Berlin mit 16 Michelin-Sternen ganz vorne

Grüne Küche und Koryphäen am Herd
Gourmet-Päpste schwärmen von der deutschen Hauptstadt

Ist es die Kombination von „Obatzda“ Camembert mit Paprika, Zwiebel, Brezel und Weißbier, die im Lorenz Adlon Esszimmer auf der Speisekarte steht? Oder vielleicht die japanische Holzkohle, mit der Daniel Achilles im Restaurant Reinstoff sein Tataki vom Hirschkalb samt den Zutaten Quitte, Ingwer und Lakritze zubereitet? Selbst Feinschmecker können meist nur rätseln, was den Ausschlag gibt, damit ein Küchenchef in die Liga der Ein- oder vielleicht sogar Zwei-Sterne-Köche aufsteigt. Aber eines steht fest: Den Testessern renommierter Gastro-Bibeln schmeckt es an der Spree heute so gut wie nie zuvor. Und ihre einstigen Konkurrenten München und Hamburg hat die Gourmethauptstadt Berlin inzwischen weit hinter sich gelassen.
16 Michelin-Sterne für die deutsche Hauptstadt

Mit 16 Sternen verteilt auf 13 Sterne Restaurants wurde die Berliner Gastronomie im aktuellen Michelin-Guide 2012 ausgezeichnet. München – auf Platz 2 der Rangliste – kann auf elf Sterne- Restaurants verweisen, während Feinschmecker aus aller Welt an der Alster in neun Sterne-Lokalen vortrefflich speisen können. Neu in den erlauchten Kreis der Berliner Sterne-Restaurants aufgenommen wurde das Horváth von Chefkoch Sebastian Frank, das durch seine „gute, interessante und kreative Küche“ überzeugen konnte.

Doch die Michelin-Tester haben noch eine weitere gute Nachricht für alle, die sich in Berlin auf die Suche nach neuen Trends, hervorragendem Essen und kulinarischen Experimenten begeben möchten: Das bislang einzige Berliner Zwei-Sterne-Restaurant Fischers Fritz hat Konkurrenz bekommen. Ab sofort dürfen sich auch das Lorenz Adlon Esszimmer im Hotel Adlon und das Reinstoff, das in dem historischen Fabrikambiente der „Edison Höfe“ in Berlin-Mitte angesiedelt ist, mit dieser Auszeichnung schmücken. Bemerkenswert ist der Aufstieg in die Zwei-Sterne-Klasse in beiden Fällen. So ist Hendrik Otto erst seit April 2010 Küchenchef im Adlon und hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, die verwöhnten Gaumen der Michelin-Tester zu beeindrucken. Als Senkrechtstarter kann auch Reinstoff-Küchenchef Daniel Achilles bezeichnet werden, schließlich hat sein Lokal in der Schlegelstraße in Mitte erst im März 2009 eröffnet. Dort kocht er seitdem unter der Devise „die Sinne erweitern“ und wurde dafür bereits 2010 mit dem ersten Stern – und nun mit der Beförderung in die nächste Liga – belohnt.

Lorenz Adlon und Reinstoff begeistern die Tester

Dass diese beiden Berliner Küchenchefs ihr Können im vergangenen Jahr noch weiter perfektioniert haben, wird ihnen auch von anderer Seite bescheinigt. So steigerte sich Hendrik Otto vom Lorenz Adlon Esszimmer im Gault Millau von 16 auf 17 Punkte. „Den kleinen Eintopf aus weißen Bohnen mit Olivengnocchi und Pfifferlingen, die Rehbolognese oder die gebratene Gänseleber mit ‚Weiberknödeln’ in einem profunden Fleischsud hätten wir immer weiter löffeln können – das sind Dinge, die kein anderer Berliner Kochstar bietet“, loben die Gault Millau-Tester. Und auch der Varta-Führer preist die „exzellente Kochkunst von Hendrik Otto“ und bescheinigt dem Haus zugleich einen „perfekten Service“. Voll des Lobes sind auch die Kritiker des Schlemmer Atlas’. Sie platzieren das Lokal mit „hervorragender Küche“ gleich unter die Top 4 Restaurants der Stadt und schwärmen vor allem vom Nachtisch Ottos – einem Schaumkuss mit Orangen-Sauerrahmeis.

In höchsten Tönen gelobt werden auch die Kochkünste von Newcomer Daniel Achilles. Wie sein Kollege vom Lorenz Adlon Esszimmer erhält auch er in diesem Jahr 17 Gault Millau-Punkte für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung“. Vom Varta-Führer wiederum wird das „trendige Lokal mit seinem minimalistischen Innendesign“ erstmals ausgezeichnet – unter anderem für seine „exzellente Küchenleistung“.

Fischers Fritz überzeugt mit moderner Küche

Und Chefkoch Christian Lohse vom Fischers Fritz im Hotel The Regent am Gendarmenmarkt, dessen zwei Michelin Sterne nun schon zum fünften Mal bestätigt wurden? Auch er gehört, schenkt man den Geschmacksnerven der renommierten Gastro-Testern Glauben, zweifellos weiterhin zur Elite der besten Küchenchefs Deutschlands. Von einer „begeisternden modernen Küche“ spricht der Varta-Führer und verleiht dem Lokal gleich das Prädikat „außergewöhnlich“. In den Augen der Schlemmer Atlas-Tester bringt Lohse gar „die Gesetze eines Spitzenrestaurants ins Wanken. Denn ein spezialisierteres Spitzenrestaurant hat die Welt selten gesehen“. Wen wundert es? Wie der Name erahnen lässt, ist das Fischers Fritz vor allem auf maritime Spezialitäten ausgerichtet. Die aufwändig und auf höchstem Niveau zubereiteten Fisch- und Meeresfrüchte sind somit das Erfolgsrezept des Maître de Cuisine. Eine Spezialisierung, die auch den Gault Millau beeindruckt. 18 Punkte für Christian Lohse – so das Urteil der Gastro-Bibel, die den Starkoch 2011 allerdings einen Punkt schlechter bewertet als im Vorjahr. Die Begründung: Um das beste Restaurant in Berlin zu sein, brauche es „mehr Überraschung, mehr Veränderung, mehr Emotion. Es fehlen die Aha-Erlebnisse.“

