Warum Stevia nicht nur süß, sondern auch bitter schmeckt

Stevia gilt als gesunde Alternative zu Zucker. Die kürzlich von der
Europäischen Union als Süßungsmittel zugelassenen Steviaprodukte haben
aber auch Nachteile, zum Beispiel einen langanhaltenden, bitteren
Nachgeschmack. Die dafür verantwortlichen Geschmacksrezeptoren auf der
menschlichen Zunge haben Wissenschaftler der Technischen Universität
München und des Deutschen Instituts für Ernährungs-forschung
Potsdam-Rehbrücke nun identifiziert. Mit Zellkulturversuchen und
sensorischen Tests konnten die Wissenschaftler zudem zeigen, dass
Stevioside mit vielen Traubenzuckerbausteinen besonders süß schmecken.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Journal of
Agricultural and Food Chemistry.

Auf der menschlichen Zunge gibt es nur einen Rezeptortyp, der für die
Wahrnehmung von süßem Geschmack zuständig ist, etwa 25 verschiedene
Rezeptoren hingegen für bittere Aromen. Wissenschaftler der Technischen
Universität München (TUM) und des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke (DIfE) haben nun die beiden
Geschmacksrezeptoren hTAS2R4 und hTAS2R14 ausfindig gemacht, die für den
bitteren Nachgeschmack von Stevia sorgen.

Zwar sind die Extrakte der subtropischen Pflanze bis zu 300-mal süßer
als herkömmlicher Zucker. Sie enthalten dabei kaum Kalorien und schonen
die Zähne. Dennoch hat das „Honig¬kraut“ einen Beigeschmack: In hoher
Konzentration sorgt es für lakritzartige, bittere Noten.

Die Wissenschaftler haben neun sogenannte Steviolglykoside untersucht,
die für den intensiven Geschmack von Extrakten der Stevia-Pflanze
sorgen. Wie süß oder bitter die unterschiedlichen Glykosid-Varianten
wirken, haben die Forscher zunächst im Reagenzglas getestet: Dabei
übernehmen speziell gezüchtete Zellen die Funktion von
Geschmacks¬rezeptorzellen und reagieren wie eine künstliche Zunge auf
die Glykosid-Moleküle. Damit konnten die Wissenschaftler diejenigen
Rezeptortypen identifizieren, die durch Stevia aktiviert werden.

Darüber hinaus wurden sensorische Tests durchgeführt, bei denen eigens
geschulte Probanden die Geschmacksintensität der Stevia-Bestandteile in
Abhängigkeit von deren Konzentration beurteilen. Das Ergebnis der
kombinierten Geschmackstests: Die Struktur der Glykosid-Moleküle ist ein
entscheidender Faktor für den Süße- oder Bitterkeitsgrad von Stevia. „Je
mehr Traubenzucker am Molekül gebundenen sind, desto süßer und weniger
bitter“, erklärt Prof. Thomas Hofmann, der den TUM-Lehrstuhl für
Lebensmittelchemie und molekulare Sensorik inne hat. Der
Stevia-Bestandteil Rebaudiosid D enthält zum Beispiel fünf
Traubenzuckerbausteine und ist etwa fünfmal süßer und zu zwei Dritteln
weniger bitter als Dulcosid A mit nur zwei Traubenzuckerbausteinen.

„Der bittere Beigeschmack der Steviolglycoside entsteht, indem die
Glycoside die beiden Bittergeschmacks-Rezeptortypen auf der menschlichen
Zunge aktivieren“, erklärt Anne Brockhoff vom Deutschen Institut für
Ernährungsforschung. Diese neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen,
den Bittergeschmack von Stevia-Produkten schon früh zu minimieren.
„Beispielsweise können züchterische Maßnahmen oder auch die
Aufreinigung bei der Gewinnung der Stevia-Produkte zielorientiert auf
die besten Süßungskandidaten konzentriert werden“, ist sich
TUM-Wissenschaftler Thomas Hofmann sicher.

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