Hoteltest WestinLeipzig

Das Zimmer lässt Charme und individuelle Details vermissen. Ich habe es mit einem jener austauschbaren internationalen Gästeräume zu tun, die man nach dem Verlassen gleich wieder vergessen hat. Wenn man ein Zimmer schon nicht persönlich gestaltet, dann sollten wenigstens ausgesuchte Details den Gast ansprechen. Doch gibt es hier weder Blumen oder Obstkorb noch ein Begrüßungskärtchen der Direktion. Das Zimmer ist leicht unterkühlt und lässt sich den gesamten Aufenthalt lang nicht genügend aufheizen. Das grüne Licht an der Klimaanlage strahlt in der Nacht ungewöhnlich hell und dürfte lichtempfindliche Gäste sehr stören. Übergeben wurde das Zimmer ausreichend gelüftet und auf den ersten Blick auch gut gereinigt. Doch auf die Schrankkante, die sich von der Minibar bis zur Tür zieht, hat man schon sehr lange keinen Blick mehr geworfen. Dort liegt dick der Staub und es müsste mit einem nassen Lappen gewischt werden, um die angesetzte Schmierschicht wegzubekommen. Offenbar wurde diese Stelle bei der Grundreinigung nicht berücksichtigt. Unter dem Bett befinden sich ebenfalls Staub und anderer kleiner Unrat; der Fuß der Stehlampe ist über Gebühr schmutzig.
Ich hatte ausdrücklich um ein großes Einzelbett gebeten, finde nun aber zwei auseinander stehende Einzelbetten vor. Beide Matratzen sind weich, aber nicht instabil; die Bettwäsche ist angenehm.
Die Nachttischlampen über dem Bett können punktgenau zum Lesen genutzt werden. Der Sessel nebenan ist schon etwas speckig. Er wurde außerdem länger nicht mehr gesäubert: In den Ritzen befindet sich sichtbar Staub. An einigen Stellen zeigt das Zimmer Abnutzungsspuren: Dellen am Badezimmerschalter, ein Riss in der Regaldecke über der Minibar und Flecken an der Flurwand.
Der Schrank wurde mit zehn Holzkleiderbügeln ausreichend bestückt. Er bietet genügend Stauraum,hat aber nur zwei Schubladen. Insgesamt reicht er gut für die Reiseutensilien von einer Person, bei zwei Gästen wird es knapp. Eine stabile Kofferablage steht bereit. Der funktionierende Minisafe ist zutief installiert und zwingt mich zum Kniefall. Positiv sind der Ganzkörperspiegel im Flur und die vielen Steckdosen.
Darüberhinaus gibt es einen Arbeitsplatz, dessen Glas-Schreibtischplatte ausreichend Platz bietet. Eine Internetverbindung ist dort vorinstalliert und funktioniert einwandfrei. 24 Stunden werden mit 19,50 Euro berechnet, eine Woche kostet 24,95 Euro. Vor dem Flachbildschirm liegen eine Fernbedienung und ein Programmheft, aber keine Liste mit den jeweiligen Kanälen. Die wirklich sehr kleine Minibar bietet die allseits bekannten Standards: Das kleine Pils kostet 3,50 Euro; ein Viertelliter Wasser drei Euro; 0,2 Liter Orangensaft3,50 Euro. Das Mindesthaltbarkeitsdatum bei den Snacks, die außerhalb des Kühlschranks liegen, ist nicht abgelaufen. Dennoch hat diese schon lange niemand mehr in der Hand gehabt, da sie bereits staubig sind.
Die fünf bereitstehenden Gläser sind sauber, eines für Sekt fehlt. Die verbrauchten Artikel aus der Minibar werden während meines Aufenthalts nicht nachgefüllt. Ein Kaffee-/Heißwasserkocher, der angeblich zum Standard gehört, ist nicht vorhanden, obwohl oberhalb der Minibar dafür ausreichend Platz wäre und an gleicher Stelle eine Steckdose platziert ist.
Das Zimmer lässt sich gut ausleuchten, am Bett und an der Tür befinden sich Generalschalter. Es gibt nur ein Telefon am Bett, auf dem keine Zimmernummer steht. Es liegt lediglich ein Notizzettel mit Klebestreifen auf dem Nachttisch – ohne Adresse und Telefonnummer des Hotels. Die Hotelinformation enthält weder die Telefonnummern der Restaurants noch anderer Einrichtungen im Haus. Alles geht stets über die »Ser­vice-Express«-Taste am Telefon. Es liegt zudem ein Sammelsurium an Flyern und anderem Informationsmaterial aus, das eher für Verwirrung als für Orientierung sorgt. Wer das alles wirklich lesen wollte, ist viel zu lange damit beschäftigt.
Umständlich ist auch die Karte auf dem Kopfkissen, auf der mir mitgeteilt wird, dass ich diese dort hinlegen soll, wenn ich die Bettwäsche gewechselt haben möchte. Eine solche Platzierung vergisst man allerdings schnell und hat dann das Nachsehen. Kurios ist der Hinweis, man möge die Karte »in die Badewanne legen«, sofern man die Handtücher ausgetauscht haben will. Die Badewanne, die ja nass sein kann, ist dafür nicht der geeignete Ort. Ich habe den Eindruck, dass es dem Hotel ganz recht ist, wenn der Gast derlei vergisst, damit das Housekeeping schneller fertig ist und weniger Wäsche anfällt.
Wertung: mangelhaft

