Gastgold Verbund

Vom Deutschen Hotel und Gaststättenverband vernachlässigt, formiert sich seit Juni auf Anregung von Uta Bühler der Restaurantverbund Deutschland. Namhafte Mitstreiter wie Dieter Müller, Paula Bosch, Frank Rosin und Nelson Müller verbünden sich zu einer starken Stimme. Kräftig genug, um Gehör bei der Politik in Berlin zu finden. „Die Belange von Restaurants, meist kleine Familienunternehmen, haben im Dehoga nie eine Rolle gespielt“,  weiß Bühler aus Erfahrung. „Vor Corona war das egal, doch jetzt hilft nur der Zusammenschluss, um neue Rahmenbedingungen einzufordern und damit das Überleben der Qualitäts-Gastronomie vom Landgasthof bis zum 3-Sterne-Restaurant in Deutschland zu sichern.“

GastGold

Gastgold: Prädikat, Versprechen und Antrieb für Reformen

Bühler war selbst Unternehmerin im Hotel- und Gaststättengewerbe. Erfolgreich betrieb sie mit Berthold Bühler über 30 Jahre das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Hotel und Restaurant Résidence in Essen. Gleichzeitig führte sie mit ihrem Magazin STERNKLASSE die Leser von 2002 bis 2016 zu vielen gastlichen Stätten, wo ausgezeichnete Küche und feinfühliger Service gemeinsam Glanzpunkte für Gäste setzen. Online beschreibt sie heute die Gastronomie-Kultur und prägte das Wort „Gastgold“, weil die deutsche Sprache keinen passenden Begriff bot.  „Gastgold“ ist der Name des neuen Verbundes. Gastgold ist Prädikat für Küche und Service, Versprechen für den Gast und Verpflichtung der Mitglieder, notwendige Reformen durchzusetzen.

Restaurant-Krankenakte: Diagnose und Heilungsplan

Die Restaurantszene wankt. Corona ließ Leuchtsterne wie den Werneckhof by Geisels verlöschen. Angeschlagen war die Restaurantbranche jedoch schon vor der Pandemie. Sie krankte an sinkenden Erträgen sowie Personalmangel aufgrund von schwachen Löhnen. „Das Schnitzel darf nicht mehr als 15 Euro kosten. Nicht weil Gäste kein Geld mehr haben. Sie wollen es nur nicht mehr in der Gastronomie ausgeben. Alles wird teurer, nur das Essen im Restaurant  darf es nicht – und deshalb  können die Mitarbeiter nicht besser bezahlt werden“, skizziert ein Kellner den Abwärtssog von billig, billiger, noch billiger. Die Tendenz ist vergleichbar mit der in der Fleischverarbeitenden Industrie – doch so weit wie dort, darf es mit der Restaurantbranche nicht kommen. Diejenigen, die den Teppich der Gastronomie-Kultur in Deutschland gelegt haben, treiben jetzt den Heilungsprozess voran. Sie wollen und können nicht weitere 15 oder 20 Jahre auf Hilfe von Seiten der Politik oder des Dehoga warten.

Wer ist schuld an der Misere? Was muss sich ändern?

Seit ebenso vielen Jahren berichten die Medien zwar bereits regelmäßig von skandalösen Missständen in der Massentierhaltung von Hühnern, Schweinen und Rindern aber es tut sich nichts. Schon 2005 titelte das Handelsblatt „Tonnenweise verdorbenes Fleisch beschlagnahmt“, doch die Politik ließ die Tierquäler-Mafia bis zum Corona-Ausbruch gewähren. Die in dieser Zeit wechselnden,  verantwortlichen Landwirtschaftsminister sowie deren politische Mehrheit im Parlament hielten fest am Hirngespinst von Selbstverpflichtung und dem mündigen Konsumenten. So schaute die Politik tatenlos zu, wie jährlich 54 Millionen Schweine in Deutschland zusammengepfercht ihrer Natur gegebenen Würde beraubt, gequält, im Eiltempo gemästet, geschlachtet und am Fließband zu billiger Stückware zerlegt werden. „Es kann nicht sein, dass Fleisch billiger als Gemüse ist. Und es kann auch nicht sein, dass das propagiert und auch noch immer subventioniert wird“, so Ex-Sternekoch und heutiger Biobauer Franz Keller im Deutschlandfunk. In seinem Buch „Vom Einfachen das Beste“ fordert er radikales Umdenken und Schluss mit der jetzigen industriellen Nahrungsmittelproduktion, die den Respekt vor Tieren und Pflanzen verloren hat. „Frau Klöckner ist untragbar!“, machte die Münchner Abendzeitung die Essenz aus einem Interview zur Überschrift, in dem 3-Sterne-Koch Jan Hartwig die Missstände in der Fleischindustrie anprangerte. Dafür bekam Hartwig Applaus von unzähligen Kollegen aus dem ganzen Land. Eine Heerschar leidenschaftlicher Köche. Sie alle setzen sich in den Social Media für mehr Tierrechte und mehr Tierwohl ein. Im Verbund werden sie ihre Kraft bündeln und drei unabdingbare Forderungen nach Berlin tragen. Erstens: Dem Landwirtschaftsministerium muss die Verantwortung an dieser Stelle entzogen werden. Zweitens: Bereits bestehende Gesetze müssen endlich angewendet werden. Drittens: Die Ursache mangelnder Bildung, die mit zu „Wegwerf-Tieren“ geführt hat, muss die Politik ein für alle Mal ausmerzen. Sie muss in Ernährungslehre an Schulen investieren, um der Jugend auf dem Weg zum mündigen Konsumenten das Wissen über und die Freude an Lebensmitteln mitzugeben.

