Hiltl in Zürich

Das Hiltl in Zürich ist das älteste vegetarische Restaurant der Welt – In der VIERTEN Generation katapultierte Rolf Hiltl sein vegetarisches Imperium auf einen zweistelligen Millionenumsatz – 200 Mitarbeiter aus 50 Nationen heben das Hiltl in eine neue Gastro-Dimension

Text Karl August Ebster, Chefredakteur des Oscar´s Hotel- und Gastronomiemagazin – www.oscars.li

Zürich-City, „zMittag“– sagen die Schweizer. Das schicke Restaurant Hiltl in der Sihlstrasse platzt aus allen Nähten.
Mütter mit Kinderwagen, Banker, Studenten, Touristen, Geschäftsleute, Omis mit ihren Enkeln und Zürcher-Hips
sorgen dafür, dass das älteste vegetarische Restaurant der Welt schon gegen 12 Uhr gestopft ist wie eine gefüllte
Kalbsbrust. Aber Moment, hier gibt es alles – außer tote Tiere auf dem Teller.

Der ehemalige „Wurzelbunker“, wie das Restaurant zu Urzeiten noch genannt wurde, hat sich zum modischen Szenetreff entwickelt.
Das ganze Haus ist stylisch und puristisch eingerichtet. Viel Glas, durch das man bis in die Vegi-Küche im Keller sehen kann, in
der dutzende Köche anrichten und sie hunderte Kilogramm Grünzeugs zu unzähligen vegetarischen Gerichten verarbeiten. Über
der Theke und an den Wänden hängen Flatscreens, über die Live-Tweets aus dem Restaurant laufen: „welcome, welcome“. Die
Musikboxen an der hohen Decke sprühen chillige Lounge-Musik über die auffallend vielen weiblichen Gäste, die mit ihrem Chick
dem Gesamtbild den passenden Rahmen verleihen. Veggie-Sexy. Vor allem abends, wenn das Hiltl zum Beats hämmernden,
movingheadsübersähten Club mutiert und Frischfleisch nur auf der Tanzfläche zu finden ist. Es ist zwar das 115-jährige Jubiläum
des Hauses Hiltl, aber man ist hier nicht von gestern. Selbst die Köche sind wie CIA-Agenten mit Knöpfen in den Ohren ausgerüstet,
um sofort und überall Kommandos entgegenzunehmen. Immer mitten drin ist Rolf Hiltl, Urenkel von Ambrosius Hiltl, der im Jahre 1898 den
Grundstein, oder besser gesagt die Idee eines vegetarischen Restaurants „gepflanzt“ hatte. Um die Mittagszeit herrscht im Hiltl
vegetarische „Rush Hour“. Rolf Hiltl begrüßt die Gäste, die sich zu hunderten die Türklinke in die Hand geben, und behält
den Überblick. Der Chef mit Handout-Frisur, Turnschuhen, Ghetto-Jeans, legerem Sakko und Jaeger-LeCoultre-Uhr am
Handgelenk wirkt locker. „Im Hiltl wird im Moment auch großartig umgebaut – keine leichte Aufgabe bei laufendem Betrieb,
heißt es doch, bis zu 2500 Gäste täglich zu begeistern“, lächelt Rolf Hiltl, dessen blaue Augen genauso leuchten wie das
Namensschild, das wie bei einem Praktikant an der linken Brusttasche klebt.

Ja, die Geschäfte laufen so gut wie nie. Vegetarier zu sein ist in. Gesunder Genuss auch. Fleischskandale und Masssentierhaltungen,
die abscheuliche Ausmaße angenommen haben, bewegen die Menschen zum Umdenken. Dabei sind nur zehn Prozent
der Gäste im ältesten vegetarischen Restaurant auch wirkliche Veganer, Ovo-Vegetarier, Lakto-Vegetarier oder wie immer
sie sich nennen mögen. Wer glaubt, Rolf Hiltl sei fanatischer Vegetarier, der hat sich getäuscht. Der „Vegi-King“ selbst bezeichnet
sich als Teilzeit-Vegetarier. „Wenn auch äußerst selten, ja, ich esse Fisch und Fleisch, aber sehr ausgewählt und meist nur,
wenn ich irgendwo Gast bin.“ Das Angebot an vegetarischen Speisen im Hiltl ist riesig – und das von früh bis spät.

