Bernhard Steinmann im Restaurant Ophelia

Freudigen Herzens verlassen wir Berlin in Richtung Bodensee.

Seit Wochen blockieren in Berlin die Mitglieder der sogenannten Letzten Generation den Berufsverkehr und demonstrieren damit für, wenn ich das richtig verstanden habe, wohl besseres Wetter und preiswerte Bahntickets. Die Aktionen sollen nun geändert werden und sich gegen „Reiche“ richten.Tja, am Ende des Tages wird das Gute ohne zu überraschen als Sozialismus demaskiert.

Jedenfalls haben wir es ungehindert aus Berlin geschafft und nach einer Menge Fahrtzeit und drei Ladepausen unser Ziel am Bodensee erreicht, nämlich Konstanz, eine schöne Stadt am noch schöneren Bodensee. 

Allerdings lässt uns das aktuelle Thema Klima auch hier nicht aus seinen Klauen. Am 2. Mai 2019 hat der Rat der Stadt Konstanz den Klimanotstand ausgerufen, um alle Kräfte aus Politik und Bevölkerung zu bündeln und um gemeinsam sofortige und entschlossene Anstrengungen zum Klimaschutz zu leisten.  Irgendwie scheint es funktioniert zu haben mit dem Stopp der Erderwärmung, denn es ist recht frisch am See und außerdem regnet es seit Tagen. 

Den Kampf der Konstanzer für die gute Sache belohnen wir mit dem Betrag von 26,28 € Tourismus- und Klimaschutzabgabe für zwei Tage, was  5,6 vom Hundert des Bruttoübernachtungspreises entspricht.

Unsere Wahl fiel aus guten Gründen auf das Hotel Riva, auf das ich in einem weiteren Beitrag noch einmal eingehen werde. Zum Riva gehört schließlich das Restaurant „Ophelia“, der eigentliche Sehnsuchtsort unserer Reise.

Wie das Hotel ist auch das Restaurant mit hochwertigen Materialien ausgestattet. Dennoch herrscht hier kein steifer Luxus sondern stilvolle Eleganz. Die der Übergangszeit der Generation Y zur Generation Z angehörigen Gäste sei ein vorsichtiger Hinweis auf den Weg gegeben: Nicht erschrecken, die Tische sind mit Tischdecken bedeckt.  

Chef de Cuisine ist Dirk Hoberg, der ein engagiertes und handwerklich hervorragendes Team zusammengestellt hat, für das ich stellvertretend den Sous Chef Fabian Obergfell hervorheben möchte.

Dirk Hoberg, geboren in Osnabrück, hat bevor er 2008 im Ophelia als Küchenchef angetreten ist, schon einige Stationen hinter sich gebracht.  Z.B. war er im Restaurant La Vie in Osnabrück, allerdings in der Zeit vor Thomas Bühner. Warum der Gault&Millau Deutschland Bühner als Mentor Hobergs bezeichnet hat, bedarf noch einer Klärung. 

Außerdem war er im Tristan auf Mallorca, bei Hans Stefan Steinheuer in der Alten Post in Bad Neuenahr und bei Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube der Traube Tonbach. 

Noch mehr über Dirk Hoberg haben Sie bestimmt dem bereits von mir geführten und veröffentlichten Interview entnommen. 

Der Empfang im Restaurant war, wie erwartet, freundlich und professionell. Man fühlte sich sofort wohl, wozu auch die besonders bequemen Sessel ihren Teil beitrugen. Außerdem kann man in der offenen Küche der Crew bei der Arbeit zusehen. Man bekommt die Abläufe aus wenigen Metern Entfernung hautnah mit und ab und an beteiligt sich der Küchenchef und die Crew am Service.

Das angebotene Menü besteht aus bis zu sieben Gängen, welche wir auf fünf gekürzt hatten. Der Apéritif wurde serviert und die kulinarische Reise konnte beginnen.

Tacco, Lachs

Rindertatar, Trüffel

Röstbrot Avocado, Ei

Rettich, Kaviar (alle o. Abb.)

Für viele Gäste sind die Amuse-Bouches so eine Art Warm-up. Man ist noch nicht so richtig angekommen und mit dem Apéritif beschäftigt.

Für mich bedeuten die kulinarischen Kleinigkeiten einen ersten Blick auf Kreativität und Handwerk der Küchencrew und sind damit fester Bestandteil kritischer Betrachtung.

Die Amuse-Bouches im Ophelia kann ich in der genannten Reihenfolge wie folgt kurz beschreiben: Sehr geschmackvoll, kräftig, beeindruckend harmonisch und insgesamt ausgewogen.

Maultasche mit gerauchtem Bodenseeaal und einem Sud von Fischkarkassen,  Perigodtrüffel

Ein feines Gericht unter struppigem Grün. Kräftig, rauchig, aromatisch.

Die „Schwäbischen Maultaschen“ sind seit 2009 von der EU in ihrer Herkunftsbezeichnung geschützt. Bin ich in Schwaben? Nein, Konstanz liegt in Baden. 

Allerdings ist die Sache sehr kompliziert. Außerhalb Baden-Württembergs werden dieselben gerne mal mit Schwaben gleichgesetzt. Dabei sind nicht einmal alle Württemberger Schwaben. Und nicht alle Schwaben sind Baden-Württemberger. Das Bundesland wurde 1952 aus den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern gegründet. 

