Lösliche Ballaststoffe machen dick

Lösliche Ballaststoffe machen Mäuse dick

Wie Wissenschaftler des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung (DIfE) in einer Langzeitstudie an Mäusen zeigen,
führen zusätzlich zu einer fettreichen Diät verzehrte, lösliche
Ballaststoffe zu einer Zunahme des Körperfetts, zu Übergewicht und zu
einer Insulinresistenz – die Vorstufe der Zuckerkrankheit. Dagegen wirkt
eine zusätzliche Aufnahme unlöslicher Ballaststoffe dieser ungünstigen
Entwicklung entgegen. Die neuen Daten tragen dazu bei, noch unbekannte
Mechanismen aufzuklären, die der Langzeitwirkung von Ballaststoffen
zugrunde liegen. Zudem liefern sie wichtige Informationen für die
Entwicklung funktioneller Lebensmittel.

Die Forschergruppe publizierte ihre Ergebnisse kürzlich in der
Fachzeitschrift Journal of Nutritional Biochemistry (Isken et al., 2009,
doi:10.1016/j.jnutbio.2008.12.012).

Übergewicht und Alterszucker stellen in unserer heutigen Gesellschaft
ein zunehmendes Gesundheitsproblem dar. Daher arbeiten DIfE-Forscher
unter anderem daran, wissenschaftliche Grundlagen für funktionelle
Lebensmittel zu entwickeln, die Menschen dabei helfen können
normalgewichtig und damit gesünder zu bleiben.

Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass
ein hoher Ballaststoffverzehr Übergewicht und Alterszucker
entgegenwirken könnte. Dies brachte die Studienleiter Frank Isken und
Martin O. Weickert auf die Idee, die langfristigen Stoffwechseleffekte
und Wirkmechanismen von Ballaststoffen am Tiermodell genauer zu
untersuchen. „Der Vorteil des Tiermodells ist, dass sich hier die
Versuchsbedingungen besser kontrollieren lassen als in Humanstudien“,
sagt Isken. Bei ihren Versuchen differenzierten die Forscher zwischen
löslichen und unlöslichen Ballaststoffen, da diesen beiden Gruppen
unterschiedliche Eigenschaften zugesprochen werden.

Die Forscher fütterten zu Übergewicht neigende Mäuse mit einer
fettreichen Diät (Western-Style-Diät). Zusätzlich erhielten die Mäuse
entweder lösliche oder unlösliche Ballaststoffe. Über einen Zeitraum von
45 Wochen maßen die Forscher in regelmäßigen Abständen die
Gewichtszunahme sowie die Körperfettverteilung der Tiere.

Am Ende wogen die mit den löslichen Ballaststoffen gefütterten Tiere
8,2 Gramm mehr als ihre Artgenossen. „Würde man diese Gewichtszunahme in
Relation zu einer 60 Kilogramm schweren Person setzen, so hätte diese am
Ende stattliche 16 Kilogramm mehr auf die Waage gebracht“, erklärt
Weickert.

Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler auch den Zucker- und
Insulinstoffwechsel der Mäuse und analysierten verschiedene molekulare
Faktoren. Die Insulinempfindlichkeit der mit den löslichen
Ballaststoffen gefütterten Mäuse nahm mit steigendem Körpergewicht ab
ein Anzeichen für eine entstehende Zuckererkrankung. Zudem stieg durch
die bakterielle Umwandlung der löslichen Ballaststoffe die Konzentration
der kurzkettigen Fettsäuren im Darm stark an. „Obwohl diesen Fettsäuren
in der Regel günstige Eigenschaften zugeschrieben werden, tragen sie
aber auch deutlich zur Gesamtenergiezufuhr bei, was die beobachtete
Körperfettzunahme erklären könnte“, erläutert Weickert. Zudem sei
bekannt, dass kurzkettige Fettsäuren auch am Fettaufbau beteiligt sind.
Ein Effekt, den die Forscher auch in der aktuellen Studie beobachten
konnten.

Die mit den unlöslichen Ballaststoffen gefütterten Tiere waren dagegen
insulinempfindlicher und wiesen eine geringere Leberverfettung auf.
Ebenso produzierten diese Tiere geringere Mengen der molekularen
Faktoren, die den Fettaufbau fördern.

„Besonders die von uns beobachtete Körperfettzunahme und die
Insulinunempfindlichkeit könnten die aus anderen Studien bekannten,
positiven Effekte einer Kurzzeiteinnahme löslicher Ballaststoffe wieder
aufheben“, sagt Weickert. „Die Langzeiteinnahme unlöslicher, nicht
fermentierbarer Getreideballaststoffe könnte sich dagegen günstig auf
das Körpergewicht und das Diabetesrisiko auswirken“.
Langzeit-Stoffwechselstudien am Menschen seien nun dringend notwendig,
um diese ersten Ergebnisse zu untermauern, sagt Andreas F. H. Pfeiffer,
Leiter der DIfE-Abteilung Klinische Ernährung. Sollten sich die
Ergebnisse bestätigen, könne man dieses Wissen einsetzen, um
funktionelle Lebensmittel zu entwickeln.

Hintergrundinformation:

Der Oberbegriff Ballaststoffe umfasst eine relativ große Gruppe
verschiedener Substanzen, die sich sowohl in lösliche als auch
unlösliche Ballaststoffe aufteilen lässt.

Zu den löslichen Ballaststoffen gehören beispielsweise Pektine.
Lösliche Ballaststoffe bilden einen viskösen Schleim, der sowohl die
Magenentleerung als auch die Aufnahme von Zuckern verlangsamen kann.
Zudem kann er Fette binden und dadurch den Fettstoffwechsel positiv
beeinflussen. Darmbakterien wandeln die für Menschen unverdaulichen
Ballaststoffe in kurzkettige Fettsäuren um. Diese Fettsäuren tragen
vermutlich dazu bei, das Darmkrebsrisiko zu senken, dienen aber auch als
Nahrungsgrundlage für Darmbakterien, vor allem Milchsäurebakterien.

Zu den unlöslichen Ballaststoffen zählen vor allem pflanzliche Gerüst-
und Stützsubstanzen. Sie gelangen als Partikel in den Dickdarm, wo sie
zum Teil von Bakterien fermentiert werden. Zum Teil verlassen sie den
Körper aber auch unverdaut. Sie binden im Dickdarm Wasser, wodurch
der Speisebrei quillt und weicher wird. Die Darmbewegung wird hierdurch
gefördert und die Transitzeit des Stuhls verkürzt.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen
ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention,
Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln.
Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas, Diabetes und Krebs.
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 86 Forschungsinstitute und
Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte
Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-,
Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und
Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften.
Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an
Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder
fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die
Leibniz-Institute beschäftigen etwa 14.200 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, davon sind ca. 6.500 Wissenschaftler, davon wiederum 2.500
Nachwuchswissenschaftler.

Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de

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