Essstörungen haben viele Facetten

Wenn von Essstörungen die Rede ist, haben vermutlich viele das Foto des abgemagerten Models vor Augen, mit dem eine italienische Modemarke kürzlich für Aufsehen sorgte. Tatsächlich sind aber unspezifische Essstörungen viel häufiger als die klassische Magersucht oder die ebenfalls allgemein bekannte Bulimie (Ess-Brech-Sucht).

Nun hat eine Forscherin der University of Iowa vorgeschlagen, eine bislang noch nicht offiziell benannte Essstörung als neues Krankheitsbild von der Bulimie abzugrenzen. Wie sie in der Fachzeitschrift “Archives of General Psychiatry” berichtet, essen Frauen mit einer “purging disorder” normal große Portionen und haben anschließend das Bedürfnis sich von der aufgenommenen Nahrung wieder zu “säubern” (engl.: to purge). Dazu dient entweder das bewusste Erbrechen oder auch andere Kalorien reduzierende Maßnahmen – wie übertriebener Sport, Abführmittel oder Fasten.

Im Unterschied zur Bulimie gibt es keine Heißhungerattacken mit übergroßen Essensmengen.
Die bislang gültige Klassifikation von Essstörungen unterscheidet:
Magersucht, Bulimie, Fressattacken ohne Erbrechen (Binge eating disorder) und die nicht spezifischen Essstörungen. Theoretisch wäre es denkbar, die “purging disorder” hier einzuordnen. Dr. Hans-Christoph Friederich von der Psychosomatischen Universitätsklinik Heidelberg weist aber daraufhin, dass Essstörungen häufig im Verlauf einer Erkrankung zwischen den einzelnen Formen springen: “Wir sprechen heute von transdiagnostischen Modellen.” Wer zum Beispiel an Magersucht erkrankt ist, kann durchaus auch Bulimie entwickeln. Wissenschaftler werden sich laut Friederich künftig mehr an spezifischen Symptomenkomplexen orientieren als einer bestimmten Form der Essstörung.

Die Ernährungspsychologin Jocelyne Reich-Soufflet vom Frankfurter Zentrum für Essstörungen gibt außerdem zu bedenken, dass heute immer öfter bereits frühe Formen gestörten Essverhaltens bemerkt werden. Die “purging disorder” lässt sich beiden Experten zufolge hier als unspezifische Essstörung ein- beziehungsweise unterordnen. Die Abgrenzung zum normalen Essverhalten ist je nach Symptom oft schwierig. Deshalb muss der behandelnde Arzt individuell entscheiden, ob ein Patient krank ist oder nicht.
( Dr. Stefanie Schmid-Altringer )

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