Fatales Missverständnis: Mindesthaltbarkeitsdatum

Verbraucher interpretieren Mindesthaltbarkeitsdatum falsch und schmeißen zu viel Lebensmittel in den Müll

Das Bundesverbraucherministerium (BMELV) hat jüngst schockierende Ergebnisse einer Forsa-Umfrage zum Wegwerfverhalten der Deutschen veröffentlicht: 58 Prozent der Befragten geben an, dass sie regelmäßig Lebensmittel wegschmeißen. 84 Prozent nennen als Hauptgrund, dass das Lebensmittel schlecht sei, sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) abgelaufen ist – ein fatales Missverständnis.

Das MHD ist seit 1984 in der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung verankert. Und obwohl es ein Vierteljahrhundert alt ist, interpretieren es die meisten Verbraucher immer noch falsch. Denn es ist lediglich eine Art Gütesiegel, wie Petra Teitscheid von der Fachhochschule Münster in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung erklärt: „Ein gutes Beispiel ist Mineralwasser in Kunststoffflaschen. Der Hersteller garantiert nur, dass die Kohlensäure so lange drinbleibt. Das hat überhaupt keinen Einfluss auf die Gesundheit“.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hans-Michael Goldmann sagt, sollte in diesem Missverständnis eine Ursache für das viele Wegwerfen liegen, sei es an der Zeit, den Begriff auszutauschen. In einem Bericht des Informationszentrums für Landwirtschaft (Proplanta) heißt es: „Daher plädiere ich dafür, alle Lebensmittel mit zwei Angaben zu versehen: Voller Genuss bis zum Tag X und essbar bis zum Tag Y“. Als Vorbild könne das englische „Best before…“ dienen.

Das Bundesministerium für Verbraucherschutz (BMELV) hingegen will das MHD nicht abschaffen, sondern Hersteller, Handel und Verbraucher aufklären, wie man richtig damit umgeht. Es sei anders als das Verbrauchsdatum kein Verfallsdatum, sondern Gütesiegel und wichtige Orientierungshilfe, bestätigt auch Bundesministerin Ilse Aigner in einer Videobotschaft. Nach dessen Ablauf gelte es den eigenen Sinnen zu vertrauen. Verbraucher sollten das Produkt sorgfältig auf Konsistenz, untypische Gerüche und Schimmel prüfen – das Ministerium nennt dies den „Auge-Nasen-Zungen-Check“.

Es gibt mittlerweile auch Technologien, die das MHD ergänzen. Das baden-württembergische Unternehmen Bizerba bietet ein Etikett mit einer speziellen Druckfarbe an, die sich desto schneller entfärbt, je länger das Produkt warm gelagert wird. Marc Büttgenbach, Sales Director Labels and Consumables, erklärt: „Viele Verbraucher zeigen im Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum verunsichert, weil es eine sehr allgemeine Aussage macht. Das TTI-Etikett dokumentiert die Kühl-Historie jeder einzelnen Verpackung.“ Es zeige an, ob die Kühlkette an irgendeiner Stelle unterbrochen wurde – beim Hersteller, beim Händler oder auch beim Verbraucher selbst.

Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL) behauptet, das MHD sei besser als sein Ruf und unterstützt die Aufklärungsarbeit des BMELV. Die Mehrheit der Verbraucher gebe in einer Umfrage an, das Datum als Aufforderung zu verstehen, Produkte auf ihre Genießbarkeit hin zu prüfen. Eine neue Formulierung sei nicht zielführend, denn diese müsse der Verbraucher erst lernen und verstehen. „Daher setzt auch der deutsche Lebensmittelhandel in der Debatte auf Verbraucheraufklärung“, erklärt Franz-Martin Rausch, Hauptgeschäftsführer des BVL. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Supermärkten haben allein schon durch ihren Beruf eine hohe Sensibilität für das Datum.“ Bereits heute nutzten sie in den Kundengesprächen ihre Fachkenntnisse und Erfahrungen, um Kunden aufzuklären.

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