Bernd Spatzenegger – Die Energielüge

In der Vergangenheit hatte ich an dieser Stelle bereits mehrere Bücher vorgestellt, bisher immer mit deutlichem Bezug zur Kulinarik.

Es gibt aber weitaus bedeutendere Themen, die uns und unser Zusammenleben betreffen, so dass ich unseren bisherigen „Tellerrand“ verlasse und Sie gerne einmal zum Thema Energie, Energiewende, Klima, Klimawandel führen möchte. Mit meinen früheren Beiträgen zum Fahren eines Elektroautos hatte ich die Themen ja bereits angerissen.

Buchtitel (Foto: Bernhard Steinmann)

So stelle ich Ihnen heute gerne „Die Energielüge“ von Bernd Spatzenegger vor. Der Autor, geboren 1968, ist Projektmanager und Berater für Energieinfrastruktur, unter anderem zur Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien. Durch Tätigkeiten in ganz Europa konnte er die praktischen Auswirkungen der Energiewende sowie deren Zusammenhänge mit Wirtschaft, Politik und Klima aus nächster Nähe kennenlernen.

Buch: Die Energielüge

ISBN 9783711003256

328 Seiten 

ecoWing

Deutschland: 28.00 EUR 

Es war tatsächlich der Titel, der mich ansprach und mir suggerierte, dass hier mal kräftig mit den Vorgaben und Annahmen der Politik aus Bund und Europäischer Union aufgeräumt wird. Doch schon der Untertitel ordnete die Richtung des Buches ein. „Warum das Klimaziel eine Illusion ist und wie wir die Wende trotzdem meistern können.“

Wenn das mal keine Hoffnung auf einen weit realistischeren Umgang mit dem Thema macht als uns so manche Schlagwortgeber weismachen wollen.

Zunächst erfährt man viel über die Ursachen und Verursacher des Klimawandels. Was bedeutet es, wenn die vorgegebenen Klimaziele nicht erreicht werden? Was kann der Einzelne tun? Was kostet das Ganze? Das ist es doch, was uns interessieren sollte.

Die teils komplizierten Sachverhalte werden in einer für den Laien verständlichen Sprache dargestellt. Das macht das Buch, meiner Meinung nach, so besonders lesenswert.

Natürlich könnte ich noch viel mehr berichten und das Buch ausgiebig vorstellen, doch habe ich mir gedacht, ich lasse den Autor selbst zu Wort kommen. Bernd Spatzenegger war so freundlich mir einige Fragen zu beantworten. Dafür noch einmal an ihn meinen herzlichen Dank.

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Bernhard Steinmann (B.St.): Der Buchtitel  „Die Energielüge“ assoziiert deutliche Skepsis gegenüber staatlichen Einschätzungen und Vorgaben. Was hat Sie bewogen dieses Buch zu schreiben, das im Übrigen in einer erfreulich verständlichen Sprache komplizierte Sachverhalte erklärt.

Bernd Spatzenegger (B.Sp.): Ich sehe in meiner beruflichen Praxis täglich wie Industrieunternehmen und öffentliche Versorger versuchen einerseits für Versorgungssicherheit zu sorgen und andererseits Energie zu sparen und die CO2 Emissionen zu reduzieren. Das ist aufwändig, erfordert große Anstrengungen und die Ausschöpfung vieler knapper Ressourcen wie Personal, Finanzen und Rohstoffe. Schon am heutigen Niveau der Errichtung von Erneuerbaren Energien ist man nahe an den Kapazitätsgrenzen.

Bernd Spatzenegger (c) privat

Andererseits wird aus der Politik versprochen und in der Öffentlichkeit erwartet, dass ein Vielfaches der heutigen Aktivitäten umgesetzt wird. Der Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit, insbesondere zum zeitlichen Rahmen, der vermittelt wird, ist so groß, dass es mich bewogen hat, meine Gedanken dazu niederzuschreiben.

Begonnen habe ich damit bereits vor der gegenwärtigen Energiekrise. Im Laufe der Zeit haben sich dann viele weitere, eng damit zusammenhängende Themen ergeben und so ist das Buch entstanden.

B.St.: Wie kritisch sehen Sie Vorgaben wie „…ab 2035 muss dies beendet werden, ab 2050 muss jenes erreicht sein.“ Was sollen starre Zeit- und Grenzvorgaben bewirken?

B.Sp.: Ohne einen Zeitrahmen wäre alles nur „heiße Luft“. Dennoch sehe ich die starke Fixierung auf bestimmte Technologien und Zeitpunkte sehr kritisch. Die Politik in Deutschland und Österreich wirkt oft wie getrieben von den selbst erzeugten unhaltbaren Erwartungen. Ich glaube nicht, dass Politiker und Gremien heute wissen, was in 10, 20 oder 30 Jahren die besten Lösungen sind. Ich denke, die besten Lösungen kommen aus einer Kombination von etwas Druck, einem groben Rahmen und viel Freiheit für Innovation.

B.St.: Beim Thema Klimaschutz wird rasch in Gut und Böse unterteilt. Werden die Menschen beispielsweise in Deutschland und Österreich überhaupt ausreichend informiert oder nur mit Schlagwörtern und politischen Theorien versorgt?

B.Sp.Es ist richtig, es wird sehr gerne in Gut und Böse unterteilt und manchmal mag das auch stimmen. Das Thema der Energie und des Klimawandels hat jedoch sehr viele Einflussfaktoren. Ich denke es ist für den Einzelnen nicht leicht einen Überblick zu gewinnen, darum haben Schlagwörter und politische Theorien oft so viel Erfolg.

