Bitterblocker identifiziert

Erster spezifischer Bitterblocker identifiziert, der bitteren
Beigeschmack von Süßstoffen mindert

In Zusammenarbeit mit der Firma Givaudan Flavors
Corporation und der University of New Mexico in Albuquerque hat ein
Wissenschaftlerteam des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung
(DIfE) erstmalig einen spezifischen Bitterblocker identifiziert und
charakterisiert, der unter anderem den bitteren Beigeschmack der
Süßstoffe Saccharin und Acesulfam K mindert. Der Bitterblocker
hemmt reversibel sechs von 18 untersuchten menschlichen
Bittergeschmackssensoren und könnte künftig zur Geschmacksverbesserung
von Getränken oder Medikamenten eingesetzt werden.

Das Wissenschaftlerteam um Jay P. Slack von Givaudan Flavors
Corporation und Wolfgang Meyerhof vom DIfE publizierte seine Daten nun
in der Fachzeitschrift Current Biology (Slack et al. 2010; DOI:
10.1016/j.cub.2010.04.043).

Mit Hilfe eines besonderen Zellkulturverfahrens untersuchten die
Forscher tausende Substanzen auf ihre Fähigkeit, menschliche
Bittergeschmackssensoren zu blockieren – eine Vielzahl dieser Stoffe
kam in die engere Wahl.

Eine der identifizierten Substanzen, von den Forschern kurz GIV3727*
genannt, hemmte im Zellkulturtest sechs der 18 getesteten menschlichen
Bitterrezeptoren. Zu diesen gehören auch die Sensoren hTAS2R31 und
hTAS2R43. Beide Sensortypen sind eng miteinander verwandt und werden
durch die Süßstoffe Saccharin und Acesulfam K aktiviert**.

Aber nicht nur im Zellkulturtest, sondern auch im Sensoriktest mit
Probanden war GIV3727 wirksam und verminderte den bitteren Beigeschmack
der beiden Süßstoffe, ohne deren Süßgeschmack zu verändern.

„Wir haben nicht nur den ersten spezifischen Bitterblocker
identifiziert, sondern sind auch in der Erforschung der molekularen
Mechanismen der Geschmackswahrnehmung wieder einen guten Schritt
vorangekommen“, sagt Wolfgang Meyerhof, Leiter der Abteilung
Molekulare Genetik am DIfE.

Bitterblocker wie GIV3727 könnten dabei helfen, den Einfluss von
Bitterstoffen auf den menschlichen Körper näher zu untersuchen. Einige
Studien weisen darauf hin, dass Bitterrezeptoren auch außerhalb des
Geschmackssystems eine Rolle spielen und im Atmungs- sowie
Magen-Darmtrakt zu finden sind. Ob sie dort für die Wahrnehmung von
Giftstoffen aus der Luft verantwortlich sind beziehungsweise in die
Regulation des Zuckerstoffwechsels involviert sind, ist Gegenstand
derzeitiger Untersuchungen.

„Nicht zuletzt könnten unsere Ergebnisse dazu genutzt werden, das
Geschmacksprofil von Fertigprodukten, Getränken und Medikamenten zu
verbessern. Letzteres könnte eine orale Einnahme von Schmerzmitteln oder
Antibiotika bei Kleinkindern vereinfachen oder gar erst ermöglichen“,
erklärt Jay Slack, hauptverantwortlicher Wissenschaftler der Abteilung
Molekulare Biotechnologie bei Givaudan Flavors Corporation.

Hintergrundinformation:
*GIV3727 = 4-(2,2,3-trimethylcyclopentyl)-Buttersäure
**Das Team um Wolfgang Meyerhof veröffentlichte bereits im Jahr 2004 in
der Fachzeitschrift The Journal of Neuroscience, dass sowohl Saccharin
als auch Acesulfam K die beiden Bittersensoren hTAS2R31 und hTAS2R43
aktivieren und für den unangenehmen bitteren Beigeschmack der Süßstoffe
verantwortlich sind (Kuhn et al.; DOI:10.1523/JNEUROSCI.1225-04.2004).

Die Bittergeschmackswahrnehmung ist angeboren und bereits Babys können
Bitterstoffe wahrnehmen. Gibt man einem Kleinkind etwas Bitteres, so
versucht es, das Bittere so schnell wie möglich wieder auszuspucken.
Dies macht die orale Gabe bitterer Medikamente in diesem Alter besonders
problematisch. Obwohl nicht generell ein Zusammenhang zwischen
Bitterkeit und Giftigkeit besteht, gehen Wissenschaftler im Allgemeinen
davon aus, dass der Sinn für Bitteres uns vor dem Verzehr giftiger
Nahrung bewahren soll.

Wolfgang Meyerhof leitet am DIfE eine der führenden Arbeitsgruppen, die
sich mit Geschmacksforschung in Deutschland beschäftigen. Der Gruppe ist
es gelungen, alle 25 menschlichen Bitterrezeptor-Gene zu identifizieren.
Bitterrezeptoren findet man auf der Zunge, aber auch im Bereich des
Gaumens, des Rachens und des Kehlkopfs. Bereits 2005 und 2006 hatten
Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Meyerhof gezeigt, dass die Wahrnehmung
des Bittergeschmacks eine wichtige Rolle während der menschlichen
Evolution spielte. Im Jahr 2007 zeigte die Gruppe um Meyerhof, dass
Geschmackszellen über unterschiedliche Bitterrezeptoren-Sets verfügen.
Damit wären zumindest auf molekularer und zellulärerer Ebene die
Voraussetzungen erfüllt, zwischen verschiedenen Bitterstoffen zu
differenzieren.

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