Tim Raue ist „Koch des Jahres 2011“

Doch wo in der Berliner Spitzengastronomie sind diese zu finden? Die Meinung der Gault Millau-Tester ist eindeutig: Für sie ist Tim Raue mit seinem gleichnamigen Restaurant der neue „Stern“ am Berliner Gastro-Himmel und hat sich in ihren Augen – und ihren Geschmacksnerven zufolge – längst an die kulinarische Weltspitze gekocht. „Hier ist ein Ausnahmekoch endlich dort hingekommen, wo er hin will“, preisen ihn die Tester und zeigen sich vor allem davon beeindruckt, dass Raue „eine persönliche Essenz der asiatischen Küche“ bietet, „die ihn von allen anderen deutschen Topkollegen unterscheidet“. Auch koche er mit Produkten, „die es zum großen Teil im deutschen Handel überhaupt nicht gibt“. Grund genug für die Tester, Raue erstmals 19 von 20 möglichen Punkten zu verleihen. Somit zählt der Chefkoch in der Gault-Millau-Wertung zu den zwölf besten Köchen Deutschlands und durfte gleich auch das „Menü des Jahres“ im Gault Millau kreieren. Vollkommen überzeugt von den außergewöhnlichen Kochkünsten Raues zeigt sich auch der Feinschmecker: Der renommierte Gourmet-Guide hat den Starkoch als „Koch des Jahres 2011“ ausgezeichnet und das Tim Raue in der Liste der zehn besten Trendküchen Deutschlands ganz vorne platziert. Gefolgt von zwei weiteren Berliner Top-Lokalen: dem Margaux und der Quadriga.

Ob „Aufsteiger des Jahres“, „Berliner Meisterkoch“ oder „Koch des Jahres“: Immer wieder ist es Tim Raue in den letzten Jahren gelungen, sich als Küchenchef verschiedener Edelrestaurants an die Spitze der Berliner Gastronomieszene zu kochen. Noch vor zwei Jahren beispielsweise umsorgte er seine Gäste im Restaurant Ma des Luxushotels Adlon mit chinesisch inspirierter Küche. Für sein derzeitiges Restaurant Tim Raue in der Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg wurde er noch nicht einmal ein Vierteljahr nach Eröffnung im September 2010 mit einem Stern honoriert. Wen wundert es, dass Gastro-Kenner in diesem Jahr mit dem zweiten Michelin-Sterne für Raue gerechnet hatten? Die als eher konservativ geltenden Michelin-Tester allerdings waren noch nicht gänzlich überzeugt, haben den Starkoch aber zum „Hoffnungsträger auf einen zweiten Stern“ erklärt und somit auf das Jahr 2012 vertröstet.
Tim Raue arbeitet mit CHROMA type 301 Messer.

Hoffnungsträger auf einen zweiten Stern

Damit ist Tim Raue in Berlin in guter Gesellschaft; denn auch für Michael Hoffmann, dem „Hoffnungsträger“ vom Restaurant Margaux, ist der zweite Michelin-Stern in diesem Jahr greifbarer geworden. Der Varta-Führer bringt es in seiner aktuellen Ausgabe auf den Punkt: „Insider wissen längst, dass Michael Hoffmann eine Koryphäe am Herd ist.“ Seit nunmehr elf Jahren führt Hoffmann das Margaux in Eigenregie, ohne die finanzielle Unterstützung eines großen Hotels. Seit einiger Zeit macht er dabei vor allem mit seinen vegetarischen Gerichten von sich reden: Den Großteil seines Gemüses baut Michael Hoffmann auf einem 2.000 Quadratmeter großen Garten bei Berlin selbst an. Ein Aufwand, den die geschmacksverwöhnten Gastro-Kritiker zu schätzen wissen. 18 Punkte verteilt der Gault Millau an die grüne Küche des Meisterkoches und platziert das Margaux somit unter die Top 3 der Berliner Spitzenrestaurants.

Ob über dem Margaux, das seit dem Jahr 2000 alljährlich mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wird, im nächsten Jahr sogar zwei Sternen „leuchten“, muss sich noch zeigen. Eines aber ist bereits heute vollkommen unstrittig: Hoffmanns Gerichte sind Kompositionen der besonderen Art. Und bereits beim Lesen der poetisch klingend
en Menüs läuft dem Feinschmecker das Wasser im Munde zusammen. „In einem irdenen Gefäß hat sich eine Gartenzwiebel sechs Wochen lang verwandelt: in puren Schmelz und Saftigkeit mit einem Nelkenhauch. Ein süßes Geheimnis, das nicht süß schmeckt, sondern transparent wie hundert Zwiebelschichten. Dazu weiches, das im Mund zergeht, aber auch Festes mit Biss – zurück bleibt ein frischer Hauch.“ Und zurück bleibt auch der Appetit auf die Gourmetküchen der deutschen Hauptstadt.

Berliner Restaurants mit zwei Sternen:

Fischers Fritz
Lorenz Adlon
Reinstoff

Berliner Restaurants mit einem Stern:
Horvath
Margaux
Hartmanns
Die Quadriga
Facil
First Floor
Hugos
Weinbar Rutz
Vau

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