Molekulare Küche erobert deutsche Spitzengastronomie im Sturm – Teil 3

Ich möchte noch mal auf ein paar Gegenargumente eingehen, die sich mit meinen letzten Beiträgen zur molekularen Küche auseinandersetzen. Bei der Gelegenheit verweise ich zunächst aber noch mal auf das Buch “Verwegen kochen” in dem Heiko Antoniewicz und ich das Thema in aller Detailliertheit dargelegt haben. Diese Werbung in eigener Sache nehme ich mir doch glatt noch mal raus. Das Buch ist ja auch eine prima Geschenkidee. Mehr über das Buch im Archiv: www.kochmesser.de/archiv/2008-08/Molekulare-Techniken-von-Heiko-Antoniewicz_19573.html

Selbst der molekularer Anhängerschaft unverdächtigte Ullrich Fichtner schreibt auf Spiegel Online: “…. als ich in dem neuen Buch “Verwegen Kochen” geblättert habe, das jedem zu empfehlen ist, der wissen will, worum es eigentlich die ganze Zeit geht. Die Autoren sind der Koch Heiko Antoniewicz und der Journalist und “Kompottsurfer” Klaus Dahlbeck, ausgewiesene Fachleute alle beide, sie erzählen am Beginn noch einmal knapp und präzise, wie und warum es überhaupt zu El Bulli und Co. kommen konnte, und das allein ist sein Geld wert.”

zu den Argumenten:
1. Die Traditionsküche entfernt sich immer mehr von ihren Ursprüngen.
Welche Ursprünge? Geht es um die Küche vor Erfindung des ersten Backofens, des ersten Kühlschranks, der Herstellung des ersten Weizenmehls, der ersten Sahne, des ersten Raffinadezuckers?
Technologie war noch nie ein Feind der Haute Cuisine. Rückwärtsgewandtheit hat das Kochen dagegen zu keiner Zeit weitergebracht.

2. Künstliche Aromen
Es gibt keinen ernst zu nehmenden Koch aus der molekular inspirierten Avantgarde weltweit, der mit künstlichen Aromen aus der Industrie arbeitet. Das passiert dagegen aber in den meisten der als traditionell geltenden Eisdielen.

3. E-Nummern. Sie ersetzen, natürliche Stärke, Gelantine, Mehl. Die meisten dieser Hilfsmittel werden durch chemische oder physikalische Bearbeitung von Naturprodukten abgeleitet.

Bei dieser Argumentation müsste auch die Verwendung von Zucker, von Öl, Mehl und zahlreichen Gewürzen ausgeschlossen sein. Außerdem: Kochen ist immer (!) eine chemische und physikalische Bearbeitung von Naturprodukten. Bei vielen würde der Genuss ohne eine physikalische oder chemische Behandlung auf den Menschen sogar toxisch wirken. Wer würde schon rohe Bohnen oder Kartoffeln essen? Konsequent zu Ende gedacht, dürften wir nur noch reife Früchte direkt vom Baum zu uns nehmen. Dass Gelatine besser sein soll als Agar oder Johannisbrotkernmehl, nur weil es keine E-Nummer hat, ist für mich auch kein überzeugendes Argument. Es ist zudem eine ziemlich eurozentristische Auffassung. Die Tradition von Agar ist viel älter als die der Gelatine – wenn schon so oft die Tradition als Argument angeführt wird. Und warum soll ein backstarkes Weizenmehl unbedenklicher sein als das gelbildend wirkende Mehl aus dem vermahlenen Schotensamen des Karubenbaums? Eben.

In aller Regel nutzen molekular inspirierte Avantgardeköche mindestens unbedenkliche, oft sogar gesundheitsfördernde Texturgeber. Sehr wenige experimentieren mit Zutaten wie Transglutaminase, deren Verwendung allerdings mehr für die Köche als für die Konsumenten problematisch sein kann. Darüber ließe sich also im Einzelfall vielleicht streiten.

Was ich aber für unredlich halte, ist die Verortung der molekular inspirierten Küche in die Nahrungsmittelindustrie. Nicht nur die Motivation der beiden Gruppen, nämlich Qualitätsmaximierung versus Gewinnmaximierung, könnte unterschiedlicher kaum sein. Logischer Weise liegt auch die Qualität der verwendeten Grundprodukte Lichtjahre auseinander. Klaus Dahlbeck via http://blog.rewirpower.de/

Lesen sie auch die ersten beiden Teile der dreiteiligen Serie von Klaus Dahlbeck:
https://gourmet-report.de/artikel/23925/Molekularkueche-eroberte-deutsche-Spitzengastronomie-im-Sturm/
https://gourmet-report.de/artikel/23926/Molekularkueche-eroberte-deutsche-Spitzengastronomie-im-Sturm-Teil-2/

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