Klar, Eltern wollen für ihren
Nachwuchs nur das Beste. Deshalb wird gefördert, unterstützt und
nachgeholfen. Doch Erziehungswissenschaftler Professor Peter Struck
(“Das Erziehungsbuch”, Primus Verlag, 253 Seiten, 24,90 Euro) warnt:
Viele Eltern meinen es zu gut. “Langeweile hat enorme Bedeutung”,
sagt er in einem Interview mit der Frauenzeitschrift FÜR SIE, die am
31. Oktober 2005 erscheint. “Kinder brauchen Ruhe, Muße, Entlastung
und viel freie Zeit für sich selbst, für zweckfreies Spiel. Dazu
gehören auch Lesen, Fernsehen, Herumgammeln. Nicht organisierte
Freizeit ist wichtig für die kindliche Entwicklung.” Langeweile sei
die Voraussetzung dafür, dass Kinder selbstständig und kreativ
werden, und sie lernen, auch mit sich allein etwas anfangen zu
können.
Andererseits sorgen sich viele Eltern, dass ihr Kind in einer
immer beschäftigungsloser werdenden Gesellschaft auf der
Karriereleiter nicht ganz oben ankommt und überfrachten den
Terminkalender ihrer Sprösslinge mit Aufgaben, die sie für das harte
Leben stählen sollen. Prof. Struck: “Sehr angesagt sind derzeit die
Kumon-Schulen nach japanischem Vorbild, in denen bereits Zweijährige
Mathematik üben. Verplante Kinder werden außerdem zum Geigen- und
Klavierunterricht chauffiert, später kommen noch Ballett, Hockey,
Judo oder Reisen dazu. Nicht zu vergessen die vielen
Nachhilfestunden, falls das Kind den schulischen Erwartungen nicht
entspricht. Da bleibt wenig Zeit für das pädagogisch wertvolle
Spielzeug, das im Kinderzimmer auf sie wartet.”
Deshalb empfieht der Wissenschaftler: “Außerschulische Aktivitäten
sollten von Eltern gefördert, aber nicht gefordert werden, denn sonst
arten sie in Zwang aus.” Permanente Überforderung führt dann häufig
dazu, dass sich Frustrations- und Versagensgefühle aufstauen.
“Spätestens, wenn die Kinder zu Jugendlichen werden, bricht alles aus
ihnen heraus. Sie rasten aus, lassen sich volllaufen, flüchten sich
in beliebige Rauschzustände, um sich wenigstens phasenweise dem Druck
zu entziehen und die Welt vergessen zu können”, so Prof. Struck in
FÜR SIE. Die Kinder zu vernachlässigen und sich kaum um sie zu
kümmern ist aber auch verkehrt. Prof. Struck: “Ideal wäre es, immer
die Mitte zu wählen – in den Ansprüchen, in der Zuwendung.”