Gourmethimmel und Teufels Küche

MDR, Mittwoch, 03.06., 21:15 – 21:45 Uhr

Noch nie gab es in Deutschland so viele Gourmetrestaurants wie heute, 204 davon tragen stolz mindestens einen der begehrten Michelin-Sterne, so auch vier Häuser in Sachsen – zwei in Dresden und zwei in Leipzig.
Ein Blick in die Speisekarte der Gourmetköche verrät alles: Die Taube kommt mit einer nussigen Kruste auf den Tisch, daneben ein feinstes Weiße-Rüben-Törtchen, Streifen von Taschenkrebsfleisch gesellen sich zum Kaisergranat. So schwelgt man nur bei den Köchen, die jeden Teller einzeln kontrollieren, der ihre Küche verlässt. Denn sie sind besessen von brennendem Ehrgeiz nach einem oder gar nach zwei, drei Michelin-Sternen.
Peter Maria Schnurr, Küchenchef im Leipziger Restaurant ‘Falco’ ist einer der wenigen Löche in Ostdeutschland mit zwei Michelin-Sternen. Sein ‘Falco’ ist der Leuchtturm unter den Küchen des Ostens – auch im wortwörtlichen Sinn. Der Arbeitsplatz des Wahlleipzigers liegt hoch oben im 27. Stockwerk eines Hotels in Leipzig. Nur dreieinhalb Jahre benötigten er und sein Team, um in der Europa-Liga der Spitzengastronomie anzukommen. Jetzt will er in die Weltliga: drei Sterne im Guide-Michelin – das sei das Ziel, dem ordne er alles unter. Jeder seiner neun Köche hat seine ganz eigene Aufgabe. Wie die Räderchen in einem Uhrwerk funktionieren sie Abend für Abend, bis ins Detail sind die Abläufe perfektioniert.
Das ist bei Stefan Hermann nicht anders – er leitet in Dresden das Sternerestaurant ‘bean&beluga’. Außerdem wird er für Caterings gebucht, für große Events: ‘Die Veranstalter wollen mich als Sternekoch, nicht als einen, der gut kochen kann. Das können viele.’
Der Michelin-Führer erreicht mit 15 verschiedenen Ausgaben eine Gesamtauflage von 900.000 Exemplaren. Was es für ein Druck ist, Sterne zu gewinnen und zu verlieren, davon weiß das kleine, aber feine Hotel-Restaurant-‘Büttner’ in Schneeberg ein Lied zu singen. Einst kamen die Gäste aus ganz Deutschland in die sächsische Provinz.
Dann verlor der Koch seinen Stern und damit das Interesse an Schneeberg. Zurück blieb Ronny Einsiedel, der einstige Sous-Chef, Stellvertreter des Küchenchefs. Ohne mit der Wimper zu zucken, übernahm er selbst die Küchenleitung und kämpft seitdem, um Gäste und gegen Gewohnheiten und Vorurteile. ‘Schneeberg ist Schneeberg, nicht Berlin, München oder Hamburg. Mit Häppchenküche brauche ich hier gar nicht anfangen. Da vergraule ich nur alle. Bei mir muss es schmecken, einfach nur schmecken, besser als zu Hause, viel besser.’ Dafür rackert er sich ab, mit einem Kochlehrling. Auch bei den monatlichen Kochkursen, wenn er seinen Schneebergern zeigt, wie sie Fisch richtig filetieren oder eine leckere Mousse selbst zaubern können. Dann ist er in seinem Element.
Kochen ist angesagt – in Kursen, Fernsehshows, Büchern. Jeder kann mitreden, jeder weiß es besser. Und jeder schmeckt mit. Auch Jürgen Dollase, einflussreicher Gourmetkritiker für ‘Der Feinschmecker’ und für die FAZ. Er beklagt, dass die Deutschen den Bezug zu ihrer kulinarischen Tradition verloren hätten, er wirft ihnen sogar ein ‘Versagen’ und einen ‘vollständigen Rückzug’ gegenüber der Esskultur vor. Er erzählt, was er von Sterneköchen und Gourmettempels hält, vor allem von denen mit gepfefferten Preisen.
Die SACHSENSPIEGEL REPORTAGE zeigt den täglichen Fleiß und Ehrgeiz, die Leidenschaft, das Verzweifeln und Jubeln am Kochherd und das Staunen des Gastes – ein Augenschmaus für jedermann.

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