Warum Diäten floppen

Vorschau: Warum Diäten floppen

Apfel oder Topfengolatsche? Jetzt oder später? Vor dem Bildschirm oder in der Kantine? Nur eine kleine Portion oder doch ein Nachschlag? Jeden Tag entscheiden wir mehrmals, was, wann und wie viel wir essen. Nicht immer steckt hinter unstillbarem Appetit der große Hunger. Welche Motive uns beim Essen leiten, diskutieren Experten auf der Jahrestagung 2009 des Verbandes der Ernährungswissenschafter Österreichs (VEÖ), die heute in Wien stattfindet. Eines kann schon jetzt verraten werden: Es ist unsere Psyche, die den guten Absichten beim Abnehmen und bei der Ernährungsumstellung im Wege steht.

Gefühle geben den Ton an
Viele greifen bei Stress und Liebeskummer reflexartig zur Schokolade.
Warum? Bislang wurde der positive Effekt von essbaren Stimmungsaufhellern vor allem auf bestimmte Inhaltsstoffe, wie die Aminosäure Tryptophan, zurückgeführt. Der essenzielle Eiweißbaustein muss allerdings erst in das Glückshormon Serotonin verwandelt werden – und das braucht Zeit. Deshalb dienen kohlenhydratreiche Trostpflaster vor allem zur Bewältigung lang andauernder negativer Gefühlszustände. Die sofort spürbare Wirkung dürfte auf sensorische, affektiv wirksame Geruchs- und Geschmacksreize zurückzuführen sein. Doch nicht jeder Esser reagiert gleich: Ein Experiment beweist, dass die Stimmungsregulierung mit Messer und Gabel höchst unterschiedlich ausfällt. Während emotional stabile Menschen gar keinen Glücksrausch durch süße Snacks empfinden, vertreiben Frustesser negative Gefühle erfolgreich durch wohlschmeckende Speisen – zumindest vorübergehend.

Die Seele bleibt hungrig
Kalorie für Kalorie füttert der Frust ungeliebte Pölsterchen: ein Teufelskreis beginnt. Und die Kompensation negativer Gefühle durch Essen lässt Abnehmversuche immer wieder scheitern. Der VEÖ empfiehlt daher, bei Diäten auch die emotionalen Aspekte des Essverhaltens zu berücksichtigen.

Allerdings sind es nicht nur negative Gefühle, die zu übermäßigen kulinarischen Freuden verleiten. Wer hat nicht schon mal beim Grillabend mehr gegessen, als der Hunger verlangt? Soziale, gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse finden Ausdruck in der Art und Weise wie wir essen – und uns überessen.

Abnehmen beginnt im Kopf, am besten mit kompetenter Beratung
Ernährungswissenschafter greifen die Problematik der Gewichtsreduktion in all ihren Facetten – einschließlich der emotionalen Komponente – auf. Dabei zeigen die Erfahrungen, dass von Freunden und Familienangehörigen flott formulierte Tipps wie „Iss einfach weniger und mache mehr Sport“ wenig hilfreich sind. Denn dahinter verbergen sich Schuldzuweisungen, die das bereits angeschlagene Selbstwertgefühl weiter schwächen und das oft negative Körperbild übergewichtiger Menschen noch verstärken. Schließlich häufen sich mittlerweile Depressionen, Angsterkrankungen, Ess- und Persönlichkeitsstörungen infolge psychischer Belastungen durch Übergewicht.

Eva Unterberger, VEÖ-Pressesprecherin: „Gewichtsprobleme erfordern motivierende und einfühlsame Interventionen, die auf die persönlichen Bedürfnisse übergewichtiger Menschen abgestimmt sind. Dafür braucht es neben Zeit und Geduld vor allem die entsprechende Qualifizierung der Beratenden.“

Mehr Unterstützung beim Abnehmen
Leider sieht der Beratungsalltag oft anders aus. Betroffene finden kaum qualifizierte Anlaufstellen und landen nicht selten bei Pseudoexperten. Dabei bieten sich Ernährungswissenschafter als seriöse Berater an. Sie sammeln ihr Wissen während eines 10-semestrigen Universitätsstudiums (6 Semester Bachelor + 4 Semester Master). Derzeit soll die Berufsgruppe ihr Know How allerdings nur in der Beratung gesunder Personen einsetzen. Dass dadurch viele Ratsuchende in Ernährungsfragen leer ausgehen, ist gesundheitspolitisch fatal. Denn Fettleibigkeit (ab einem BMI von 30 kg/m²) gilt beispielsweise als Krankheit. Der Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs setzt sich für eine Änderung dieser Regelung ein und hofft auf die Unterstützung relevanter Stakeholder. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizin und Ernährungswissenschaft könnte vielen Betroffenen neue kompetente Unterstützung eröffnen.

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