Bernhard Steinmann interviewt Kevin Fehling

Der mehrfach ausgezeichnete Koch und Chef des mit drei Michelin-Sternen gekrönten Restaurants The Table in Hamburg, Kevin Fehling, bereicherte die diesjährigen Chefdays in der Arena Berlin. Gewohnt leise aber ungewohnt nachdenklich und ernsthaft zeigte er sich im Interview mit Jürgen Pichler, CEO & Founder bei ROLLING PIN.  

Am Abend schaffte es Kevin Fehling auf Platz 1 der 50 Best Chefs in Deutschland. Ein toller Erfolg für den sympathischen und bescheidenen Küchenchef. Noch vor der Bekanntgabe der 50 besten Chefs gewährte Kevin Fehling „Gourmet unterwegs“ das nachfolgende Interview:

Kevin Fehling mit seinen CHROMA Haiku Kurouchi Kochmesser

Bernhard Steinmann (B.St.): Lieber Herr Fehling, ein Dreisternekoch wie Sie ist natürlich ein Aushängeschild für die Chefdays. Was gefällt Ihnen so gut an diesem Format, an dieser zweitägigen Veranstaltung?

Kevin Fehling (K.F.): Zunächst ist es mal sehr schön, dass wir Kollegen uns bei einer solchen Veranstaltung treffen und austauschen können. Es gibt ja kaum Berufsfelder bei denen das so möglich ist.

Wir haben viele Veranstaltungen, bei denen man sich immer wieder trifft, sich versteht und es keinen Neid gegenüber den Kollegen gibt. Zumindest nicht von meiner Seite. Ich sehe das alles immer sehr sportlich.

Es geht darum, gemeinsam eine schöne Zeit zu haben und unsere Gäste glücklich zu machen. Der Austausch darüber, wie alles am besten gelingt und wie wir mit der Zeit gehen – das ist die größte Herausforderung für uns Köche.

B.St.: Wir haben, meiner Meinung nach, eine sehr breite Spitze in der Sternegastronomie. Alle liegen sehr eng beieinander.

K.F.: Ja, das hat sich so entwickelt.

Früher war das glasklar. Harald Wohlfahrt war der Beste in Deutschland. Dann kam Herr Wissler. Es gab nicht so viele unterschiedliche Stilistiken.

Wenn man heute in ein Dreisternerestaurant gehen möchte, hat man eine wunderbare Auswahl. Vielleicht geht man zu Jan Hartwig und genießt dessen eigene Stilistik. Weltoffene Küche gibt es beispielsweise bei mir und bei Carsten Rambichler bekommt man traditionelle Nouvelle Cuisine wie sie im Bilderbuch steht. Das ist doch das Schöne. Alles hat seine Berechtigung, alles begeistert. Ich finde das toll.

B.St.: Oft werde ich gefragt, welches ist das beste Restaurant Deutschlands. Ich würde diese Frage wahrscheinlich jeden Tag anders beantworten. Wir haben einfach tolle Restaurants.  Hinzu kommt, nicht nur aber auch gerade in Berlin, ein Trend zu stark regionalisierter Küche. Wie finden Sie diese eher selbstbeschränkende Richtung?

K.F.: Das hat auch alles seine Berechtigung. Vom kreativen Prozess aus betrachtet, ist es nicht meine Stilistik. Wir sind sehr weltoffen geprägt. Ich habe mich sehr von meiner Seefahrerei inspirieren lassen. Wenn ich Lust auf indische Aromen habe, dann arbeite ich an einer Tandooripaste bis sie perfekt geraten ist. Das heißt aber nicht, dass ich nur Geflügel aus Indien verwende sondern, weil es einfach besser ist, eventuell auch aus Frankreich.

Wenn ich einen Kabeljau oder einen Dorsch zur besten Zeit direkt aus der Nord- oder Ostsee bekomme, dann setze ich den gerne auf die Karte. Wenn es aber einen Lachs gibt, der besser als ein Nord- oder Ostseefisch ist, dann nehme ich ihn auch gerne aus dem Ausland.

Bei uns geht es natürlich nicht um die großen Mengen. Wichtig ist, dass wir nachhaltig arbeiten aber nicht zwingend regional. Das beides muss eben kein Widerspruch sein.

B.St.: Sie hatten mit Ihrem Hamburger Restaurant einen grandiosen Start. Mit dem Konzept des einen Tisches sind Sie auf Monate ausgebucht. Sind diese, etwa 20 Plätze, nicht ein bisschen zu wenig?