Selbst Züricher-Geschnetzeltes gibt es „à la fleischlos“. Das Business mit gesunden, fleischlosen Produkten boomt. Seit 115 Jahren
ist das Haus, wie Rolf Hiltl selbst sagt, homogen gewachsen und stellt heute ein hybrides, vielfältiges Konzept dar. Darin
enthalten sind ein Take-Away-Angebot, ein Kochatelier, Themen-Kochkurse, der Hiltl Club, Catering, Bar-Lounge, die „pop-up
Event-Location“ am Güterbahnhof, Mosi’s Home Delivery, der die Köstlichkeiten nach Hause oder ins Büro liefert, und natürlich
der Restaurantbetrieb. Auch die Swiss-Air serviert auf interkontinentalen Flügen die Hiltl-Spezialitäten.

Der Rubel rollt, oder besser gesagt, hoch die Schranken, her die Franken. Für österreichische oder deutsche Verhältnisse sind
die Preise in Zürich eher im höheren Preissegment angesiedelt. Die Immobilien sind beinahe unerschwinglich, die Mietpreise
horrend und für den Besuch von exklusiven Restaurants bedarf es fast einem Kleinkredit von der Hausbank. Im Hiltl geht es für
Züricher Verhältnisse noch eher moderat zu und her. Sehr beliebt ist das schier endlose Angebot am Buffet, bei dem man für umgerechnet
15 Euro schon sehr gut bedient ist. Ansonsten findet sich auf der Karte beispielsweise Libanesisches Badingal mit
Auberginen, Kichererbsen, Pinienkernen, Tomaten und Couscous für CHF 24,50 (umgerechnet rund 20 Euro), oder Feta-Safran-
Gemüse, Tomaten, Kräuter, Zwiebelröhrli und Spinatnudeln für 23,50 „Stutz“, wie der Franken von den Schweizern auch
noch genannt wird.

Zeitreise ins Jahr 1898
Die vegetarische Küche stand damals in Europa noch in ihren Anfängen und war alles andere als schick. Das heutige „Hiltl“ hieß
damals „Vegetarierheim“ und wurde verspottet, war es doch purer Luxus, am Sonntag wenigstens ein Stück Fleisch auf dem
Teller zu haben, anstatt „Gras zu fressen“. Zürich war zu der Zeit keine Bankenstadt und die Leute waren größtenteils bettelarm.
Das älteste vegetarische Restaurant der Welt hatte von Anfang an mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Mit Einnahmen
von 30 Franken pro Tag kam das Lokal kaum über die Runden. Die Geschichte des Lokals hätte zu dem Zeitpunkt auch schnell
ein Ende gefunden, wäre da nicht ein gewisser 20-jähriger, eingewanderter Schneider aus Bayern gewesen. Der schnauzbärtige
Ambrosius Hiltl war an Gicht erkrankt und sein Arzt prognostizierte ihm einen frühen Tod, wenn er nicht auf den Fleischgenuss
völlig verzichten würde. Hiltl hörte auf seinen Arzt, wurde Vegetarier und Stammgast im „Vegetarierheim“. Als der
Geschäftsführer nach Jahren der Erfolglosigkeit aufgab, übernahm Hiltl seinen Job, verliebte sich in die Köchin, heiratete diese
und kaufte 1907 das Restaurant. Seine Krankheit besiegte Hiltl und wurde 93 Jahre alt. Seither ging das Restaurant stets vom Vater
auf den Sohn über und befindet sich mit Rolf Hiltl nun in der vierter Generation. In den 115 Jahren musste der Betrieb viele schwierige
Zeiten meistern. Kriege und Rationalisierungen waren der Grund, dass nur sehr wenige vegetarische Zutaten zur Verfügung standen
– praktisch gab es nur Eier, Mehl, Kartoffeln, Getreide und etwas Gemüse aus der Region. Dies zwang jedoch die geschäftstüchtigen
Hiltls, stets innovativ zu sein. Heute präsentiert sich das Hiltl als führendes Restaurant mit 115-jähriger Geschichte
vegetarischer Küche und Einflüsse aus allen Herrenländern wie China, Indien oder Malaysia. Die Stoßrichtung für die nächsten
Jahre hat Rolf Hiltl schnell erklärt: „Unser Anspruch ist es, führend zu sein und zu bleiben! Wir werden weiterhin innovativ
bleiben und unsere Gäste begeistern. Im Moment entstehen originelle Seminarräume, das Hiltl-Buffet wird um 80 Quadratmeter
erweitert und im Erdgeschoss gibt es einen neuen Shop für vegetarische Produkte, beleuchtet von der größten Shell-
Lampe der Welt“. Wow!

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