Kulinaristik und Spiritualität

"Die Küche ist mehr als ein Ort, an dem Essen zubereitet wird. Sie ist ein höchst sinnlicher Bereich des menschlichen Lebens. Wer nur noch die Mikrowelle benutzt, erfährt nichts davon", sagt Professor Guido Fuchs in einem Beitrag über Kulinaristik und Spiritualität im Rheinischen Merkur (vom 2. 8.) Fuchs leitet das Institut für Liturgie- und Alltagskultur in Hildesheim und leitet den Arbeitskreis Kulinaristik und Religion der Deutschen Akademie für Kulinaristik (Bad Mergentheim). Der Essraum, so Fuchs, "ist ein Ort, der durchaus Pendant zum liturgischen Raum der Kirche sein kann, als Ort der Verwandlung und Lebensspendung, zugleich ein Ort der Versammlung um einen Tisch und der Kommunikation untereinander."

"Der Essraum selbst kann dem Gottesdienstraum verwandt sein; deutlich wird dies in der Mönchsregel des heiligen Benedikt, die den Betraum (Oratorium) und den Essraum (Refektorium), vor allem die in ihnen vollzogenen Vorgänge, fast parallel behandelt. In manchen Klöstern sind sie auch architektonisch aufeinander bezogen. Und wie der Gottesdienst einen Mahlritus beinhaltet, so vollzieht sich das Essen unter der Begleitung religiöser Rituale: der Lesung, des Schweigens, des Gebets und Gesanges. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass in vielen Dörfern neben der Kirche das Gasthaus steht. „Bethaus und Gasthaus zusammen verkörpern etwas vom Wesen der Kirche“, sagt der evangelische Theologe Wolfgang Vorländer in seinem Buch über „Gottes Gastfreundschaft im Leben der Gemeinde“.

"Gemeindehäuser, die sich sonntags vor oder nach dem Gottesdienst auch für ein gemeinsames Frühstück oder ein anschließendes Mittagessen öffnen, sind nicht selten; ungewöhnlich ist, wenn im Gottesdienstraum selbst gegessen und getrunken wird – wie etwa in der Düsseldorfer Johanniskirche. Sie birgt in ihrem Eingangsbereich ein „Kirchencafé“, das täglich Hunderte Gäste aufsuchen – manche von ihnen nutzen auch den liturgischen Raum für ein Gebet oder einfach, um zur Ruhe zu kommen. Letztlich knüpft dies am Tun Jesu an, der die Menschen nicht nur mit Worten abgespeist hat."

"Auch die Beziehung zur jeweiligen Zeit, in der man sich befindet, zur Region, in der man lebt, spielt eine Rolle", schreibt Fuchs in seinem Beitrag. "Das ist nicht nur ein wichtiger Grundsatz der Slow-Food-Bewegung, dies wird auch in vielen geistlichen Häusern zunehmend erkannt, praktiziert und weitervermittelt. Die Rücksicht auf die Saisonalität des Essens tut gut – der Umwelt, aber auch dem Menschen, der sich wieder an Rhythmen gewöhnt, die in unserer Zeit oft aufgegeben und nivelliert werden. Leben in Rhythmen lehrt auch den Verzicht, in der Form der Abstinenz und noch mehr des Fastens, ebenfalls Ausdruck der Religiosität im Zusammenhang des Essens. Und es trägt zu einer Entschleunigung der Zeit bei, hebt sie gewissermaßen auf – wie jede Feier und jedes Mahl."

Internet: www.liturgieundalltag.de
www.kulinaristik.de

Der Artikel über Kulinaristik und Spiritualität ist Bestandteil des Themenschwerpunktes „MIT LEIB UND SEELE", der am zweiten August im RHEINISCHEN MERKUR erscheint.

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