Karsten Wulff

„Mørksej“, „Kuller“, „A2“, „E9“: Die Worte und Zahlenkombinationen, die ein Projektor an die Wand wirft, wirken fremdartig. Überall Kisten mit Fisch. Es ist eiskalt. Im größten Fischereihafen des dänischen Königsreichs in Hanstholm überbieten sich die Einkäufer mit ihren Geboten für den heutigen Fang. Und mittendrin: eine Gruppe Laien und Karsten Wulff, Küchenchef und Besitzer des gleichnamigen Fischrestaurants in Keitum.

Er ist ein Mann für das Besondere: Auf dem Computer in seinem kleinen Büro gleich neben der Küche hat Karsten Wulff täglich die Fangquoten dänischer Fischer und aktuelle Preise parat. Doch nicht die großen Mengen an Scholle und Kabeljau interessieren ihn, sondern auch und vor allem das, was andere als Beifang abtun: Knurrhahn und Skagerak-Kalmar zum Beispiel, aber auch Kaisergranat, eine Garnelenart, die dem Hummer sehr ähnlich ist, und Petermännchen – ein, so Wulff, „echter Giftzwerg der Nordsee, aber richtig lecker“.

Das Fisch-Restaurant „Karsten Wulff“ in Keitum ist längst kein Geheimtipp mehr. Im Gegenteil: Der Gourmet-Führer Michelin verleiht dem Haus zwei Bestecke und lobt seine „gute, schmackhafte (Fisch-)Küche“. Was natürlich den Kochkünsten des Namensgebers zuzuschreiben ist sowie der Tatsache, dass am Keitumer Museumsweg nur ganze Fische auf Eis angeliefert werden. „Tiefgefrorenes oder fertige Fischstücke kommen mir nicht ins Haus“, sagt der Inhaber und Küchenchef. Grundsätzlich verarbeitet er nur heimischen Fisch, versehen mit dem MSC-Siegel (Marine Stewardship Council) für nachhaltigen Fang.

Dabei liebt es Wulff, den Gästen seine außergewöhnlichen Fisch-Spezialitäten nicht nur zuzubereiten, sondern auch zu erklären, während seine Frau Elke, die das Restaurant leitet, kleine Faltblättchen verteilt mit Informationen über Limandes oder Weißen Heilbutt. Da liegt es auf der Hand, dass Wulff regelmäßig zwei seiner Lieblingsbeschäftigungen kombiniert: fangfrische Spezialitäten direkt in Dänemark einzukaufen und seine Gäste direkt vor Ort an seiner Leidenschaft für Fisch teilhaben zu lassen. Zweimal jährlich, im Frühjahr kurz vor Ostern und im Herbst, nimmt er eine Gruppe mit nach Hanstholm, einen kleinen Fischerort in Jütland, dessen Fischauktionen legendär sind.

Mit der Fähre geht es zunächst von Sylt auf die dänische Nachbarinsel Rømø. Bei einem Kennenlern-Frühstück erzählt Wulff den Teilnehmern, was sie erwartet: am ersten Tag des Ausflugs vor allem die weitläufige und geradezu meditativ vorbeiziehende dänische Landschaft, am zweiten Tag die Aufregung und Hektik einer traditionellen Fischauktion. „Auktionen in den Niederlanden und Frankreich sind langweilig“, berichtet Wulff. „Da sitzen die Einkäufer mit einer Tasse Kaffee in einem gut beheizten Raum an ihren Laptops und tippen.“ In Hanstholm allerdings, „da steht man direkt an den Fischkisten, kann sich den Fang genau angucken, und wenn der Auktionator mit dem Stock auf die Kiste haut, dann ist die verkauft“.

Von Rømø aus „schippert“ Wulff seine Gäste dann in den Norden Jütlands. Gemeinsam werden die Lebendfischauktion in Hvide Sande besucht und die Landeplätze der Fischer in Nörre Vorupur, die seit Jahrhundert vom Strand aus auf Fischfang gehen. Weitere Zwischenstopps: ein dänisches „Pakhaus“, in dem der Fisch für den Export vorbereitet wird, und die Trans Kirke, eine einsame Kirche aus dem Jahr 1200, die direkt an der Steilküste steht. Besser gesagt: Die Steilküste rückt immer näher.

Am Nachmittag schließlich erreicht die Gruppe den größten Fischereihafen des Königreichs in Hanstholm, einer Kleinstadt am Skagerrak. Kurze Orientierung am Hafen: Hellblaue Fischkutter sind am Kai vertäut, auf einem Steilufer ducken sich rote Backsteinbauten unter dem hohen Himmel. Ein steifer Wind weht durch die Dünen und zerrt an Krüppelkiefern, Heidekraut und hellen Birken. Das Hotel liegt oben auf der Steilküste direkt über dem Hafen. „Bei früheren Exkursionen haben wir in einem Seemannsheim übernachtet“, erzählt Wulff. „Sehr einfach, sehr rustikal und mit latentem Schollengeruch. Doch leider gibt es das nicht mehr.“ Sein Blick schweift über die weite Landschaft. Dann ein kurzes Kopfschütteln. „Ein Hotel ist natürlich viel komfortabler.“

Vor allem wenn man, nach einem gemeinsamen Abendessen in einer Pizzeria, zeitig schlafen geht. Denn der zweite Tag beginnt schon um sechs Uhr mit einem Kaffee in der Hotellobby – eine Art „Zufrühstück“, bevor die Gruppe wieder in Richtung Hafen aufbricht. Nur am frühen Morgen kann man dort beobachten, was die Fischer anlanden. An manchen Tagen kommen in den drei Auktionshallen mehr als 200 Tonnen frisch gefangener Fisch unter den Hammer, der hier gar kein Hammer, sondern ein einfacher Holzstab ist.

