Das körpereigene Enzym ACE* spielt eine große Rolle bei der Blutdruckregulation. Wie eine Zwillingsstudie unter Führung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) nun erstmals
zeigt, lässt fettreiches Essen die Enzymspiegel im Blut innerhalb von
sechs Wochen ansteigen. Träger einer bestimmten ACE-Genvariante
reagierten zudem mit einer Blutdruckerhöhung. Die identifizierte
Variante ließe sich daher möglicherweise als ein ernährungsabhängiger Risiko-Marker nutzen, so die Forscher. Neben LDL-Cholesterin könne ACE ein weiteres Bindeglied zwischen Fettzufuhr und der Entstehung von Herz-Kreislauf-Krankheiten darstellen.
Das Wissenschaftlerteam um Rita Schüler und Andreas F. H. Pfeiffer vom DIfE veröffentlichte nun seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift JAHA – Journal of the American Heart Association (Schüler et al., 2017; DOI:10.1161/JAHA.116.004465). Zu dem Team gehören auch Wissenschaftler der Charité-Universitätsmedizin Berlin, des Universitätsklinikums Jena sowie der HealthTwiSt GmbH Berlin.
ACE steht für Angiotensin-konvertierendes Enzym, das hauptsächlich von Zellen des Lungen- aber auch des Fettgewebes freigesetzt wird. Es wirkt blutdrucksteigernd, da es im Organismus zwei Hauptaufgaben erfüllt:
Einerseits überführt es Angiotensin I in seine gefäßverengende Form
Angiotensin II. Andererseits beschleunigt es den Abbau des Botenstoffs Bradykinin, der gefäßerweiternd und damit blutdrucksenkend wirkt. Lange Zeit galt in der Medizin, dass die ACE-Spiegel im Blut relativ stabil sind. Wie neuere Untersuchungen jedoch zeigen, sind sie durch eine
Gewichtszunahme oder -abnahme zu beeinflussen. Daher stellten sich die
an der aktuellen Studie beteiligten Wissenschaftler die Frage, ob auch
die Ernährungsweise unabhängig von Körpergewichtsveränderungen Einfluss
auf die ACE-Werte im Blut haben könnte und welche Rolle das Erbgut dabei
spielt.
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, untersuchten die
Wissenschaftler 46 gesunde, normal- und übergewichtige Zwillingspaare,
da sich an Zwillingen besonders gut genetische Effekte nachweisen
lassen. Zu Studienbeginn mussten alle Teilnehmer zunächst eine
sechswöchige gesunde Diät** einhalten, die sich durch einen hohen
Kohlenhydratgehalt und einen geringen Fettgehalt auszeichnete, um die
Ernährungsweise der Probanden anzugleichen. Danach schloss sich eine
sechswöchige fettreiche Diät an, bei der die Teilnehmer einen deutlich
höheren Anteil gesättigter Fette verzehrten. Die Energiezufuhr
während der unterschiedlichen Diätphasen blieb jedoch annähernd
gleich, sodass die Teilnehmer nur sehr geringfügig zunahmen, was den
ACE-Spiegel aber nicht beeinflusste. Sowohl vor, während als auch am
Ende der Studie führten die Wissenschaftler verschiedene klinische
Untersuchungen durch und analysierten die gewonnenen physiologischen
Daten. Die Analyseergebnisse weisen auf eine starke Wechselwirkung
zwischen der Ernährung, dem ACE-Gen und dem Blutdruck hin.
„Unsere Studie ist die erste, die zeigt, dass unabhängig von einer
Körpergewichtsveränderung eine fettreiche Ernährung innerhalb kurzer
Zeit die ACE-Spiegel im Blut um ca. 15 Prozent ansteigen lässt“, sagt
Erstautorin Schüler. „Darüber hinaus konnten wir nachweisen, dass nicht
alle Menschen in gleicher Weise auf eine hohe Zufuhr gesättigter Fette
reagieren. Eine Beobachtung, für die eine bestimmte Variation im Erbgut
verantwortlich ist“, so die Forscherin weiter. Wie die Studie zeigt,
hatten homozygote Träger der identifizierten Risiko-ACE-Genvariante***
bereits schon vor der fettreichen Diät höhere ACE-Spiegel im Blut. Zudem
stiegen im Vergleich zu den anderen Studienteilnehmern bei den Trägern
der Risikovariante unter der fettreichen Diät die ACE-Spiegel doppelt so
hoch an. Ebenso hatten sie im Vergleich zu den anderen Personen nach der
fettreichen Diät Blutdruckwerte, die um durchschnittlich 9 mmHg höher
lagen.
Eine zusätzliche Überprüfung der Resultate anhand der Daten von 365
Studienteilnehmern einer anderen, von der Zwillingsstudie unabhängigen
Ernährungsstudie****, bestätigte die von den Forschern gemachten
Beobachtungen.
„Unsere Erkenntnisse belegen erstmals, dass die Ernährung in
Abhängigkeit des ACE-Gens die Blutdruckregulation direkt beeinflusst.
Sie könnten in Zukunft dazu beitragen, eine Basis für personalisierte
Ernährungsempfehlungen zu erstellen“, sagt Studienleiter Pfeiffer.
