Konsument checkt Lebensversicherungen

Lebensversicherungen:

Viel versprochen – wenig gehalten

Angesichts der Finanzkrise sind Lebensversicherungen als vermeintlich sichere
Anlageform wieder gefragt. Derzeit wird mit Zinsen von vier bis 4,5 Prozent geworben,
in den Achtziger- und Neunzigerjahren gar mit sechs bis sieben Prozent. Doch wie viel
erhalten Konsumenten letztlich unterm Strich wirklich?
„Konsument“ hat 18 Verträge, darunter Er- und Ablebensversicherungen sowie reine
Erlebensversicherungen, der unterschiedlichsten Versicherer gesichtet. „Die Analyse
zeigt, dass Erwartung und Realität weit auseinander liegen. Die Versicherten erhielten
teils bedeutend weniger Geld als seinerzeit versprochen – zum Beispiel 19.600 statt
22.100 Euro nach zehn Jahren“, fasst „Konsument“-Versicherungsexpertin Gabi
Kreindl das Ergebnis zusammen.

Der Geschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation, Franz Floss, ortet als
grundlegendes Problem die mangelnde Transparenz von Lebensversicherungs-
Produkten: „Man kauft die Katze im Sack. Denn für die Konsumenten ist oft nicht klar
ersichtlich, welche Kosten damit verbunden sind und wie sich diese zusammensetzen
– und dann ist die Enttäuschung groß. Hier gibt es eindeutig Verbesserungsbedarf.“

Erwartungen stark unterlaufen
„Konsument“ hat sich 18 Verträge aus der Beratungspraxis genauer angesehen, wobei die
Auswahl der Versicherer dadurch zufällig erfolgte. Dabei wurde deutlich, dass die
Versicherten erheblich weniger Geld bekamen, als ursprünglich prognostiziert. Lediglich in
zwei Fällen lag die Differenz um nur ein Prozent (s-Versicherung) bzw. vier Prozent (Zürich)
unter der Prognose. Bei allen anderen Verträgen wurden zumindest acht Prozent weniger
ausbezahlt als bei Vertragsabschluss prognostiziert, z.B. rund 20.300 statt 22.100 Euro. Im
Schnitt waren es sogar 13 Prozent weniger.

Geschönte Prognosen
Rechtsmittel sind bei einem Auszahlungsbetrag, der unter der Prognose liegt, im Grunde
nicht möglich – denn rechtlich bindend zugesagt ist immer nur die garantierte Verzinsung –
und zwar nur auf den Sparanteil! Geworben wird mit einer Gesamtverzinsung von 4 bis 4,5
Prozent. „Die in den Angeboten beworbene Gesamtverzinsung ist aber nicht gleichzusetzen
mit der Rendite“, weiß „Konsument“-Versicherungsexpertin Gabi Kreindl. Die
Gesamtverzinsung bezieht sich nicht auf das gesamte eingezahlte Kapital, sondern nur auf
den Sparanteil, der im Bereich von 75 bis 85 Prozent der einbezahlten Prämien liegt.
Tatsächlich garantiert sind derzeit 2,25 Prozent auf den Sparanteil. Da bleibt nur eine
Rendite von ca. 0,3 Prozent übrig. Damit ist nicht einmal eine bescheidene
Inflationsabgeltung möglich.

Beträge nur zum Teil veranlagt
Viele Lebensversicherungen sind Er- und Ablebensversicherungen. Der Anteil für die
Ablebensversicherung wird aber nicht verzinst, das einbezahlte Geld also nur zum Teil
veranlagt. Doch auch bei reinen Erlebensversicherungen werden von 100 einbezahlten Euro
nur zirka 85 tatsächlich veranlagt – der Rest entfällt auf Kosten und Versicherungssteuer.
Das Problem: Die „Gesamtverzinsung“ sagt nichts über den „Gesamtertrag“ aus. Es
bedeutet nur, dass die veranlagten Beträge mit mindestens diesem Zinssatz verzinst werden
– doch nicht das gesamte einbezahlte Geld wird wie gesagt auch verzinst.
Eine aktuelle Erhebung bei mehreren Versicherern zeigt etwa, dass sich die versprochenen
Gesamtzinssätze für einen Mann – geboren 1970, monatliche Zahlung 100 Euro, Laufzeit 20
Jahre – derzeit zwischen vier bis 4,5 Prozent bewegen. Mit dem Garantiezins auf das
gesamte einbezahlte Kapital gerechnet würden am Ende der Laufzeit 30.000 Euro
herauskommen. Bei monatlicher Einzahlung wird der Unterjährigkeitszuschlag fällig, die
Versicherungssteuer miteingerechnet müssten etwa 27.000 Euro übrigbleiben. Die von den
Versicherern genannte garantierte Auszahlungssumme liegt dagegen bei rund 25.000 Euro,
was nur durch die hohen internen Kosten erklärbar ist.