K.F.: Nein, zu klein ist das Restaurant nicht. Vielleicht macht es das ja gerade aus. Natürlich wecken wir Begehrlichkeiten.

Andere Top Restaurants in Deutschland haben eventuell 10-15 Plätze mehr, aber das Restaurant ist unter der Woche nicht immer ausgebucht. Die Anzahl der Plätze ist für uns nicht entscheidend, sondern das was wir tun. Das beinhaltet vor allem unsere weltoffene Kreativküche. Der nächste Schritt ist es, dem Gast die Hemmschwelle vor dem Besuch eines Spitzenrestaurants zu nehmen. Bei uns läuft alles sehr natürlich und unkompliziert und nicht steif. Uns ist der Umgang mit dem Gast und der Dialog am Tisch sehr wichtig.

B.St.: Sie haben heute auf den Chefdays im Gespräch mit Jürgen Pichler sehr nachdenklich und emotional geklungen. Auf mich wirkte es sehr spontan, eher unvorbereitet.

K.F.: Die emotionalen Themen entwickeln sich bei mir sehr spontan. Das ist mein Naturell.

Zum Beispiel bei der Frage: „Warum hast du in der Spitzengastronomie angefangen so Gas zu geben, wie man in der Küche sagen würde?“ oder auch bei der Frage, wann mir der Gedanke kam Karriere zu machen. Dann erzähle ich von erlebten Momenten, die mich geprägt haben. Es war nicht so, dass ich die Küche so toll fand und gerne mit Hummer oder Jakobsmuscheln gearbeitet hätte. Es waren immer emotionale Erlebnisse, die mich geprägt und zu meinen Entscheidungen geführt haben.

Tatsächlich ist es so, dass ich mir über die Endlichkeit meines Erachtens stärker bewusst bin als andere Menschen. Ein Dreisternekoch muss sehr viel Zeit opfern, sich vorbereiten, neue Sachen kreieren. Aber ich verbringe meine Zeit nicht ausschließlich in der Küche. Ich habe mich mit 11 oder 12 Jahren schon stark für die Astronomie interessiert und den Star Observer abonniert und sehr viel gelesen.

Der Umgang mit der Endlichkeit, mit dem Tod, ist in dieser Gesellschaft ein Tabuthema. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit Grenzwissenschaften, mit Astronomie, mit Religion oder mit Nahtoderlebnissen. Zu diesen Themen habe ich schon viele Bücher gelesen. Da entwickelt man eine eigene Lebensphilosophie und kann eine Komponente finden die schließlich bis in die Küche führt. Natürlich wollte ich mir auch beweisen, dass ich es zu etwas bringen kann. Daher habe ich mir das Ziel gesetzt einen Michelinstern zu erkochen.

B.St.: Ich habe Sie in Ihren Restaurants immer mit einer Leichtigkeit und Unbekümmertheit erlebt, die auch auf Ihren Tellern sichtbar wurde. Bei den kurzen Berührungen zwischen Küchenchef und Gast ist kein Raum, die Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit des Gegenübers zu ergründen.

K.F.: Bei einem Restaurant wie dem Table kommt es natürlich auch einmal vor, dass man sich im Gespräch mit dem Gast positiv verwickelt und es auch einmal um Emotionen geht.

Ich bin im Beruf wirklich eine Maschine. Alles was mit Kochen zu tun hat, der kreative Prozess, die Umsetzung, meine damalige Aufopferungen immer wieder in anderen Restaurants zu arbeiten mit dem Ziel vor Augen, selbst einmal Sternekoch zur werden, das schmerzt mich nicht. Da gehe ich einfach so durch.

Aber vor kurzer Zeit war meine 3jährige Tochter sehr krank. In den ersten sechs oder sieben Tagen konnten wir eine bösartige Erkrankung nicht ausschließen, da wirft man dann alles hin. Da merkt man, der Beruf ist nicht der Inbegriff des Seins. Der Inbegriff meines Seins ist meine Familie, sind meine Kinder. In einer solchen Krise wird alles andere unbedeutend.

B.St.: Zum Glück ist diese Krise nun überwunden.

K.F.: Ja, meine Tochter ist wieder gesund.

B.St.: Vielen Dank lieber Herr Fehling, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben.

Vor allem vielen Dank dafür, dass wir auch etwas über den Koch hinaus auf den Menschen Kevin Fehling blicken konnten.

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