EU-Weinmarktreform beschlossen

Die Landwirtschaftsminister der Europäischen Union haben sich gestern in Brüssel nach einer 48stündigen Debatte auf eine Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Wein geeinigt. Dabei musste sich die für Weinbau zuständige dänische EU-Kommissarin Mariann Fischer Boel dem Druck einiger grosser Länder wie Deutschland und Frankreich beugen und starke Abstriche ihres ursprünglichen Reformvorschlages hinnehmen. Allerdings konnte sich die Kommission in einem besonders wichtigen Punkt durchsetzen. Die Zuständigkeit für die Genehmigung neuer Verfahren liegt künftig nicht mehr auf nationaler Ebene sondern allein in Brüssel. Und dort will man was die technologischen Möglichkeiten angeht eine weitgehende Chancengleichheit für europäische Winzer gegenüber ihren Mitbewerbern aus Übersee. Hier einige der wichtigsten Änderungen in Kürze:

Chaptalisierung: Das ursprünglich vorgesehene Verbot einer Zuckerung scheiterte an dem Widerstand von insgesamt 20 der 27 Mitgliedstaaten, die für eine Beibehaltung dieses vor allem in Deutschland und Frankreich (Bordeaux) praktizierten Verfahrens aussprachen. Ein Kompromiss sieht allerdings vor, dass die Höchstgrenze stufenweise gesenkt werden soll.

Rodung: Statt der ursprünglich von der Kommission angepeilten 400.000 Hektar sollen jetzt innerhalb von drei Jahren nur noch 175.000 Hektar Weinbergfläche gerodet werden.

Destillation: Die subventionierte Destillation wird schrittweise abgeschafft.

Pflanzungsrecht: statt der von Fischer Boel vorgeschlagenen schnellen und vollständigen Liberalisierung (sprich: Abschaffung) bis 2010 erzwang eine Mehrheit der Agrarminister einen Aufschub bis 2015 und die Möglichkeit diesen auf nationaler Ebenes sogar noch bis 2018 zu verlängern.

Bezeichnungsrecht: Die Etikettierung wird vereinfacht. Erzeuger dürfen künftig auch bei Tafelweinen ohne geografische Angabe Rebsorte und Jahrgang auf dem Etikett angeben.

Für alle die es ausführlicher nachlesen wollen hier der vollständige Pressetext der Kommission zu den wichtigsten Punkte der reformierten GMO:

Nationale Finanzrahmen: Diese Finanzrahmen werden den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, die Massnahmen an ihre jeweilige Situation anzupassen. Mögliche Massnahmen sind u.a.: Absatzförderung in Drittländern, Umstrukturierung/Umstellung von Rebflächen, Modernisierung der Produktionskette, Innovation, Unterstützung für die grüne Weinlese und neue Massnahmen zum Krisenmanagement.

Massnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums: Mittel werden auf die Massnahmen zur ländlichen Entwicklung übertragen und sind den Weinbauregionen vorbehalten. Die Massnahmen könnten Folgendes umfassen: Niederlassung von Jungweinbauern, Verbesserung der Vermarktung, Berufsbildung, Förderung von Erzeugerorganisationen, Unterstützung zur Deckung der mit der Erhaltung von Kulturlandschaften verbundenen Zusatzkosten und Einkommenseinbussen sowie Vorruhestand.

Pflanzungsrechte: Die Pflanzungsrechte werden bis zum Jahr 2015 schrittweise abgeschafft, mit der Möglichkeit, sie auf nationaler Ebene bis 2018 beizubehalten.

Schrittweise Abschaffung der Destillationsregelungen: Die Dringlichkeitsdestillation wird nach Ermessen der Mitgliedstaaten auf vier Jahre bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 2011/12 begrenzt, wobei die Ausgaben im ersten Jahr auf 20 %, im zweiten Jahr auf 15 %, im dritten Jahr auf 10 % und im vierten Jahr auf 5 % des nationalen Finanzrahmens beschränkt sind. Die Destillation zu Trinkalkohol wird innerhalb von vier Jahren schrittweise abgeschafft, wobei eine produktgekoppelte Zahlung während der Übergangszeit durch die Einbeziehung in die entkoppelte Betriebsprämie abgelöst wird. Die Mitgliedstaaten werden die Destillation von Nebenerzeugnissen verlangen können, die aus dem nationalen Finanzrahmen in deutlich geringerer Höhe als bisher finanziert wird, wobei die Erfassungs- und Verarbeitungskosten der Nebenerzeugnisse gedeckt sind.

Einführung der Betriebsprämienregelung: Die entkoppelte Betriebsprämie wird den Keltertraubenerzeugern nach Ermessen der Mitgliedstaaten sowie allen Weinbauern gewährt, die ihre Rebflächen roden.

Rodung: Es gibt eine dreijährige freiwillige Rodungsregelung für eine Gesamtfläche von 175 000 Hektar mit einer im Laufe der drei Jahre schrittweise verringerten Prämie. Ein Mitgliedstaat kann die Rodung einstellen, wenn die gerodete Fläche 8 % der gesamten Weinbaufläche des Mitgliedstaats oder 10 % der gesamten Weinbaufläche einer Region übersteigt. Die Kommission kann die Rodung einstellen, wenn die gerodete Fläche 15 % der gesamten Weinbaufläche eines Mitgliedstaats erreicht. Die Mitgliedstaaten können auch Rodungen in Berggebieten und Steillagen sowie aus umweltbedingten Gründen ausschliessen.

Önologische Verfahren: Die Zuständigkeit für die Genehmigung neuer bzw. die Änderung bestehender önologischer Verfahren wird auf die Kommission übertragen, die die von der OIV genehmigten önologischen Verfahren bewertet und einige davon in die Liste der genehmigten EU-Verfahren aufnimmt.

Bessere Etikettierungsvorschriften: Das Konzept für Qualitätsweine aus der EU wird sich auf Weine mit geschützten geografischen Angaben und Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung gründen. Fest etablierte nationale Qualitätspolitiken werden beibehalten. Die Etikettierung wird vereinfacht und wird so bei EU-Weinen ohne geografische Angabe ermöglichen, die Rebsorte und den Jahrgang auf dem Etikett anzugeben. Bestimmte traditionelle Begriffe und Flaschenformen können weiterhin geschützt werden.

Trockenzuckerung: Die Trockenzuckerung ist weiterhin erlaubt, obwohl die Höchstgehalte der Anreicherung mit Zucker oder Traubenmost gesenkt werden. Die Mitgliedstaaten können bei der Kommission im Falle aussergewöhnlicher klimatischer Bedingungen beantragen, die höchstzulässige Anreicherung anzuheben.

Beihilfe für die Verwendung von Traubenmost: Diese Beihilfe darf in ihrer derzeitigen Form vier Jahre lang weitergezahlt werden. Nach dieser Übergangszeit werden die Ausgaben für die Mostbeihilfe in entkoppelte Zahlungen an die Weinerzeuger umgewandelt.

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