Erschwingliche «Sterneküche»

Michael Schuchardt schnippelt bergeweise Lauch. Wenn er kocht, dann in großem Stil. 30 Leute wollen in der «Teestube» in Mainz seine Gemüsesuppe löffeln. Die Tageseinrichtung für wohnungslose Menschen ist fast zu Schuchardts Zuhause geworden und die Küche zumindest immer samstags sein Reich. Dort zaubert
er seine eintopfartige Suppe, die ihm inzwischen auch zu unerwartetem Ruhm verholfen hat. Denn sein Rezept wurde neben Kochtipps von deutschen Spitzenköchen in einem neuen Buch veröffentlicht.

«Sterneküche» ist eine Sammlung von einfach nachzukochenden Rezepten, deren Zutaten weniger als fünf Euro kosten. Zwei Euro von jedem verkauften Buch kommen Wohnungsloseneinrichtungen zugute. Den Großteil der Rezepte haben Spitzenköche wie Johann Lafer («Kürbisquiche mit Kräutern»), Ralf Zacherl («Cappuccino vom Blumenkohl, Curry und Kokos») oder Harald Wohlfahrt («Gegrillter Kabeljau mit Kartoffel-Knoblauch-Püree») honorarfrei beigesteuert.

Eine Hand voll Rezepte stammen von Menschen, die selbst wohnungslos sind. Einer von ihnen ist Schuchardt.
«Für´s Kochen hab ich mir von meiner Mutter viel abgeguckt, dort schmeckt es ja immer am besten», grinst er. Für einmal Suppe kochen braucht er zehn Euro. Davon werden dann 30 Leute satt, weil er das Gemüse kostenlos von einem Supermarkt bekommt und nur die übrigen Zutaten bezahlen muss. Er suche sich, versichert er, nur das Beste raus. Tags zuvor putzt er das Gemüse, setzt die Hühnerbrühe auf und samstagmittags lockt der leckere Dampf aus dem großen Topf dann seine Gäste an den Tisch.

Je mehr Leute kommen, desto mehr Spaß macht ihm das Kochen. «Dann schmeckt es auch besser», findet Schuchardt. Seine «Quer-durch-den-Gemüsegarten»-Suppe variiert von Woche zu Woche. Es gibt kein konkretes Rezept mit genauen Mengenangaben. Hinein kommt, «was es gerade gibt», zeigt sich der Hobbykoch pragmatisch.
Schuchardt ist gelernter Maschinenschlosser und hat danach als Lastwagenfahrer gearbeitet. Seit über 20 Jahren hat er keine Wohnung mehr. Seit einem Jahr schläft er in einem Zelt neben der «Teestube», auch im Winter. Sein bester Freund ist Hundedame Ronja. Mit den anderen Wohnungslosen, die täglich zur «Teestube» kommen, versteht er sich gut.

Weil Schuchardts Suppe auf so großen Zuspruch in der «Teeküche» gestoßen ist, hat der Verein «Armut und Gesundheit» ihn gebeten, beim neuen Kochbuch mitzuwirken. Ein Euro von jedem verkauften Buch kommt dem Mainzer Verein zugute. «Mit den Einnahmen finanzieren wir die medizinische Versorgung wohnungsloser Menschen», sagt Vorsitzender Gerhard Trabert. Darüber hinaus helfe der Verein mit dem Geld Familien im Projekt »Obdachlosensiedlung Zwerchallee«.

Ein weiterer Euro von jedem verkauften Exemplar geht an das «neunerHAUS» in Wien, eine Wohnungslosenhilfe, bei der die Idee geboren wurde. Trabert hofft, dass hierzulande das Buch so gut ankommt wie vor einigen Jahren das Vorbild im Nachbarland Österreich. Dort seien rund 30 000 Ausgaben über die Ladentheken gegangen.
Noch besser als der Verkauf im Buchhandel ist es Trabert zufolge für seinen Verein, wenn direkte Bestellungen per Internet eingehen. Auf www.armut-gesundheit.de kann man das Buch ordern. Von jedem dort bestellten Buch fließen laut Trabert acht Euro unmittelbar in die Kasse des Vereins.

www.armut-gesundheit.de

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