Rum und Piraten, ­ wie ein Getränk die Welt veränderte

„15 Mann auf des toten Manns Kiste, joho und ‘ne Buddel voll Rum“ – wer diese Zeilen aus dem Stevenson-Klassiker „Die Schatzinsel“ kennt, weiß, welches Gesöff die Piraten am liebsten tranken. In bester Seeräubertradition greift auch Johnny Depp als Kapitän Jack Sarrow in dem Kinohit „Fluch der Karibik“ mit Vorliebe zur Rumflasche.

Einst war es das Getränk der Piraten, Matrosen und Sklaven, heute ist der aus Zuckerrohr hergestellte Branntwein eine Gaumenfreude für Genießer. „Der Rum hat die Welt verändert“, erzählt der Wein- und Rumexperte Andreas Schwarz aus Preetz bei Kiel. Die Geschichte des Rums ist spannend wie eine echte Seeräuberpistole.

Die Rum-Historie ist eng mit der des Zuckers verbunden. Die aus Neuguinea stammende Zuckerrohrpflanze wurde seit dem 15. Jahrhundert von den großen Seefahrernationen wie Spanien oder Portugal in anderen tropischen Ländern kultiviert. „Nach der Entdeckung Westindiens hat Christoph Kolumbus die Pflanze in der Karibik eingeführt. Damals galt Zucker als kostbares Gewürz. Das wertvolle Gut wurde auf Plantagen angebaut“, so Schwarz.

„Abfallprodukt der Zuckergewinnung ist die Melasse, fängt diese an zu gären, entsteht eine alkoholhaltige Masse. „Dieser zufälligen Entdeckung verdanken wir den Rum, der früher allerdings nicht viel mit dem Getränk gemein hatte, das wir heutzutage kennen“, betont der Preetzer Fachmann. „Man betrachtete den Rum als Medizin, die geläufigste Bezeichnung war ‘Kill Devil’ – das Teugelszeug vertrieb jede Krankheit aus dem Körper. Und es half nicht nur dabei, die Menschen auf den Zuckerrohrplantagen bei ihrer schweren Arbeit bei Laune zu halten, sondern der Siegeszug des Rums war auch der Siegeszug der Kolonialherren, die den hochprozentigen Branntwein dazu einsetzten, die Urbevölkerung gefügig zu machen.

Eine üble Rolle spielte der Rum darüber hinaus in Zusammenhang mit dem Sklavenhandel. „Der Rum stand im Zentrum des unseligen Dreieckshandels: Schiffe fuhren von den karibischen Inseln mit Rum und Melasse nach England, wurden dort entladen, mit Fertigerzeugnissen bestückt und nahmen dann Kurs auf Afrika, wo sie die Waren gegen Menschen tauschten, die als Sklaven direkt in die Karibik verschifft wurden. Die Kolonialisten in Nordamerika haben dieses Prinzip nachgeahmt“, erläutert Andreas Schwarz. Und auch am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ist der Rum nicht ganz unschuldig. Unter anderem die Unzufriedenheit der Siedler über die vom Mutterland Großbritannien erhobenen Zölle auf den Rum-Rohstoff Melasse war 1773 Auslöser der berühmten „Boston Tea Party“, dem Auftakt des Unabhängigkeitskrieges.

In dieser Zeit eroberte das Getränk auch die Herzen der Seemänner. „Vor jeder Enterung – und vermutlich auch danach – war Rum Pflicht für Piraten und Freibeuter, denn so gestärkt stürzten sie sich umso hemmungsloser und verwegener in den Kampf.“ Selbst die britische Kriegsmarine hat noch bis 1971 an die Matrosen die tägliche Ration Rum ausgegeben. Eine Tradition mit Folgen: Weil der Rumgenuss im 18. Jahrhundert oft in Trunkenheit und Disziplinlosigkeit mündete, erfand der Vizeadmiral der Royal Navy, Edward Vernon, den Grog. Er ließ den Rum kurzerhand mit Wasser, Zucker und Limettensaft verdünnen. „Diese Maßnahme hat sich ausgezahlt. Denn als Nebeneffekt erkrankten englische Seeleute viel seltener an Skorbut, einer lebensbedrohlichen Vitamin C-Mangelerscheinung. Das hat zur britischen Überlegenheit auf den Weltmeeren beigetragen“, meint Schwarz.

Rum sorgte auch für einen wirtschaftlichen Boom. Hafenstädte wie Newport, Bordeaux oder Flensburg blühten auf. Die einst dänische Förderstadt profitierte übrigens von drei Karibikinseln, die die damalige Großmacht Dänemark besaß. St. Thomas, St. Croix und St. John lieferten den Rohstoff, der Flensburg zur europäischen Rum-Metropole aufstiegen ließ. Nicht für puren, sondern für Rum-Verschnitt ist die schleswig-holsteinische Stadt noch heute bekannt.

Als Grog wurde Rum bald in der englischen Aristokratie populär und stieg im 19. Jahrhundert zum Modegetränk auf dem Festland auf. Nicht zuletzt deshalb, weil man neue Verfahren zur Destilation erfand. Statt mit – für die zivilisierte Menschheit fast ungenießbaren – 70 Prozent wurde er mit 40 bis 43 Prozent Volumen produziert, so, wie Rum auch heute noch abgefüllt wird. „Die Verfeinerung des Herstellungsverfahrens hat Rum zu etwas ganz Besonderem gemacht. Kein anderer Drink übertrifft Rum an Sorten und Geschmacksnuancen. Im Rum gibt es eine ganze Welt zu entdecken“, schwärmt Schwarz.

Für den endgültigen Durchbruch sorgte schließlich die Cocktail-Kultur und 1862 ein gewisser Herr Don Facundo Bacardi. „Er hat als Erster in dem Bereich eine Marke keiert, die auch heute noch jeder Mensch kennt.“

Andreas Schwarz bezeichnet edle Spirituose als verkantestetes Getränk der Welt und räumt mit zwei Vorurteilen auf: „Rum ist kein Wintergetränk, das macht allein die Herkunft deutlich. Außerdem wird Rum pur genossen, nicht als Punsch, Cocktail oder im Tee – wie ein guter Whisky eben.“ Und wie guter Whisky oder Cognac reift auch Rum sieben bis 15 Jahre lang in alten Holzfässern. „Wer Rum genießen will, lässt sich Zeit, lässt ihn Schluck für Schluck auf der Zunge zergehen – am besten zum Chillout auf der Terrasse an einem milden Sommerabend“, empfiehlt Schwarz. Und wer nicht ohne Seefahrer-Romantik auskommt, greift statt zur Flasche „Havana Club“ zur Piraten-Marke „Captain Morgan“.

Rum hat Stil(e)
Rum wird in der Karibik, in Mittelamerika, Südamerika sowie den Philippinen, Australien, Madagaskar, Mauritius, Indien, Réunion und den Kanaren produziert. Das Spannende für Genießer: Rum gibt es heute in vier verschiedenen Stilen:

– den leichten Rum kubanischen Stils, der bei „Havana Club“ oder „Bacardi“ zu finden ist
– den schweren Potstil-Rum, der hauptsächlich aus Jamaika kommt und viele Gewürzträger enthält
– den mittelschweren Demerara, der von der Nordwestküste Südamerikas stammt und für seine schöne Süße bekannt ist
– Rhum, der auf den französischen Inseln (Martinique oder Guadeloupe) direkt aus Zuckerrohrsaft hergestellt wird

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