Es ist kalt in den Hallen, doch es geht heiß zu, denn heute ist kein guter Tag: Gerade mal 25 Tonnen hat die Nordsee den jütländischen Fischern gegönnt. Da muss man sich schon anstrengen, um vernünftige Preise zu erzielen. Es ist 6.45 Uhr, die Zeit, um den Fisch aus nächster Nähe zu begutachten. Nur wenige Einkäufer bieten hier um exzellente Qualität. Wulff: „Der Auktionator schätzt, dass diese Einkäufer etwa 500 Firmen in ganz Europa und ein einziges Restaurant vertreten“, sagt Wulff. Ein Restaurant in Keitum auf Sylt.

Wulff blickt über die Fische hinweg quer durch die Halle: „Wenn die Preise hoch sind, dann ist man froh, wenn man gerade nichts kaufen muss. Aber Rotzunge brauchen wir eigentlich immer.“ Limandes, auch Rotzunge genannt, ist der Seezunge im Geschmack sehr ähnlich. Ein Projektor wirft aktuelle Größen und Mengenangaben an die Wand – auf Dänisch, versteht sich. Doch erste Vokabeln sind schnell gelernt: Mørksej ist Seelachs, Kuller Schellfisch – und Hummer heißt Hummer. Wulff kauft, was er für sein Restaurant benötigt. Seine Gästegruppe ist ihm immer auf den Fersen. Der Küchenchef gibt praktische Tipps zum Einkauf und zur Auswahl der Fische. Was zum Abschluss dieser Exkursion auf den Tisch kommen soll, das entscheiden die Teilnehmer selbst.

Pünktlich um sieben Uhr wird es dann richtig lebhaft: Seelachs ist dran, der wichtigste Fisch in Hanstholm, danach Kabeljau, Scholle und Schellfisch, schließlich der so genannte Beifang. Jeder der Einkäufer ist über Handy ständig mit Kollegen verbunden, die zeitgleich auf anderen Auktionen einkaufen. Preise werden über hunderte von Kilometern Entfernung verglichen. „Die stehen unter großem Druck“, weiß Wulff. „Wenn sie zu teuer einkaufen, dann haben die einen ganz schlechten Vormittag in der Firma.“

Die Versteigerung läuft nach dem Prinzip „Wer bietet mehr?“. Auch das ist nicht auf jeder Auktion so. „In Holland gehen die Preise von oben nach unten. Wenn dir da einer von den Großabnehmern die komplette Charge zu hohen Preisen vor der Nase wegschnappt, dann stehst du plötzlich ohne Fisch da.“ Doch der Preis ist für Wulff nicht der einzige Kauf-Aspekt: Er wählt unter den zahlreichen Fischern bevorzugt die Besitzer kleiner Boote aus. „Sie fangen küstennah geringe Mengen von außerordentlicher Qualität und setzen überwiegend die schonenden Stell- und Ringwandnetze zum Fang ein.“

Nach nur eineinhalb Stunden ist alles vorbei. Das Ersteigerte geht auf die Reise. Hanstholm ist stolz auf seine Logistik: Von hier erreicht der Fisch binnen 24 Stunden jeden Kunden in Europa – sei es nun der Fischmarkt in Paris, das Gourmet-Restaurant in Berlin oder der Matjeshändler in Holland. Wulff hat unter anderen Limandes, Kalmar und Petermännchen eingekauft, die nun auf einen Laster verfrachtet werden. Jetzt ist endlich Zeit für ein Frühstück, bevor es – mit einem Zwischenstopp im malerischen Städtchen Ribe, der ältesten Stadt Dänemarks – zurück geht in Richtung Sylt. Dort erwartet die Teilnehmer im gemütlichen Restaurant am Keitumer Museumsweg noch eine kleine Fischkunde.

Am Abend dann trifft sich die Gruppe dort wieder. Wulff bereitet ein exquisites Sechs-Gänge-Menü zu – natürlich
mit dem Fisch, den die Teilnehmer am frühen Morgen selbst ausgesucht haben: Salat vom Skagerak-Kalmar und gebackene Plätzchen vom Taschenkrebs, Kaisergranat gefolgt von Petermännchen und dänischem Hummer. Einzig das warme Schokoküchlein mit Topfenmousse und Brombeersorbet, das den Abschluss bildet, ist am frühen Morgen nicht unter den Auktionshammer gekommen – ein Hammer, der ein einfacher Holzstab ist.

Die nächste Exkursion startet am Dienstag, dem 14. Februar und dauert 2 bzw. 3 Tage. Die Kosten liegen zwischen 90 Euro (Selbstfahrer) und 185 Euro pro Person zuzüglich Übernachtungskosten und Abendessen. Anmeldung und weitere Informationen unter www.karsten-wulff.de

Kontakt: Restaurant Karsten Wulff, Museumsweg 4, 25980 Keitum/Sylt, Tel. 04651 / 30 300,

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