Ich habe versucht in meinem Buch die Zusammenhänge einfach und verständlich darzustellen: Energiesparen ist einer der Kernaspekte – aber nicht vorrangig in der Art, wie es oft vermittelt wird, nämlich über das Zurückdrehen der Heizung um 2 Grad, oder das Reduzieren des Fleischkonsums. Das sind durchaus wichtige Themen, aber der bei weitem überwiegende Teil der Energieeinsparungen muss über Investitionen erzielt werden. Im Wohnbereich in Dämmung, besseres Bauen und Heizsysteme, in der Mobilität über Elektrifizierung und Umstellung auf CO2-arme Treibstoffe, in der Industrie über die Elektrifizierung von Prozessen und den Einsatz von Wasserstoff, in der Produktion über Investition in die Kreislaufwirtschaft und die sparsamere Verwendung von Rohstoffen. Und dann kommt noch der große Sektor der Energieherstellung hinzu, mit Windkraft, Photovoltaik, Biomasse, Geothermie, dem Wasserstoff, teilweise auch Carbon Capture und in einigen Ländern der Atomkraft.  

B.St.: Zwar bin ich Fahrer eines Elektrofahrzeuges dennoch frage ich mich, ist es klug das Verbrennerauto mit E-Fahrzeugen einseitig zu ersetzen anstatt Vielfalt und Einfallsreichtum der Autobauer zu nutzen?

B.Sp.: Ich halte wenig von strikten Technologievorgaben, insbesondere wenn beim Elektroauto nur der Emissionsfreie Fahrbetrieb betrachtet wird, nicht jedoch der ganze Lebenszyklus von der Batterieherstellung über die Stromherstellung und die Entsorgung oder das Batterierecycling. Ich denke Menschen sind innovativer, wenn man ihnen den richtigen Rahmen vorgibt: Wir haben das Instrument des CO2-Emissionshandels. Konsequent angewendet wäre es meiner Meinung nach, der bessere Ansatzpunkt.

Ich denke, dass sich die Elektromobilität auch ohne Zwang in weiten Bereichen durchsetzen würde, da sie deutlich energiesparender ist als die Alternativen. 

B.St.: Ist ein E-Auto überhaupt erstrebenswert im Sinne des Klimaschutzes wenn der Strom aus Kohle oder Gas gewonnen wird?

B.Sp.:Dazu gibt es für jeden Standpunkt eine Studie. Meine Erkenntnis ist, dass das Elektroauto in einer Lebenszyklusbetrachtung schon dann sinnvoll ist, wenn man einen größeren Teil des Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnt. Würde der Strom nur aus Kohle gewonnen bezweifle ich die Sinnhaftigkeit.  

B.St.: Ein Aspekt der Veränderung des Klimas, sei es nun natürlichen Ursprungs oder menschengemacht, ist die Migration. Die Flucht vor Klimaveränderungen findet bereits statt und wird sich ausweiten, Welche Lösungsmöglichkeiten sind hier angedacht?

B.Sp.: Migration ist so gut wie nie nur das Resultat von Klimaveränderung. Da kommen viele Aspekte zusammen. Das Bevölkerungswachstum auf ohnehin schon beengtem Lebensraum mit fehlenden landwirtschaftlichen Flächen, unzureichende Vorsorge gegen Extremwetterereignisse aufgrund von Armut oder Misswirtschaft. Politische Instabilität, mangelnde wirtschaftliche Perspektiven und vieles mehr. An diesen Punkten muss man ansetzen. Doch das ist eine schwierige Gratwanderung zwischen neuem Kolonialismus und der Akzeptanz von Kulturunterschieden.

B.St.: Nun wissen wir, dass der menschengemachte Klimawandel oder die  Energiewende nicht das Problem nur eines Landes ist. Müssen wir nicht berücksichtigen, dass andere Länder in ihrer Entwicklung noch aufholen müssen um ebenso wie wir Wohlstand zu generieren. Oder ist alles ebenso wie die Klimakonferenzen nur eine Frage des Geldes?

B.Sp.:China hat die Klimaneutralität für 2060 im Zeitplan, Indien für 2070. Zusammen sind sie heute schon für etwa 40% der weltweiten Emissionen verantwortlich. Mindestens sieben von acht Milliarden Menschen auf der Welt haben den Klimawandel nicht ganz oben auf ihrer Prioritätenliste. Nahrung, Wohnen, Gesundheit, Ausbildung und bescheidener Wohlstand sind weiter vorne angesiedelt, obwohl der ärmere Teil der Welt überproportional betroffen ist. Daher kann unsere Vorreiterrolle auch nicht bedeuten, dass wir der Welt zeigen, dass wir mit ganz viel Geld dauerhaft teure Technologien bei uns oder im „globalen Süden“ subventionieren können, um CO2 zu vermeiden. So wird uns die Welt nicht folgen. Wir müssen der Welt zeigen, dass man gleichzeitig Emissionen vermeiden kann und trotzdem Wohlstand schaffen und erhalten. Das geht nur durch Innovation und Kreativität, Energiesparen, Kreislaufwirtschaft und den Einsatz vieler der schon erwähnten Technologien. Dann haben wir eine Chance, dass uns auch arme Länder folgen.

Und wir müssen uns vorbereiten auf die Klimaveränderung: Wasserversorgung, Schutz vor Umweltereignissen: Hochwasser, Trockenheit, Instabilität der Berge, Permafrost, Ansteigen des Meeresspiegels.

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