Moral verliert gegen Geld

Schuld am Elend der Tiere sowie der Schlachthof-Arbeiter, die im Akkord schuften und erbärmlich hausen, tragen alle Beteiligten. Mit den Politikern auch die Profiteure vom Handel, die den Konsumenten skrupellos zum Kauf des Folterfleischs mit Billigangeboten in Landidylle-Verpackungen verführen. Und nicht zuletzt der in Kenntnis der Missstände zugreifende Käufer. Die ganze Kette ist verseucht. Moral verliert gegen Geld.

Im Restaurant soll alles bleiben wie es war – vor allem der Preis

Seit Corona berichten die Medien ausführlich anhand von Einzelschicksalen alteingesessener Familienbetriebe oder von Sterneköchen, wie die Umsatzverluste durch Shutdown und Abstandsregeln die Restaurants in den Ruin treiben. Auch wenn die Gesellschaft diese Nöte wahrnimmt, so steckt doch in den Köpfen, dass es wie vor Corona weitergehen müsse. Vor allem darf es nicht teurer werden. Diese Haltung hat die Gastronomie leider selbst über Jahre ungewollt bestätigt, indem sie auf Kosten ihrer Gewinne und auf dem Rücken der Mitarbeiter die Preise weitgehend stabil hielt trotz steigender Energie-, Raum- und Lebensmittelkosten.

Das zweite große Versäumnis der Restaurantbranche war ihr Schweigen dazu, dass sich in Deutschland jedermann ohne Qualifikation mit einer Speisegaststätte selbständig machen kann. Ein gefährlicher Spielraum, den kein anderes europäisches Land hat und der den deutschen Markt mit minderwertiger Gastronomie geflutet hat. Leider kann kein Gast von außen erkennen, ob eine Hilfskraft in der Küche billigstes Folterfleisch brät oder ein Koch mit guten und erheblich teureren Produkten arbeitet. Der Restaurantbesucher kann sein Geld aber nur einmal ausgeben und damit  sind Umsätze der Schmuddel-Gastronomie für sauber arbeitende Betriebe verloren. Die erste, neue Rahmenbedingung muss deshalb lauten: Keine Gaststättenkonzession ohne Qualifizierung!

Gastronomie-Schädlinge oder warum Reformen notwendig sind

Im Vergleich der Branchen hat ein Betrieb im Gastgewerbe die kürzeste Lebensdauer. Grund dafür sind die schmalen Gewinne, die wiederum Folge des übersättigten Marktes sind. Die viel zu große  Anzahl ungelernter Kräfte, die ihr Glück in dem Business „Wer-nichts-wird-wird-Wirt“ versuchen, führen den Kampf um den Kunden ganz so wie die Fleischindustrie – voll über den Preis. Ganz anders als in Frankreich, Italien, Österreich oder in nahezu allen anderen Ländern Europas. Wenn in Deutschland ein Unqualifizierter scheitert, übernimmt schnell ein ebenso ungelernter Nachfolger das Lokal mit demselben Dumpingpreis-Modell. Er bietet sein Schnitzel für 13,50 Euro an, wenn der Nachbar-Gastronom 15 Euro verlangt. Die daraus resultierenden Verwerfungen haben in der Gesellschaft zu einem schiefen Preis-Leistungs-Verständnis geführt. Anständig, dem Tierwohl verpflichtet und betriebswirtschaftlich kalkulierende Unternehmer, die junge Menschen ausbilden und Ausgelernte sozialversicherungspflichtig beschäftigen, verlieren in diesem Preiskampf. Sie sind gezwungen, ihre Preise nach unten anzugleichen – an das verzerrte und vom Gast emotional für gut befundene Preis-Leistungsverhältnis. Hier muss der Staat dringend regelnd eingreifen und eine  Qualitätssicherung vor die Vergabe einer Gaststättenkonzession setzen. Ansonsten werden solide Restaurants weiterhin denselben aussichtlosen Kampf führen wie Biobauern gegen Fleischberg-Giganten – beide brauchen neue Rahmenbedingungen!

