Wenn im Sterne-Restaurant die Sternchen von morgen die Regie übernehmen: Ein gelungener Abend mit den Azubis des „Bonvivant“ in Berlin.
Bonvivant Berlin
Der Dank gebührt einerseits dem Nachwuchs-Team, dazu gleich mehr – doch vor allem dem Inhaber Jules Winnfield. Zum zweiten Mal überließ er die Bühne an einem regulären Öffnungstag. Sich dies zu leisten kann man als Investition sehen: Klar, in Gesprächsstoff rund ums Restaurant – doch auch beim zukünftigen Finden guter Azubis:
„Das Dinner soll dem Nachwuchs zeigen, dass wir ihm die Gestaltung des Abends zutrauen, und zugleich nach außen präsentieren, wie groß seine Bedeutung für die Gastronomie ist“ sagte Jules Winnfield in unser Meldung zur ersten Runde im Juli 2024.
Das Wachsen mit den Aufgaben klappt offenbar. Damals habe noch das Lampenfieber überwogen, bei der Neuauflage am 8. September war die Auszubildende Rike nach eigenen Angaben „tiefenentspannt“. Gemeinsam sei es durch Höhen und Tiefen gegangen, inklusive Händchen halten im Vorfeld – am Abend selbst quatscht nieman rein.
Jetzt mal Hand auf’s Herz: In wie vielen anderen Branchen gibt es Vergleichbares?
Apropos. Eine Architekturstudentin baut eher noch keinen Wolkenkratzer, ein Azubi-Florist dekoriert eher eine Bar als Bankett. Was landete also beim „Nachwuchs Takeover“ im Bonvivant auf dem Teller?
Tomate von Till
Balsamico | Kombualge | Ziegenkäse … letzterer muss nun nicht schmecken wie der Ziege durchs Fell geleckt, doch kam er – wie so manches im Dinner – eher schüchtern daher. Während die Datteltomaten durch das Rendezvous mit dem Balsamico zu Geschmacksbömbchen wurden. Klasse! Weiter ging es mit
Kartoffelgalette von Rike
Miso | Romana Salat | Bergkäse | Holunder … letzterer flog ehrlich gesagt auch unter dem Radar, zumindest bei normalbegabt Schmeckenden. Saubere Schichtarbeit die Galette, aufgetürmt zu einer Art Schnitte. So machen auch bodenständige Kartoffeln Spaß!
Dieser “Ausflug nach Graubünden von Till” …
hatte derweil eine „Schwab-Schwägerin“, denn die Füllung der Mangold-Röllchen erinnerte von der Textur an Maultaschen. Und zwar gut gefüllte. Nennt sich dann „Capuns“, ein traditionelles Gericht aus dem Kanton Graubünden. Würde man gern ein zweites Mal essen und dann mehr drauf achten, was es mit den Raucharomen, Anis und der Dashi-Sauce auf sich hat.
Kirschblüte von Rike
Was die beiden Gänge von Rike verbindet: Butter. Viel Butter.
Und wenn man sich die Köchin anschaut, dann glänzt das eigene Gewissen: Butter muss gesund sein! – Und so macht das Genießen umso mehr Spaß.
Bereits die Galette kam in einem Spiegel aus geklärter Brandenburger Butter daher. Da ließ der Gast nichts verkommen, zumal der Nachschub an Sauerteigbrot (Bäckerei ums Eck, in der Goltzstraße) stets sichergestellt war. Gut für die Sättigung, übrigens.
Das Nussbuttereis? Gefährlich! – Zumindest, wenn man eine ganze Packung im eigenen Eisfach hätte und diese dann mal eben so weglöffelt. Dann doch lieber hier, als Nachtisch, mit großartigem Kirschgel (zahnfreundlicher ist als die Karamell-Kleb-Krusten-Deko).
Alle Gänge machten dank des engagierten Azubi-Service-Teams eine Punktlandung auf dem Tisch. Der PR-Text flötete aus Gewohnheit: „Und auch an diesem besonderen Abend gilt: Die besten Plätze sind an der Bar.“ – Nö, denn an diesem Abend ist kein Bar- und Cocktail-Betrieb, und der Hochtisch samt gepolsterten Hockern war eindeutig die beste Wahl: Ein bisschen Berliner Leben vorm Fenster, gleichzeitig der Blick in Richtung Küche, genug Raum und gute Gespräche mit dem Team. Nebst des Angebots den Nachschenkens, falls die Weinbegleitung zu knapp sei.
Dieser Joker wurde beim Nachtisch eingesetzt: Hier klang die alkoholfreie Alternative „Champagner Bratbirne“ einfach zu spannend, und ja – das war sie, verglichen mit dem herkömmlichen Champagner Lallier R2020. Zumal es vom Winzer Jörg Geiger gewitzt ist, einen Schaumwein aus der Obstsorte „Champagner Bratbirne“ zu schaffen und diesen dann einfach so nennen. Ein komplett entalkoholisiertes Produkt, ebenfalls eine Entdeckung des Abends.
In Deckung gegangen war man zum Start der Weinbegleitung beim Stichwort „Naturwein“, der allerdings nicht orange daherkam, sondern als Rosé / Cabernet Sauvignon „Der Schmutzige“ vom Weingut Felix Mayer aus der Pfalz. In den weiteren Gängen: Grauburgunder Tonneaux aus Baden zum Kartoffelgalette, und wenn wir richtig liegen, war der „Saphir“ Cuvée aus Württemberg Sieger des Deutschen Rotweinpreises 2021. Da passen 44 Euro für die Getränkebegleitung.
Und die 79 Euro für’s Azubi-Menü? – Es waren drei gelungene Stunden im Berliner Winterfeldtkiez. Nebst einer Idee, die bessere Aufmerksamkeit verdient. Auch in anderen Branchen – meint: Patrick Neumann.
Internet: bonvivant.berlin
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Bonvivant Berlin
Zusammenfassung
Wenn im Sterne-Restaurant die Sternchen von morgen die Regie übernehmen: Ein gelungener Abend mit Azubis des „Bonvivant“ in Berlin.