Restaurant »Falco«, 19:46 Uhr

Ich werde am Empfangspult freundlich begrüßt und zu meinem Platz geführt, der sich direkt am Fenster mit schöner Aussicht vom 27. Stockwerk befindet, doch ganz am Rand liegt. Diese abseitige Lage mag beabsichtigt sein: Vielleicht dachte man sich, dass ein Gast, der allein kommt, nicht gern mitten im Lokal sitzt. Aus diesem Grund wird mir vom freundlichen Service auch gleich eine Lektüre angeboten, doch das Studium der fulminanten Weinkarte bietet genügend Lesestoff. Das Restaurant ist von eleganter Sachlichkeit, die Aussicht einnehmend. Das Ambiente wirkt stimmig und die Tischkultur perfekt – mit Gläsern von Zwiesel und Silber von Robbe & Berking.

Der Service unter Leitung des sehr freundlichen, umsichtigen und vorbildlich arbeitenden Restaurantleiters I.S. agiert von der ersten Minute an äußerst akkurat und einsatzfreudig – jedoch (bis auf den Maître und den Sommelier) keineswegs parkettsicher und ein wenig verkrampft. Mein Aperitifwunsch wird nicht nur abgefragt, sondern mit Empfehlungen vom Wagen unterstützt. Die bestens bestückten Digestif- und Käsewagen kommen of­fensiv und nicht drängend zum Einsatz, wobei es sich bei dem opulenten und verschließbaren Käsewa­gen schon um den Rolls-Royce unter den Modellen handelt. Zudem ist er mit großartigen Rohmilchprodukten des Affineurs Bernard Antony bestückt. Eine gute Brotauswahl inklusive feiner Butter und drei Sorten Fleur de Sel wird umgehend gereicht, darunter ein Riesenknäcke mit Curry und Nori-Algen, das kunstvoll in einem geschlitzten Stein steckt.
Attraktiv präsentiert wird auch ein Reigen von Amuses-Gueules, die zwar optisch sehr pfiffig, aber geschmacklich nicht überraschend ausfallen.

Die vom Küchenchef signierte Speisekarte ist in ihrer Diktion und Struktur recht eigenwillig. Man muss von rechts nach links lesen, denn dort stehen die Desserts. Es gibt ein Menü »passion« und eines namens »légère«, deren Unterschiede sich jedoch nicht erschließen. Die Hauptelemente werden nur aufgezählt, meist drei, vier untereinander, ganze Sätze sucht man vergeblich. Die Küchen-Avantgarde be­vorzugt diese knappe Form, die indes schon vor über 30 Jahren bei Eckart Witzigmann eingesetzt wurde. Da die Gerichte à la carte bei 50 Euro nicht aufhören, muss man die beiden Menüs als preiswerter einstufen: Fünf Gänge gibt es zu 135 Euro, sieben Gänge zu 170 Euro. So werden auch in Frankreich, insbesondere im kostspieligen Paris, die Gäste zu Menüs »überredet«, deren Bestellung die Küche lieber sieht. Das »Falco« bietet neben der Karte noch Gerichte mit weißem Alba-Trüffel an, die preislich bei 99 Euro beginnen.

