Amarogentin

Geschmackssensoren für die bitterste natürliche Substanz der Welt
identifiziert

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung (DIfE) und der Universität Piemont in Italien
haben vier Geschmackssensoren identifiziert, mit denen Menschen die
bitterste natürliche Substanz der Welt wahrnehmen. Bei dieser handelt es
sich um Amarogentin, einem Bitterstoff aus Enzian, der noch in einer
Verdünnung von eins zu 58 Millionen deutlich wahrnehmbar ist. Das heißt,
wenn man ein Schnapsglas (2cl) Amarogentin in einer Wassermenge
verdünnt, die etwa 5.800 Badewannenfüllungen entspricht, würde man
sie immer noch schmecken. Obwohl Forscher die Substanz seit langem
kennen, waren die molekularen Sensoren für diesen Bitterstoff bislang
unbekannt.

Die Forschergruppe um Maik Behrens und Wolfgang Meyerhof vom DIfE
publizierte ihre Untersuchungsergebnisse nun online in der
Fachzeitschrift Journal of Agricultural and Food Chemistry (Behrens et
al., 2009; DOI:10.1021/jf9014334).

Bitterstoffe nimmt der Mensch mit Hilfe von kleinen Eiweißmolekülen
wahr, den so genannten Bittergeschmacksrezeptoren, die auch mit TAS2R
bezeichnet werden. Diese sitzen wie Sensoren oder Antennen auf der
Spitze von Geschmackszellen. Bindet eine Substanz an den für sie
passenden Bitterrezeptor, so wird ein Signal in der Zelle ausgelöst, das
ans Gehirn weitergeleitet wird – wir registrieren: Es schmeckt bitter.

Obwohl seit etwa sieben Jahren alle 25 menschlichen Bitterrezeptor-Gene
bekannt sind, ist es weltweit noch nicht gelungen, für jeden Bitterstoff
den oder die passenden Bitterrezeptor/en zu identifizieren. Ebenso gibt
es auch immer noch zehn, so genannte „verwaiste“ Rezeptortypen, denen
die Forscher bislang noch keinen Bitterstoff zuordnen konnten. Somit
sind noch viele Fragen offen, die das Wechselspiel zwischen
Geschmackssensoren und Bitterstoffen betreffen. Ziel der DIfE-Forscher
ist daher, Antworten auf diese Fragen zu finden, um aufzuklären wie die
(Bitter-) Geschmackswahrnehmung auf molekularer Ebene funktioniert.

Dies
sei eine wichtige Vorraussetzung, um zu verstehen, wie
Nahrungspräferenzen entstehen, so Meyerhof. Ebenso sei es denkbar,
die Studienergebnisse zu nutzen, um Bitterblocker zu entwickeln, die den
schlechten Geschmack von Medikamenten verringern.

In der vorliegenden Studie untersuchten die Forscher eine Untergruppe
von acht der 25 Rezeptortypen (TAS2R43 bis 50) auf Wechselwirkungen mit
verschiedenen Bitterstoffen. Wie die Wissenschaftler nun erstmals
zeigen, aktiviert Amarogentin vier dieser acht Sensoren, zu denen auch
der bis dato als „verwaist“ eingestufte TAS2R50 gehört. Für diesen
Rezeptortyp konnten die Forscher auch noch einen zweiten
Aktivierungspartner identifizieren – nämlich den Bitterstoff
Andrographolide. Die Ergebnisse dieser Studien seien der erste Schritt
zur weiteren Charakterisierung der Rezeptoren, so Maik Behrens,
Erstautor der Studie.

Weder Amarogentin noch Andrographolide gehören zu den sehr giftigen
Bitterstoffen. Verschiedene Studien weisen sogar darauf hin, dass sie in
Dosen, die eben noch im menschlichen Wahrnehmungsbereich liegen,
gesundheitsförderliche Wirkungen besitzen. Das Ergebnis einer Tierstudie
weist beispielsweise darauf hin, dass Amarogentin zur Behandlung von
Leishmaniose geeignet sein könnte. Auch Andrographolide ist
therapeutisch wirksam. Diese Substanz ist in größeren Mengen in der
ayurvedischen Heilpflanze Maha-tita (king of bitters) enthalten, welche
in Südasien verwendet wird, um Infektionen zu behandeln.

Hintergrundinformation:

Wolfgang Meyerhof leitet am DIfE eine der führenden Arbeitsgruppen, die
sich mit Geschmacksforschung in Deutschland beschäftigen. Der Gruppe ist
es gelungen, alle 25 menschlichen Bitterrezeptor-Gene zu identifizieren.

Allgemein gilt, dass die Bitterrezeptoren vor dem Verzehr giftiger
Stoffe warnen. Man findet sie auf der Zunge, aber auch im Bereich des
Gaumens, des Rachens und des Kehlkopfs. Bereits 2005 und 2006 hatten
Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Meyerhof gezeigt, dass die Wahrnehmung
des Bittergeschmacks eine wichtige Rolle während der menschlichen
Evolution spielte.

In großen Teilen der Gesellschaft ist bekannt, wie eine gesunde
Ernährung aussehen sollte. Paradoxerweise hat dieses Wissen in der
täglichen Praxis die tatsächliche Ernährungsweise aber kaum
beeinflusst: Bevorzugt wird eine wenig sättigende, kalorienreiche Kost,
die das Entstehen von Übergewicht begünstigt. Die Forschung des DIfE
konzentriert sich deshalb auch auf die biologischen Mechanismen, die
eine Vorliebe für bestimmte Lebensmittel bewirken.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen
ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention,
Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln.

Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes und
Krebs.
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 86 Forschungsinstitute und
Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte
Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-,
Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und
Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften.
Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an
Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder
fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die
Leibniz-Institute beschäftigen etwa 14.200 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, davon sind ca. 6.500 Wissenschaftler, davon wiederum 2.500
Nachwuchswissenschaftler. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de .

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