Bernhard Steinmann bei Anne-Sophie Pic, Lausanne

Man kann es kaum glauben, aber Anne-Sophie Pic hatte keine Lust, das Kochen zu erlernen. Gerne hätte ihr Vater sie auf eine Hotelfachschule geschickt, doch sie wollte lieber Management studieren und entschwand nach Tokio und New York.

1991 kam die Wende und ASP begann eine Kochlehre bei ihrem Bruder Alain. Nach dem Tode des Vaters führte Alain Pic das Maison Pic in Valence weiter, bald verlor das Restaurant den dritten Stern.1998 verließ Alain das Maison Pic und Anne-Sophie führte das Restaurant alleine fort.  

2007 wurde das Restaurant erneut mit drei Michelinsternen ausgezeichnet, nach Großvater und Vater kam nun der dritten Generation diese Ehre zuteil. Soviel zu Valence.

Anne-Sophie Pic eröffnete 2009 ein neues Restaurant in Lausanne. Das am Ufer des Genfer Sees inmitten herrlicher Natur gelegene Beau-Rivage Palace bildete den geeigneten Rahmen. Erst kürzlich hat Paolo Boscaro die Aufgabe von Kevin Gatin übernommen, die produktorientierten Kreationen Pics aufs Beste umzusetzen. 

Der junge Küchenchef war bereits für renommierte Häuser tätig – Lasserre, la Grande Cascade, le Carré des Feuillants, le Grand Veyfour, Le Meurice – und wurde dann stellvertretender Küchenchef von Kei Koyabashi. Für das Restaurant L’escargot in Puteaux bei Paris erhielt er einen Stern.

Derzeit hält das Restaurant zwei Michelinsterne.

Das Restaurant wurde vom englischen Innenarchitekten Stewart Wilsdon bevorzugt in natürlichen Farben, in Beige- und Weiß-Tönen gestaltet. Große Fensteröffnungen bieten eine atemberaubende Aussicht auf den Genfer See und die französischen Alpen.

Es werden zwei Menüs angeboten und wir entscheiden uns für die „Pic Collection“ mit den familiären Klassikern.

© Bernhard Steinmann

Die Küche grüßt mit Erbse, Minze und Mozzarella.

Tomate, mariniert mit Rhabarber, Tomatenbrühe mit Salbei und Rhabarber, Eis

Schon häufig wurde ich mit der Frage konfrontiert, ob Tomaten als Früchte definiert werden oder doch eher Gemüse sind. Es schadet also nicht, von Zeit zu Zeit auf solche Fragen einzugehen. Kurz gesagt: Obst wird als Früchte mehrjähriger Pflanzen definiert. Da Tomaten jedoch krautige, einjährige Pflanzen sind, gehören sie zum Gemüse.

Boscaro präsentiert den Klassiker mit sehr präzisen Aromen. Viel besser kann man so etwas nicht machen.

Krebse vom Genfer See,

langsam in Schalentierbutter geröstet, Möhren, Tannenknospen. Rosat-Geranie und Bourbon Pointu de la Réunion

Der seit einigen Jahrzehnten von der Insel La Réunion verschwundene Spitzenkaffee Bourbon Pointu erlebt gegenwärtig dank des Engagements von gut einhundert familiengeführten Herstellerunternehmen sein “Comeback”. Er wurde 1771 auf der damals genannten Bourbon-Insel Insel La Réunion entdeckt. Das edle Getränk wurde am Hof von Louis XV hoch geschätzt.

Der Bourbon Pointu ist eine Kaffeesorte, die aus einer Mutierung des arabischen Kaffeestrauchs gewonnen wurde, den Monsieur d’Hardancourt – ein Sekretär der Indienkompanie, der auf La Réunion tätig war – bereits 1711 erwähnte.

Der erhoffte Effekt mit der seltenen Kaffeeinfusion verflüchtigt sich allerdings in Milde und Ausgewogenheit. So bleibt genügend Spielraum für die Krebse, Möhren und Tannenknospen. 

Geangelter Seebarsch mit Ossietra Kaviar,

nach einem Rezept von Jacques Pic, kreiert in 1971

Der Pic-Klassiker. All die Aromen, der volle Geschmack, die Komplexität dieses traumhaften Gerichts kann leider von einem Foto nicht eingefangen werden. Es bleibt ein flüchtiger Blick auf Kaviar in einem Sud. Ein geniales Versteck für ein geniales Geschmacksbild.

Rindfleisch aus Val D’Hérens,

mariniert und mit Phu Quoc Pfeffer geräuchert, Kakaonibs und Sake, Knollensellerie in unterschiedlicher Textur, Rindfleisch-Jus

Unterschiedliche Texturen, feinste Akkorde und ein Hauch Asien. Was will man mehr.

© Bernhard Steinmann

Frischer und gereifter Käse

Erdbeere

Weiße Mille Feuille,

Tahitian Vanillecreme, Jasmin-Gelee, Voatsiperifery (Wilder Urwaldpfeffer aus Madagaskar) Pfefferschaum

Welch köstliches Dessert. Und wieder ist nichts zu sehen, nichts zu vermuten. Ich wahre das Geheimnis. Fahren Sie hin.

Wein und Service:

Blanc de Noir Grand Reserve, Cyril Séverin, Domaine du Daley

2016 Mondeuse Noire, Lavaux AOC, Domaine Mermetus, Henri et Vincent Chollet, Vingerons Vilette

Ein junges, aufgewecktes, engagiertes und mit viel Freude agierendes Team. Besser kann man es kaum antreffen.

FAZIT: 

Anne-Sophie Pic präsentiert durch Paolo Boscaro Erzeugnisse des Schweizer Terroirs in ihrer nobelsten Form. Geschmackserlebnisse und Texturen, aromatische Komplexität und gustative Ausgewogenheit ist mit zwei Michelinsternen nur unzureichend bewertet.

An diesem Abend passt einfach alles zusammen. Entspanntes kulinarisches Vergnügen, umrahmt von einem luxuriösen Ambiente. Mal schauen, was Valence so bietet.

Alle Fotos sehen Sie auf http://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de

 

 

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