Kosten verschwiegen
Die Kosten aber sind ein gut gehütetes Geheimnis und setzen sich aus mehreren Faktoren
zusammen. So wurde bei der Erhebung zum Beispiel in den meisten Fällen nicht darauf
hingewiesen, dass aufgrund des Unterjährigkeitszuschlags die jährliche Einzahlung mehr
bringt. „Zahlt man statt 100 Euro monatlich 1.200 Euro jährlich ein, dann ergibt sich bei einer
Laufzeit von 20 Jahren eine Ersparnis von 2.425 Euro“, rechnet Kreindl vor. Diese Rechnung
basiert auf sechs Prozent Unterjährigkeitszuschlag, vier Prozent Abschlusskosten und drei
Prozent Verzinsung.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Provision für den Vertragsabschluss – diese zahlt der
Versicherte, und zwar zu Beginn der Laufzeit. Grund dafür ist das seit über hundert Jahren
übliche Zillmerungs-Verfahren. Durch diese Vorab-Vergütung der Provision ist der Anreiz für
Vermittler groß, sich auf Neuabschlüsse zu konzentrieren, hohe Erstprämien und lange
Laufzeiten anzubieten, anstatt auf die langfristige Betreuung des Kunden zu achten. Kreindl:
„Dieses Verfahren erscheint uns als nicht mehr zeitgemäß. Eine größere Flexibilität bei
Prämie und Laufzeit kann es nur über eine ungezillmerte Vergütung geben.“

Mehr Transparenz gefordert
Bei der „Konsument“-Erhebung fehlten Erklärungen über Spar-, Risiko- und Kostenanteil
nahezu immer. „Problematisch ist, dass Kunden mit der Lebensversicherung ihr Geld über
einen langen Zeitraum veranlagen und darüber im Unklaren gelassen werden, mit welchem
Ertrag sie rechnen können“, kritisiert Floss. „Zu größerer Transparenz würden etwa
Kennzahlen für Kosten – ähnlich der TER (Total Expense Ratio) bei Investmentfonds -,
Rendite und Risiko beitragen.“ Von realistischen Renditeangeben und korrekten
Kosteninformationen würden aber nicht zuletzt auch die Versicherer und Berater profitieren:
Denn in Österreich wird jede zweite Lebensversicherung vorzeitig gekündigt.
„In dieser intransparenten Form sind leider Lebensversicherungen nicht empfehlenswert –
weder zur Veranlagung, noch zur Altersvorsorge“, so Floss abschließend.

„Konsument“-Tipps
Hinterfragen: Sich nicht von Versprechen blenden lassen. Klären, welcher Prämienanteil
tatsächlich veranlagt wird und eine realistische Renditeberechnung fordern.

Zweck klären: Er- und Ablebensversicherungen sind besonders undurchsichtig. Wer
Angehörige für den Todesfall absichern will, greift besser zur reinen Ablebensversicherung.

Prüfen: Wer monatlich ansparen möchte, für den wäre ein Fondsparplan womöglich die
bessere Wahl.

Optimieren: Bei bestehenden Verträgen von monatlicher auf jährliche Zahlungsweise
umsteigen (Unterjährigkeitszuschlag). Unnötige Zusätze wie z.B. Invalidität streichen.

SERVICE: „Konsument“ sammelt die Erfahrungen von Konsumenten zu
Lebensversicherungen und bittet Interessierte um Angabe von Versicherer und
Produktname, Laufzeit, getätigte Einzahlungen, Prognose und tatsächlichen
Auszahlungsbetrag unter leserbriefe@konsument.at . Mehr dazu auf www.konsument.at .

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