Der erste Gang – Entenstopfleber mit Algenkrokant, Kamillengelee und Amarena-Kirsch-Fluid – offenbart bereits die Kombinationsfreudigkeit der Küche. Klugerweise wurde die kräftige und sehr süße Kirschcreme an den Rand gesetzt. So kann man sie weglassen, denn sie stört in ihrer übermächtigen Intensität die Harmonie dieses ansonsten eher subtilen Gerichts. Die Verbindung des zarten, gegrillten Oktopus und seinen Röstnoten mit Lotus, Kokos sowie Grapefruit ist ebenfalls ein feinsinniges Glanzstück. Als ein Gericht von Weltklasse präsentiert sich der Zander mit Pak Choi-Gemüse und dezent abgestimmten Aromen von Zimt, Minze, Vanille und Limone. Das Royal vom Wildhasen von der Lende und der Schulter ist wegen seines extravaganten, animalischen Geschmacks sicher nicht jedermanns Sache, doch gefielen mir hier die feste Konsistenz und der letztlich eindimensionale Geschmack nicht. Das in einem separaten Töpfchen gereichte Confit war mitsamt seiner Sauce sehr stark einreduziert und drängte sich zu heftig auf. Eine solche Wucht ist für einen Bissen gut und macht nach dem zweiten schon satt. Die zum Hasengericht gehörende geeiste Quittencreme ging mit ihrer säuerlichen Süße zu sehr in die Breite, der Trüffel-Flan passte besser. Die Viktoria-Ananas mit Speckpulver sowie kaltem und heißem Karamell hätte durchaus ein krönender Abschluss sein können, geriet aber nicht ausgewogen und viel zu süß. Es zieht sich überhaupt zu deutlich eine Süße durch das Me­nü, welche die Zunge müde und satt macht. Die sehr leckeren Petits Fours, die ich nicht mehr zu essen vermochte, werden mir in einem Geschenkkarton mitgegeben.
Die fulminante Weinkarte ist nicht allein wegen ihrer Größe hervorragend, sondern auch, weil sie neben prominenten Namen und bemerkenswerten Jahrgängen viele Tropfen für Insider wie Gantenbein und Neuentdeckungen enthält – etwa Weine von Wagner-Stempel. Die Karte lässt sich nur mühsam handhaben, die letzten Seiten des zu stark gebundenen Werks kann man nur schwer blättern. Zudem sind die Jahrgänge kaum zu erkennen, weil sie zu weit im Falz stehen. Die Champagnerauswahl ist außergewöhnlich: Man findet nicht nur die üblichen Verdächtigen, sondern beispielsweise auch Champagner von Salon, Selosse und De Sousa. Verständlich, dass man mit Schloss Proschwitz zudem einen sächsischen Wein anbietet. Der fällt jedoch etwas mager aus, gerade im Vergleich zu vielen anderen guten deutschen Sekten. Der sehr engagierte Sommelier S.O. weiß ausgezeichnet zu beraten und geht sensibel auf Gästewünsche ein, wenngleich er mit leichter Kritik – beispielsweise an der Rotweintemperatur – noch souveräner umgehen sollte. Der Sommelier kann aus einem reichen Fundus schöpfen und vermag zu jedem Gang einen hervorragend korrespondierenden Wein glasweise einzusetzen. Solch ein guter Umgang erhöht den Konsum.

Am Schluss werde ich sehr freundlich verabschiedet. Insgesamt verfügt das Restaurant »Falco« über das Potenzial, mit dem seltenen Testprädikat »ausgezeichnet« oder gar »Weltklasse« abzuschließen – daran ist aber noch zu feilen.
Wertung: sehr gut

Bilanz

Von außen betrachtet ist das Westin Leipzig ein grober Klotz, doch sein Innenleben überrascht. Bereits die ansprechend gestaltete und sehr lebendige Lobby stimmt gut ein. Das Testzimmer gehörte leider zu den renovierungsbedürftigen der insgesamt 436 Einheiten. Die meis­ten Mitarbeiter sind freundlich und engagiert, einige sehr junge zeigen sich dagegen zu wenig geschult und unsicher. Verbessern lässt sich die Situation an der Rezeption und im Housekeeping. Die Abteilung Food & Beverage glänzt mit dem Restaurant »Falco«, der gleichnamigen Bar und gut ausgeführten Ideen wie dem »High Tea«; beim Etagenser­vice besteht jedoch noch ein deutliches Steigerungspotenzial.

Top Hotel Urteil: Befriedigend

Lesen Sie den gesamten Test bei Tophotel:
http://www.tophotel.de/index.php?499434bc417fc|1

Das Restaurant Falco steht 2008 auf Platz 56 der HAIKU Liste, den 2000 besten Restaurants in Deutschland: http://www.haiku-liste.de/beste-restaurants/55/falco.html

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