Männer wollen mehr, Frauen wollens besser!
Ernährungskommunikation unter Gender-Aspekten
„Geschlechterdifferentes Ernährungsverhalten hängt nicht vom geschlechtlichen Körper ab, sondern ist eine Ausdrucksform des jeweiligen Geschlechterverhältnisses“, so Dr. Jana Rückert-John von der Universität Hohenheim auf dem 12. aid-Forum „Männer wollen mehr, Frauen wollens besser!“, das am 6. Mai 2009 in Bonn stattfand.
„Ernährung und Geschlecht sind soziale Be-Deutungen, deren Konstruiertheit hinter der Fassade einer vorgeblich vorsozialen Natur versteckt wird“, so die Meinung der Soziologin.
Dr. Gunther Hirschfelder von der Uni Bonn gab einen Einblick in die Geschichte der geschlechtsspezifischen Ernährung. Er stellte fest, dass es aus allen Zeitstufen Beispiele gibt, die zeigen, dass Frauen nach heutigem Verständnis männliche Ernährungsweisen an den Tag legten, wenn es in das kulturelle Raster passte. So tranken die jungen Fabrikarbeiterinnen der frühen Industrialisierung etwa reichlich Alkohol, um ihrem neuen selbstständigen Status Ausdruck zu verleihen.
Welche Geschlechterstereotypen beim Thema Marketing und Ernährung vorherrschen, erläuterte Marketing-Beraterin Eva Kreienkamp von der FrischCo. GmbH in Berlin. „Männer kommen in der Produktansprache so gut wie gar nicht vor. Durch sich wandelnde Geschlechterrollen und gesellschaftliche Lebensmodelle ist der Ausschluss von Männern jedoch sowohl für Lebensmittelkonzerne als auch für Ernährungsberater(-innen) kontraproduktiv“, so die Expertin. Dr. Hans Prömper, Leiter des KEB-Bildungswerks Frankfurt zeigte Gender-Perspektiven in der Ernährungskommunikation mit Männern auf. Der Erziehungswissenschaftler und Theologe riet dazu, Sätzen wie „Alle Männer mögen fettes Fleisch“ zu misstrauen, da hier Geschlechterrollen konstruiert würden. „Versuchen Sie nach Möglichkeit, Individuen zu sehen und die geschlechtlichen Prägungen Ihrer eigenen „gegenderten Brillen“ zu überprüfen.“ Thomas Altgeld von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. betonte in seinem Vortrag „Gesunde Ernährung – Kein Thema für harte Jungs?“, dass ein rein risiko- und defizitorientierter Männlichkeits-Diskurs allein nicht sehr hilfreich sei, um Gesundheitsbedürfnisse und Präventionspotenziale von Jungen und Männern auszuloten.
Das Projekt „Gender- und Nachhaltigkeitsaspekte in der Schulverpflegung in Österreich“ stellten Dr. Bente Knoll (Knoll & Szalai oeg) und Rosemarie Zehetgruber (gutessen consulting) aus Wien vor. „Indem die Schulverpflegung bewusst oder unbewusst stereotypen Gendermustern folgt, werden hier die Unterschiede zwischen den Geschlechtern immer wieder neu produziert. Anzustreben ist ein Verpflegungsangebot, das für beide Geschlechter gute Voraussetzungen schafft, ihre Ernährungsbedürfnisse zu befriedigen und bestmögliche Gesundheit zu erlangen und zu erhalten“, erklärte Rosemarie Zehetgruber. Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe stellte in Ihrem Vortrag „Wie berufstätige Mütter den Essalltag ihrer Familie organisieren, fest: „Es bestätigt sich einmal mehr, dass das Handlungsfeld Beköstigung auch heute noch dazu dient, die eigene Geschlechtlichkeit sozial zum Ausdruck zu bringen, indem „Weiblichkeit“ bzw. „Männlichkeit“ aktiv inszeniert werden.“ „Zu einer erfolgreichen Ernährungskommunikation gehört auch eine geschlechtersensible Vorgehensweise, die möglichst befreit von allzu stereotypen Rollenbildern sein sollte“, so das Fazit von Dr. Margret Büning-Fesel, Geschäftsführender Vorstand des aid infodienst.
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