich in Papes Küche finden, während Patissier Mike Stille bereits den Nachtisch vorbereitet – wieder mit Pasta: Vanille-Cappelletti mit Navel-Orangenkompott. Selbstverständlich sind sowohl der Teig für die Cappelletti als auch das Vanilleeis, das das Dessert komplettiert, selbst gemacht. Ab in den Kühlschrank und zurück zum Hauptgericht.

„Aus den vielen Kochsendungen, die es im Fernsehen gibt, wissen Sie sicher, wie man ein Filet zubereitet: kurz anbraten und dann im Ofen garen lassen. Aber es geht auch andersherum.“ Pape lässt eingeschweißtes Rinderfilet zunächst im Wasserbad garen – und brät es dann in der Pfanne von beiden Seiten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Für das hochwertige Prime Filet greift Pape dann aber doch auf die bewährte Reihenfolge zurück. Dann wird nach den Vorgaben des Küchenchefs angerichtet: „Sie legen das Gemüse auf den Teller, Sie die Nudeln obendrauf und Sie das Fleisch. Haben Sie schon etwas zu tun? Sie könnten Trüffel über die Ravioli reiben.“ Pape wirbelt durch die Küche, hat jederzeit alle Zutaten und Mitarbeiter im Griff und selbst eine Menge Spaß. Zum Genießen aber lässt er die Gäste allein. Am „Chef’s Table“ herrscht Ruhe. Das Fleisch ist zart und auf den Punkt gebraten, die grünen Spargelspitzen, mit Honig und Salz angebraten, ein unerwartetes Vergnügen.

Erst nach und nach setzen die Gespräche wieder ein. Jeder liest auf den vorbereiteten Rezeptblättern die Zutaten nach, während Pape schnell noch die Zubereitung seiner „Penne Rigatte a la crema“ zu Papier bringt und verteilt. Sämtliche Rezepte – und die Kochschürze – dürfen die Teilnehmer mit nach Hause nehmen. Nach insgesamt sechs Stunden Kochen, Probieren und Speisen wird es Zeit für den Nachtisch – und für die Bärenauslese. Noch Fragen? Natürlich. „Das klären wir alles beim Espresso an der Bar.“ Pralinen inklusive. Der Abend kann lang werden. Und während sich langsam die Abenddämmerung über das Munkmarscher Wattenmeer legt, wird klar: Die hellsten Sterne leuchten ganz oben auf der Deutschlandkarte.

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