Das nur am Rande.

Terrine und Eis von Gänseleber, Wurzelgemüse und Pilze

Ein wirklich tolles Gericht. Besonders beeindruckend ist die Decke mit Trüffelaspik. In der Mitte überzeugt eine Schicht Wurzelgemüse. Natürlich darf auch ein Stückchen Brioche nicht fehlen. 

Am Ende ergibt dies ein ausgewogenes, mit geschmacklicher Tiefe beeindruckendes Gericht.

Kabeljau gebeizt und sanft gegart, Spinat, Kabeljausandwich, Paprika und Salzzitrone

Kabeljau ist ein sehr beliebter Speisefisch. Sein Fleisch ist samtweiß und fest, wunderbar geeignet zum dämpfen und pochieren oder dünsten, braten und grillen. Mit der Gabel lässt es sich meist leicht in zarte Lamellen abblättern. 

Hoberg beizt den Fisch und gart ihn sanft. Das Ergebnis ist großartig, gelungen die Koalition mit Spinat und Paprika. Noch immer in Erinnerung habe ich die köstliche Salzzitronensauce, die von mir zunächst etwas skeptisch erwartet wurde. Eine äußerst gelungene Kreation.

Gebratene Jakobsmuschel, Erbsen, fermentierter deutscher Spargel, Liebstöckl und Château-Chalon Sauce

Was soll man dazu sagen? Tadellos.

Zitronensorbet und Zitronengranitee (o.Abb.)

als erfrischende Überleitung.

Salzwiesenlamm, grüne und weiße Bohnen, Polenta und fermentierter Knoblauch

Schon häufig habe ich darüber geklagt, dass der Fleischgang in einem Menü, häufig als Hauptgericht angepriesen, sich allmählich zu meinem Angstgegner entwickelt. Der Grund dafür sind überladene Teller und gegenüber den Fischgerichten weniger kreativ ausgestaltete Speisen.

Im Ophelia bekomme ich meine Hoffnung zurück, dass Fleischgerichte wieder Spaß machen können. Wie man sieht sind hier Beilagen noch Beilagen und nicht dazu angetan das Hauptprodukt zu übertreffen. Im Gegenteil, sie ergänzen und unterstreichen.

Schließlich spricht das Fleisch des Salzwiesenlamms schon für sich. Macht doch die Ernährung der Tiere das Fleisch so besonders. Gräser und Kräuter sorgen für einen überaus würzigen Geschmack. Ein gutes Produkt spricht immer für sich.

Knusperwaffel mit Limetteneis, Ananas, Mango (o.Abb.)

An dieser Stelle erfahren die Gäste, dass Dirk Hoberg einst einen Urlaub in Thailand verbracht hat. Die eigentliche Tatsache, die diesen Umstand erwähnenswert macht liegt darin, dass er dort ein kleines Waffeleisen entdeckt hat und dieses unbedingt erwerben wollte. 

Der Mehrwert dieser kleinen Transaktion steht als hervorragendes Pre-Dessert vor uns.

Erdbeere, Mandel, Yuzu und Sabayone

Mit einem Paukenschlag schließt die Pâtisserie das Menü ab. Dreigeteilt und geschmacklich überaus gelungen, endet ein herausragendes Menü.

Mit den obligatorischen Süßigkeiten am Ende des Menüs wird die Sättigungsgrenze ausgetestet.

Schaumkuss von Zitrone und Fichtensprossen

Nuss-Nougat-Löffel

Salzkaramellpraline

Pistazien-Himbeer-Tartelette

Wein und Service:

Wie üblich haben wir uns beim Wein für ein Produkt aus der Region entschieden. 

Ein 2020er Chardonnay Van Hauen, vom Weingut Aufricht, Bodensee

begleitete uns durch das Menü.

Von den Weinkenntnissen von Maître & Sommelier Jerom Nicke konnten wir uns bei den Beratungen an den Nachbartischen überzeugen. Der Service insgesamt war freundlich, kundig und immer zur Stelle, wenn etwas benötigt wurde. Außerdem nahmen auch Teile der kleinen Küchencrew am Service teil, was bei den Gästen offensichtlich Gefallen fand.

FAZIT:

Ein einladendes elegantes Ambiente und eine offene Küche vermitteln eine entspannte Atmosphäre so ganz ohne Gourmetattitüden. Küche und Service füllen das Wort Teamwork mit neuem Leben. Alles geht Hand in Hand.

Hobergs Küche hat natürlich klassische Wurzeln, doch warum sollte man nach einer Schublade suchen um dem Stil einen Namen zu geben. Seine zeitgemäße Kreativität lässt sich kaum einengen. 

Das Menü ist durchgehend hohen Erwartungen gewachsen. Temperatur, Aromen und Textur sind ausgewogen. Die Kombinationen funktionieren. Die Küche ist zum Einen bodenständig und zum Anderen weltoffen. Kein Widerspruch. Hinzu kommt handwerkliche Präzision und viel Sinn für eine elegante Optik ohne ausufernde Tellermalerei für die Instagramgemeinde.

In dem Interview, das ich kürzlich mit ihm führen durfte sagte Dirk Hoberg: „Man darf nicht stehen bleiben und sich ausruhen.“ Wenn das so ist, klopfen er und das Restaurant Ophelia bald ganz oben an.

Das ist der Weg.

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