Viel Koch- wenig Gastnachwuchs

Ist der Stolz auf das deutsche Küchenwunder erloschen? Wo sind die Feinschmecker, für die kein Weg zu weit war, um bei Eckart Witzigmann, Dieter Kaufmann oder Lothar Eiermann einzukehren? Die Pioniere, zu denen auch Dieter Müller, Harald Wohlfahrt, Heinz Winkler und Jean-Claude Bourgueil zählen, haben Hunderte Nachwuchstalente in ihren Küchen hervorgebracht. Deren Nachwuchs wiederum versorgt Deutschland heute flächendeckend mit derart guter Gastronomie, dass uns das Ausland beneidet. Doch wo ist der ebenso zahlreiche Nachwuchs der Gäste? Was kann und muss getan werden, dass diese wieder zu fröhlichen Genießern werden? Welche Wege sind neben der Neuregelung zur Gaststättenkonzession zusätzlich zu beschreiten, so dass Restaurant-Unternehmen wie ihre Mitarbeitenden in Küche und Service mehr Wertschätzung bekommen und mehr Wertschöpfung erreichen können?

Corona trocknet die deutsche Gastronomie-Landschaft aus

Die Rücklagen junger Betriebe sind aufgebraucht. Die Schulden wachsen. In der Hoffnung, der Spuk möge bald vorbei sein, investieren Alteingesessene gerade ihre Altersvorsorge. Andere ziehen unter dem finanziellen Druck die Notbremse und schließen schweren Herzens das Restaurant. Notdürftig bewässert die Politik die Gastronomie-Landschaft mit der Gießkanne. Ohne klares Konzept, einfach nur breitflächig. So bekommen auch Tote noch ein paar Geldtropfen mit, die den Überlebensfähigen fehlen. Dringend erforderlich ist eine Stimme, die sich für die gehobene Gastronomie erhebt – die laut und stark genug ist, in Berlin Gehör zu finden.

Wo ist die Stimme, die sich für die Restaurants erhebt?

Diese Stimme ist nicht der Dehoga. Er hat sich in der Vergangenheit nicht für die Belange der Restaurantbranche eingesetzt und wird es auch in naher Zukunft nicht tun – ganz im Gegenteil. Denn die Interessen der gehobenen Gastronomie kollidieren mit denen seiner Fachabteilungen für Systemgastronomie, Gemeinschaftsgastronomie, Diskotheken, Bahnhofsgastronomie und Catering. Auch deshalb ist es bis heute erlaubt, eine Speisegaststätte ohne jeglichen Qualifikationsnachweis zu eröffnen. Auch deshalb gibt es bis heute nur einen einzigen Ausbildungsrahmenplan für Köche; ganz gleichgültig ob die Ausbildung in einer Kantine, in der Systemgastronomie oder in der gehobenen Gastronomie stattfindet. Das gleiche gilt für Berufsanfänger im Service, die den Ausbildungsberuf Restaurantfachmann/-frau erlernen. Auch hier besteht derzeit nur ein einziger Ausbildungsrahmenplan, der vorgibt, das gesamte Spektrum abzudecken. Für Betriebskantinen, Cafés, Senioreneinrichtungen, Messestadien – und natürlich auch für Restaurants.

