Süßstoff "Stevia" – Mythos Natürlichkeit

Aufwendige industrielle Herstellung und überraschende Zusätze
Naturbelassen und kalorienarm: „Stevia“ erfüllt aufden ersten Blick beides. Die Süße
stammt aus den Blättern der Steviapflanze und hat nahezu keine Kalorien. Ein
genauerer Blick relativiert aber das Werbeargument des „natürlichen Zuckerersatzes“.
Denn als Süßungsmittel zugelassen sind nur die Steviolglykoside, die in einem
aufwendigen industriellen Vorgang aus der Steviapflanze herausgelöst werden. Dazu
kommt, dass „Stevia“ in Pulver- oder Tablettenform häufig auch
Konservierungsmittel, Stabilisatoren oder Trennmittel enthält. Die Auslobungen auf
den Produkten suggerieren daher eine Natürlichkeit,die nicht den Tatsachen
entspricht.

Dazu kommt, das Steviolglykoside oft weit gereist sind. Sie werden unter
hohem Energieaufwand derzeit vorrangig in China hergestellt.
„Ein Produkt als natürlich zu verkaufen, das mit großem technologischem Aufwand
hergestellt wird, ist an sich schon überraschend. Erstaunlich ist aber auch, dass in
,Stevia‘-Produkten sehr oft andere Stoffe – darunter auch Zucker – für Süße sorgen“,
so Franz Floss, Geschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Bei
12 von 36 untersuchten Produkten fanden die Tester weitere Süßungsmittel – am
häufigsten den Zuckeralkohol Erythrit.

In zehn Produkten war Zucker enthalten – meist
in Form von Fruchtzucker, Apfelsaft oder Apfelsüße.Floss: „Produkte, die diesen
Süßstoff enthalten, können daher auch wesentlich mehr Kalorien enthalten, als
angenommen. Hier lohnt sich also ein kritischer Blick auf die Zutatenliste.“
Fazit: „Stevia“ ist bei weitem nicht so natürlich wie in der Werbung angepriesen,
sprich: Es ist kein natürlicher Zusatzstoff. Allerdings sind Steviolglykoside nicht
besser oder schlechter als andere Süßstoffe. Sie sollten aber in Maßen genossen
werden, denn zu den Auswirkungen einer chronischen Überdosierung des Süßstoffes
gibt es noch keine Studien.

Überraschende Zusätze
„Stevia“ in Pulver- oder Tablettenform enthält häufig zusätzlich Konservierungsmittel wie
Kaliumsorbat oder Sorbinsäure, Stabilisatoren wie Alkohol oder Trennmittel in Form von
Siliciumdioxid. Generell ist auffällig, dass sehr viele Produkte diverse Ballaststoffe wie Inulin,
Oligofruktose oder Maltodextrin zugesetzt haben, umdas fehlende Volumen auszugleichen.
„Oftmals werden aus technologischen oder geschmacklichen Gründen auch andere
Süßstoffe, Zucker oder Zuckeraustauschstoffe beigemengt“, erläutert VKI-Ernährungswissenschafterin Katrin Mittl. „Steviolglykoside haben keine konservierenden
Eigenschaften und es fehlt ihnen an Volumen. Der reine Süßstoff ist daher zum Einkochen
bzw. Backen nur bedingt geeignet.“

Auch für Diabetiker sind Steviolglykoside nur bedingt geeignet. Zwar werden diese
insulinunabhängig verstoffwechselt und sind daher eine Alternative bei Typ-1-Diabetes. Bei
Typ-2-Diabetes und auch generell gilt: Kuchen und Süßigkeiten nur in geringen Mengen
verzehren, unabhängig davon, ob in ihnen „Stevia“ ein anderer Süßstoff oder
Haushaltszucker steckt. Beim Konsumenten darf nichtder Eindruck entstehen, dass
derartige Lebensmittel unbedenklich konsumiert werden können, nur weil sie mit
Steviolglycosiden gesüßt sind.
„Stevia“ im Geschmackstest
Im Geschmackstest konnten sich mit Steviolglykosiden gesüßte Produkte im Vergleich zu mit
Zucker und anderen Süßungsmitteln gesüßten Produkten nur schwer behaupten. Verkostet
wurden u.a. Ketchup, Fruchtjoghurt, Vanilleeis und Milchschokolade. Lediglich ein Joghurt
kam bei den Testern besser an als die gezuckerte Konkurrenz.

Schokolade mit
Steviolglykosiden erzielte im Vergleich das schlechteste Ergebnis.
Leitlinie zur Bewerbung von „Stevia“-Produkten
Wie dürfen „Stevia“-Produkte beworben werden, ohne dass sie den Verbraucher in die Irre
führen? Hierzu gibt es seit Juni 2012 eine Leitlinie des Bundesministeriums für Gesundheit,
derzufolge etwa die Bezeichnungen „mit Steviolglykosiden“, „mit Steviolglykosiden aus
pflanzlicher Quelle“ oder auch „mit Süßstoff Steviolglykoside aus Stevia“ korrekt sind.
Blumige Formulierungen wie „mit Stevia“ oder „natürlich gesüßt“ sollen mit der neuen
Leitlinie der Vergangenheit angehören. „Jene Hersteller, die mit ihren Produkten diesen
Vorgaben noch nicht entsprechen, haben uns zu verstehen gegeben, dass sie mit
Hochdruck an der Umsetzung der Leitlinie arbeiten. Wir sind gespannt und werden im
kommenden Jahr genauer unter die Lupe nehmen, inwieweit dies auch erfüllt wurde“, so
Floss.
Weitere Informationen zum Thema gibt es auf www.konsument.atund ab dem 30.8. im
September-KONSUMENT.

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