Interview mit Spitzenkoch Gerald Vorreiter

Spitzenkoch Gerald Vorreiter, 29, lebt seit knapp sieben Jahren in Russland und hat bereits in den besten und teuersten Hotels Moskaus gearbeitet. Zu seinen Gästen zählen Dutzende von weltberühmten Schauspielern, Politikern und Supermodels. In einem exklusiven Interview für food-pressedienst.de erzählt Gerald Vorreiter von seiner ungewöhnlichen Karriere und dem Leben in der Stadt der schier unbeschränkten Möglichkeiten.

Warum sind Sie nach Russland gegangen?
Im Jahr 1999 bin ich für zwei Wochen nach Moskau gekommen. Ich wollte mir die Stadt anschauen und sie hat mich echt fasziniert. Da habe ich beschlossen, dass ich in der Stadt etwas länger bleiben möchte und habe versucht, hier eine Arbeit zu finden. Es hat gleich funktioniert. Arbeiten in einer Stadt, in der man die Sprache nicht spricht, war eine große Herausforderung und eine wichtige Lebenserfahrung. Deswegen bin ich nach Russland gegangen.

Wie lange sind Sie schon in Moskau und wo haben Sie bisher gearbeitet?
Ich bin jetzt insgesamt knapp sieben Jahre in Russland. Ich habe im Baltschug Kempinski angefangen, dann ein Angebot vom Ritz Carlton bekommen, wo ich am Anfang als Chef Tournant gearbeitet habe. Das heißt, ich war stellvertretender Küchenchef für alle Küchen, habe mich speziell auf den Einkauf der gesamten Produkte und Lebensmittel konzentriert, weil ich der einzige in dem Hotel war, der Erfahrung im Einkauf in Russland und speziell in Moskau hatte. Und nach einem halben Jahr habe ich die Hauptküche übernommen.

Zwischendurch habe ich Moskau für zwei Jahre verlassen, weil ich genug von Russland und besonders von der großen Stadt hatte. Ich habe dann ein dreiviertel Jahr im Hotel meiner Schwester in Österreich gearbeitet. Danach war ich ein Jahr in einem frisch eröffnetem Baltschug Kempinski in der Slowakei beschäftigt. Obwohl ich ursprünglich nicht nach Moskau zurückkehren wollte, als das Angebot vom Le Meridien Moscow kam, habe ich mich entschieden, mir das Hotel anzuschauen. Der Le Meridien Country Club liegt 20 Kilometer entfernt vom Zentrum und man glaubt es kaum, aber es ist komplett ruhig da: frische Luft, angenehme Leute. Also das Gegenteil von dem, was ich im Zentrum hatte.

Wollen Sie den Rest Ihres Lebens in Russland verbringen?
Das kann man schwer sagen. Vor zwei Jahren habe ich ja auch gesagt, dass ich nicht mehr nach Russland kommen möchte und jetzt bin ich wieder hier. Aber dieses Hotel ist wirklich ein wunderschönes Haus, traumhaft schöne Lage, ein riesiger Golfplatz. Ich habe jetzt hier einen Vertrag für drei Jahre und wenn es alles gut funktioniert, kann ich mir gut vorstellen, dass ich noch ein paar Jahre dran hänge.

In welcher Sprache sprechen Sie denn in der Küche?
Ich spreche inzwischen ganz gut Russisch, bisher aber ist es überall auf Englisch gegangen. Im Le Meridien bin ich von insgesamt knapp 500 Angestellten der Einzige, der nicht russisch ist. Deswegen wird hier nur Russisch gesprochen. In den ersten zwei, drei Wochen war das für mich gewöhnungsbedürftig, aber ich bin sehr schnell wieder rein gekommen und jetzt funktioniert es ganz gut.

Sie haben bestimmt Dutzende von prominenten Gästen. Auf wessen Besuch haben Sie sich besonders gefreut?
Am Anfang war ich sicher immer recht nervös, weil es etwas Spezielles war. Aber inzwischen ist jeder prominente Gast für mich wie ein normaler Gast. Und ich hatte ein ganzes Spektrum von Prominenten schon zu Besuch: von Bill Gates über Condoleezza Rice bis hin zu Will Smith und Naomi Campbell.

Was kochen Sie denn am liebsten?
Ich bin da sehr flexibel, mag aber die österreichische Küche ganz gern. Zum Beispiel typisch österreichischen Tafelspitz. Den mag ich sowohl kochen als auch essen.

Welche Trends sind in Russland in Sachen Genuss/Essen im kommen?
Viele Leute haben probiert sich mit der Gourmet-Küche, Fine Dining usw. in Russland zu etablieren. In den 7 – 8 Jahren, die ich jetzt in Russland bin, haben es nur wenige wirklich geschafft. So wie in Österreich kommt man mit der Sterne-Küche in Russland nicht sehr weit. Die Russen mögen lieber eine ehrliche Küche. Und in Russland, speziell in Moskau, gibt es fast keine Restaurants wie in Deutschland oder Österreich, wo das Preis-Leistungsverhältnis einfach passt. Also ehrliche Küche, wo man mit dem Preis nicht übertreibt so wie in anderen Restaurants, ist mein Erfolgsgeheimnis in Moskau.

Sie haben mal vor paar Jahren in einem Interview gesagt, dass sich in Moskau täglich Dutzende neue Restaurants öffnen und die Genuss-Industrie boomt. Ist das immer noch so?
Es boomt sicher nach wie vor extrem in Moskau. Es eröffnen täglich viele Restaurants, aber viele machen auch nach einer kurzen Zeit wieder dicht. Außer ein paar Ausnahmen überlebt kaum ein Restaurant länger in Moskau. Es herrscht hier ein sehr starker Wechsel in diesem Bereich.

Inwiefern unterscheidet sich ein Arbeitstag in Deutschland oder Österreich von einem in Russland?
Was ich in Russland lernen musste, ist mich in Geduld zu üben. Alles dauert hier sehr lang. Ich habe mich an das langsame Tempo gewöhnt, aber besonderes nach einer Weile in Deutschland fällt es extrem auf. Es ist viel schwieriger, richtige Lieferanten, Produkte die man gern hätte, vor allem in der Qualität, die man gern hätte, zu finden.

Gibt es in Moskau viele ausländische Köche?
Ja! Früher, als ich angefangen habe, waren das fast ausschließlich Franzosen und Italiener, inzwischen gibt es sehr viele Deutsche und Österreicher, besonders in der Hotellerie. In gehobenen Restaurants sind das aber nach wie vor überwiegend Franzosen und Italiener.

Wie sieht ihr Arbeitstag in Russland aus?
Mein Arbeitstag in Russland ist um einiges länger als in Österreich. Er fängt meistens zwischen 7 und 8 morgens früh an und wenn es nicht zu lang dauert, dann habe ich zwischen 23 Uhr und Mitternacht Feierabend.

Wie halten Sie das hohe Tempo durch?
Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt. Und wenn Arbeit Spaß macht, vergeht die Zeit auch richtig schnell.

Wie finden Sie die russische Küche?
Ich habe die russische Küche sehr gerne. Man sagt, dass die russische Küche als solche aus Gerichten besteht, die noch in der Zaren-Zeit aus Frankreich oder auch von den Nachbarnländern wie Ukraine, Georgien usw. gekommen sind. Aber eine reine russische Küche in dem Sinne gibt es nicht.

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