Hier ist die Stimme

Aktuell ist die Restaurantbranche eine atomisierte Branche, bestehend zu 80 Prozent aus Klein- und Mittelbetrieben. Die meisten sind Einzelunternehmer. Jeder kämpft für sich. Meistert die Herausforderungen des Alltags, unterwirft sich der zunehmenden Flut gesetzlicher Vorgaben und erfüllt stillschweigend auch die unsinnigen, deren Überarbeitung dringend erforderlich ist. In der Vergangenheit bewältigten die Unternehmen mehr schlecht als recht die Ertragsrückgänge. Doch jetzt bringt die Krise alle an die Grenze des Leistbaren. Ein Zusammenschluss ist unumgänglich, wenn die Kulturstätten der Gastlichkeit erhalten bleiben sollen. Und das müssen sie! Denn wo sonst wollen Menschen zukünftig feiern, wo miteinander zusammensitzen, essen, plaudern und genießen? Wer wird, wenn sie verschwunden sind, den Raum für Esskultur schaffen, gastliche Traditionen pflegen und Fachleute ausbilden? Die Restaurantbranche muss sich in Position bringen und mit einer Stimme sprechen, damit sie in Berlin gehört wird. Denn die Politik spricht nicht mit einzelnen Unternehmen oder Marketingzusammenschlüssen. Deshalb müssen sich viele zu einem mitgliederstarken Restaurantverbund Deutschland zusammenschließen. Um dem Parlament die Möglichkeit zu geben, zuzuhören und zu verhindern, dass Deutschland zum Land der Systemgastronomie nach amerikanischem Vorbild wird. Es ist fünf vor zwölf, um das abgedroschene Bild zu bemühen.

Der neue Weg der Klarheit

Viele Restaurants arbeiten schon jetzt eng zusammen mit Tierwohl-Züchtern, Biobauern und deutschen Qualitätswinzern. Dieses herauszustellen und die Wertschätzung für die Erzeuger wie für die Restaurants zu erhöhen, ist eine Aufgabe des Verbundes. Eine weitere notwendige Maßnahme, um die Wertschätzung und Wertschöpfung in den Restaurants zu erhöhen, ist das Einführen einer allgemein verbindlichen No-Show-Regelung. Seit Jahren verlieren Reservierungen an Zuverlässigkeit. Die letzten Jahre zeigen, dass kein einzelnes Restaurant die allgemein verbreitete, schlechte Verhaltensweise ändern kann. 2015 erreichte der Umsatzausfall im Restaurant Résidence durch reservierte aber nicht in Anspruch genommene Plätze eine Summe, mit der über 30 Mitarbeitende ein zusätzliches Gehalt hätten beziehen können. Günter Rönner beklagte erst gestern auf Facebook: „Wenn in solchen Zeiten, in denen man sowieso nur 30 Prozent seiner Auslastung hat, auch noch ein 7er-Tisch nicht erscheint … zum Kotzen!“ De facto ist jede No-Show im Restaurant ein Diebstahl an dem Unternehmen, an dessen Mitarbeitende und an dessen Gäste – und es ist stets ein Ausdruck mangelnder Wertschätzung. Eine verbindliche No-Show-Regelung ist notwendig! Sie führt zu mehr Rendite und dient ebenso dazu, mehr Wertschätzung herzustellen.

Mitgliedschaft im Restaurantverbund Deutschland

Das Prädikat „Gastgold“ wird dem Gast zukünftig eine hohe Küchen- und Service-Qualität garantieren. Es ist ein Qualitätsversprechen, das alle Restaurant-Mitarbeitenden geben. Es ist ebenso ein Versprechen der Restaurant-Unternehmer, notwendige Reformen nach innen und außen durchzusetzen, um höhere Löhne finanzieren zu können und die Berufe von Koch und Kellner wieder attraktiv zu machen.

In einem Gastgold-Restaurant bestimmt Wertschätzung die Viereck-Beziehung zwischen Unternehmer, Köchen, Kellnern und Gästen. Ein Gastgold-Restaurant wird mindestens von einem der renommierten Restaurantführer oder von zwei Gastgold-Mitgliedern empfohlen; letzteres weil hervorragende Gasthäuser mit langer Tradition und traditioneller Küche von Gourmetführern oft nicht erwähnt werden. Ein Gastgold-Restaurant muss mindestens zwei ausgelernte Köche und zwei gastgewerbliche Fachkräfte im Service beschäftigen. Wer kann, bildet aus. Verwendet werden beste, überwiegend frische Produkte. Die Mitglieder unterstützen sich gegenseitig. Mehr Wertschätzung und mehr Wertschöpfung sind Aufgabe und Ziel für jeden einzelnen und für den Verbund. Lasst uns gemeinsam die Stimme erheben!

Sind Sie interessiert mehr zu erfahren und dem Verbund als Mitglied beizutreten? Schreiben Sie Uta Bühler buehler@sternklasse.de

Summary

Gastgold: Vom Deutschen Hotel und Gaststättenverband vernachlässigt, formiert sich seit Juni auf Anregung von Uta Bühler der Restaurantverbund Deutschland. Namhafte Mitstreiter wie Dieter Müller, Paula Bosch, Frank Rosin und Nelson Müller verbünden sich zu einer starken Stimme

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