Kohlenhydrate schädigen Insulin-produzierende Zellen

Kohlenhydrate schädigen Insulin-produzierende Zellen durch oxidativen
Stress

Eine kohlenhydrathaltige, fettreiche Kost macht
nicht nur dick, sondern begünstigt auch Diabetes. Wie ein Forscherteam
um Hadi Al-Hasani vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE)
nun erstmalig zeigt, sind es jedoch die Kohlenhydrate und nicht die
Fette, welche die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse
schädigen. In Verbindung mit einer fettreichen Ernährung erhöhen
Kohlenhydrate den oxidativen Stress in den Zellen, lassen sie so
schneller altern und damit auch früher sterben. Die neuen Daten tragen
wesentlich dazu bei, die bisher nur wenig verstandenen molekularen
Zusammenhänge zwischen Ernährung und Diabetesentstehung aufzuklären.
Der zugehörige wissenschaftliche Artikel ist in der aktuellen
Online-Ausgabe von Diabetologia erschienen (Dreja, T. et al.; 2009; DOI
10.1007/s00125-009-1576-4).

Bereits vor zwei Jahren beobachtete eine Forschergruppe um Hans-Georg
Joost, wissenschaftlicher Direktor des DIfE, dass eine kohlenhydratfreie
Diät zumindest dicke Mäuse vor Diabetes schützt. Al-Hasani und sein Team
führten nun die Studie fort und untersuchten die zugrunde liegenden
molekularen Mechanismen.

Zunächst fütterten sie Tiere eines zu Übergewicht neigenden Mausstamms
mit unterschiedlichen Diäten: Die erste Gruppe erhielt ein fettreiches
Futter mit Kohlenhydraten. Die zweite Gruppe erhielt ein fettreiches
Futter ohne Kohlenhydrate. Dabei durften die Tiere so viel fressen und
trinken wie sie wollten. Unabhängig von der Diät nahmen die Mäuse in
beiden Gruppen deutlich zu und waren nach 17 Wochen in gleichem Maße
übergewichtig. Hinsichtlich des Gesundheitsstatus unterschieden sich
die Tiere jedoch deutlich.

Die meisten Mäuse, welche gleichzeitig viel Fett und Kohlenhydrate
fraßen, wiesen bereits nach acht Wochen übermäßig hohe
Blutzuckerwerte auf – ein Anzeichen für einen beginnenden Diabetes. In
der 17. Woche waren etwa zwei Drittel dieser Tiere an einem Diabetes
erkrankt. Dagegen blieben die kohlenhydratfrei ernährten Nager von hohen
Blutzuckerwerten und der Erkrankung verschont.

Wie Untersuchungen der Insulin-produzierenden Zellen beider
Maus-Gruppen zeigen, beeinflussen die aufgenommenen Kohlenhydrate die
Aktivierung von 39 erst kürzlich entdeckten Genen, die auch beim
Menschen mit der Diabetesentstehung in Zusammenhang gebracht werden.
Etwa 80 Prozent dieser Gene wurden stärker exprimiert, d.h. verstärkt
abgelesen. Dabei handelt es sich besonders um solche, die den oxidativen
Stoffwechsel in den Mitochondrien stimulieren. Mitochondrien sind die
„Energiekraftwerke“ der Zellen.

„Die Stimulation des oxidativen Stoffwechsels führt zu einer
übermäßigen Bildung von reaktiven Sauerstoffverbindungen, so
genannten reactive oxygen species (ROS) und damit zu oxidativem
Stress“, erklärt Studienleiter Al-Hasani. „Der Stress lässt die Zellen
schneller altern und damit auch früher sterben. Damit zeigen unsere
Daten, dass Kohlenhydrate besonders in Zusammenhang mit einer
fettreichen Ernährung kritisch zu sehen sind. Sie schädigen die
Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und begünstigen so
Diabetes.“

„Die Ergebnisse können sicher nicht direkt in Ernährungsempfehlungen
umgewandelt werden, da eine kohlenhydratfreie, fettreiche
Ernährungsweise für Menschen nachteilig und auch nicht praktikabel
ist“, sagt Koautor Joost. „Dennoch sollten wir in unseren
Ernährungsempfehlungen ein größeres Gewicht auf die Effekte der
Kohlenhydrate legen. Mit anderen Worten: Personen mit erhöhtem
Diabetes-Risiko sollten Vollkornbrot statt Weißbrot essen, da hierdurch
ein schneller und übermäßiger Anstieg der Blutzuckerwerte vermieden
werden kann.“

Hintergrundinformationen:

Typ-2-Diabetes:

Nach Angaben der International Diabetes Federation (IDF) sind knapp 7,5
Millionen Menschen in Deutschland an einem Diabetes erkrankt, wobei etwa
85-95 Prozent der Menschen an einem Typ-2-Diabetes leiden. Der
Typ-2-Diabetes verläuft zu Beginn meist ohne Anzeichen und wird häufig
erst mit jahrelanger Verzögerung erkannt. Er führt oft zu
schwerwiegenden Komplikationen, wie Erblinden, Nierenversagen und
Amputation von Gliedmaßen. Zudem sterben Menschen mit Diabetes früher,
vor allem an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Kohlenhydrate und glykämischer Index (GI):

Kohlenhydrate zählen zu den Grundnährstoffen. Zu ihnen gehören alle
Zucker- und Stärkearten und die meisten Ballaststoffe. Die Aufnahme von
Kohlenhydraten erhöht vorübergehend den Blutzuckerspiegel. Besonders
Traubenzucker oder Lebensmittel wie Weißbrot lassen den
Blutzuckerspiegel rasch ansteigen. Ein Maß für die Blutzuckererhöhung,
die durch ein Nahrungsmittel ausgelöst wird, ist der glykämische Index
(GI). Die bisherigen Daten lassen annehmen, dass eine Diät mit niedrigem
GI das Risiko für Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen senken kann.

Ernährungsempfehlungen: In den bisherigen allgemeinen
Ernährungsempfehlungen ist der GI zwar nicht explizit enthalten, aber
z. T. durch die Empfehlung zu Vollkornprodukten und der Reduktion von
Zucker und Süßigkeiten indirekt berücksichtigt. Eine Intensivierung
dieser Empfehlungen würde bedeuten, dass alle Kohlenhydrate
kategorisiert werden müssten, und dass dann z.B. Kartoffeln den
„schlechten“ Kohlenhydraten zugeordnet würden. Diese Intensivierung
und Komplizierung der Empfehlungen kann deshalb allenfalls für
Risikopersonen (z.B. mit hohem Typ-2-Diabetes-Risiko) diskutiert werden.
Ernährungsempfehlungen anderer Länder und Fachgesellschaften haben
deshalb den GI bislang nicht als Kriterium genannt, empfehlen allerdings
eine ballaststoffreiche Kost und zielen damit indirekt auf eine
Reduktion der glykämischen Last.

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