Sollten sich die Ergebnisse auch in weiteren Studien bestätigen, sei es
nicht nur denkbar, dass man das ACE-Gen ähnlich wie den
Stoffwechselmarker LDL-Cholesterin als neuen Biomarker verwendet und
insbesondere Trägern der Risiko-Genvariante zu einer fettarmen Ernährung
rät. Da ACE-Hemmer* zu den Blutdruckmedikamenten der ersten Wahl zählen,
wäre es zudem vorstellbar, dass gerade Menschen, die einen grenzwertigen
Blutdruck haben, von einer nutrigenetisch***** definierten
Nahrungsauswahl profitieren und vielleicht keine Medikamente mehr
benötigen. Nicht zuletzt gäben die Ergebnisse aber auch schon heute
einen neuen Einblick in die molekularen Mechanismen, die dazu führen,
dass eine hohe Aufnahme vor allem gesättigter Fette ungünstige Effekte
auf den Blutdruck und damit auf das Entstehen von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben kann, ergänzt Endokrinologe Pfeiffer,
der am DIfE die Abteilung Klinische Ernährung leitet.
Link zur Studie: http://jaha.ahajournals.org/content/6/1/e004465
Hintergrundinformationen:
* Das Angiotensin-konvertierende Enzym (Angiotensin Converting Enzyme;
ACE) ist für die Blutdruckregulation und die Regulierung des
Wasser-Elektrolyt-Haushalts bedeutsam. ACE-Hemmer werden zur Behandlung
des arteriellen Bluthochdrucks und bei Herzinsuffizienz eingesetzt. Sie
bilden mit einem Umsatz von etwa 1,9 Milliarden EUR/Jahr (2008) die
umsatzstärkste Arzneimittelgruppe in Deutschland (Quelle: Wikipedia).
** Bei der kohlenhydratreichen und fettarmen Diät lag der Anteil der
Kohlenhydrate an der Energiezufuhr bei 55 Prozent, der der Fette bei 30
Prozent und der des Eiweiß bei 15 Prozent. Es handelt sich um eine
gesunde, ausgewogene Diät, die auf den Empfehlungen der Deutschen
Gesellschaft für Ernährung beruht. Bei der fettreichen Diät lag der
Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr bei 40 Prozent, der der
Fette bei 45 Prozent und der des Eiweiß bei 15 Prozent. Bei der
fettreichen Diät wurden die Fette hauptsächlich über fettreiche
tierische Lebensmittel aufgenommen, die sehr viele gesättigte Fettsäuren
enthalten. So verzehrten die Studienteilnehmer reichlich fettreiche
Milch- und Fleischprodukte wie Butter, Sahne, Speck oder Wurst.
*** Mit Ausnahme der Keimzellen verfügt jede menschliche Zelle über
einen doppelten Chromosomensatz. Das bedeutet, dass die meisten Gene in
der Regel doppelt vorliegen, dies gilt auch für das untersuchte ACE-Gen.
Dabei können die Gene unterschiedlich ausgeprägt sein und in
verschiedenen Varianten vorliegen, die sich geringfügig in der
Basensequenz des Erbguts (DNA) unterscheiden. Die verschiedenen
Ausprägungsformen von Genen werden auch als Allele bezeichnet. Treten
auf den beiden Chromosomen am betreffenden Genort zwei unterschiedliche
Allele eines Gens auf, spricht man von Heterozygotie. Treten zwei
gleiche Allele auf, spricht man von Homozygotie. Auch das ACE-Gen tritt
in verschiedenen Varianten auf. So liegt die untersuchte ACE-Genvariante
rs4343 in zwei Formen vor, der G- und der A-Variante. Das „G“ steht
für die Base Guanin, die in der stärker verbreiteten A-Variante an
einer bestimmten Position der DNA-Kette die Base Adenin (A) ersetzt.
Aufgrund des doppelten Chromosomensatzes tragen Menschen also entweder
zweimal die G-Variante (GG-Typ), zweimal die A-Variante (AA-Typ) oder
sie sind Träger beider Genvarianten (AG-Typ). Nach Ergebnissen der
aktuellen Studie hatten homozygote Träger der G-Variante (GG-Typ) im
Vergleich zu heterozygoten Trägern (AG-Typ) oder homozygoten Trägern der
A-Variante (AA) nach der Erhöhung der Fettzufuhr doppelt so hohe
ACE-Spiegel im Blut und zudem einen um 9 mmHg höheren Blutdruck.
**** Metabolisches Syndrom Berlin Potsdam (MeSyBePo)-Querschnittstudie:
An der MeSyBePo-Studie nahmen ca. 2.600 Personen aus dem Berliner und
Potsdamer Raum teil, die von 2002 bis 2009 rekrutiert wurden. Die
Studienteilnehmer waren Männer und Frauen mit und ohne metabolischem
Syndrom sowie mit gesundem oder gestörtem Glukosestoffwechsel. Im Rahmen
der Studie führten DIfE-Wissenschaftler bereits in der Vergangenheit
(nutri)genetische Analysen durch, um Genvarianten zu identifizieren, die
mit individuellen Unterschieden in Stoffwechselprozessen in Verbindung
stehen.
***** nutrigenetisch: Das Wort ‚nutrigenetisch‘ leitet sich von
Nutrigenetik ab. Diese Wissenschaft ist ein Bereich der
Ernährungsforschung und untersucht die Beziehung zwischen Ernährung
und Genetik. Insbesondere wird analysiert, inwiefern
ernährungs(mit)bedingte Krankheiten und andere Vorgänge im Organismus
durch die genetische Varianz beeinflusst werden.