Bequemlichkeit und Sicherheit vor Umweltschutz

Studie der HNE Eberswalde zeigt: Trotz Digitalisierung druckt die Mehrheit deutscher Reisender ihre Tickets aus. Ab einem Alter von 35 Jahren sinkt der Anteil der digitalen Check-ins gewaltig – aus Angst, mobile Geräte könnten im entscheidenden Moment versagen oder die eigenen Daten nicht sicher sein. Der Ausweg: mehr Kommunikation zur Gültigkeit und Sicherheit digitaler Tickets.

Urlauber: Nicht ohne ausgedrucktes Ticket am Flughafen

Die deutliche Mehrheit deutscher Reisender nimmt ihre Tickets in Papierform mit auf die Reise. Eine Umfrage der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde unter 200 Deutschen im Alter von 18 bis 65 Jahren zeigt, dass mehr als zwei Drittel der Befragten sich für den Ticketausdruck statt für digitale Tickets entscheiden: 74 Prozent der Befragten drucken Bahntickets aus, 70 Prozent Flugtickets und 65 Prozent Fernbustickets. Am zweithäufigsten werden für die Ticketdarstellung Apps genutzt, vor allem für Reisen mit dem Fernbus (25 Prozent).

Hauptgrund für das starke Vertrauen ins Papier ist vor allem fehlendes Vertrauen in die Technik: Fast 50 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten Sorge, ihr technisches Gerät mit dem digitalen Ticket könnte bei der Kontrolle nicht funktionieren, außerdem sehen 42 Prozent den Datenschutz auf Papier besser gewahrt. Auch Prozessgründe werden genannt: Rund 25 Prozent der Befragten sagten, Reisekostenabrechnungen oder Steuererklärungen machten die Papierform notwendig. Eine klare Rolle spielt zudem die digitale Unkenntnis: 18 Prozent sind sich nicht sicher, ob ihr Ticket in digitaler Form gültig ist, zwölf Prozent wissen nicht, wie ein digitales Ticket funktioniert.

„Im Grunde lässt sich die Vorliebe für Ausdrucke insgesamt auf fehlendes digitales Wissen oder zumindest auf digitale Unsicherheit zurückführen“, sagt Dr. Claudia Brözel, Professorin für Tourismusmanagement an der HNE Eberswalde und Leiterin der Studie. „Zum Beispiel sind Wartebereiche in Flughäfen und Bahnhöfen sowie Sitzplätze in Bahnen und Fernbussen inzwischen sehr oft mit Steckdosen ausgestattet, eben damit die Akkus zur Fahrkartenkontrolle funktionieren. Finanzämter wie auch moderne Geschäftsreisesysteme erlauben zudem die komplett papierlose Abwicklung von Reisekostenabrechnungen.“ 

„Es stellt sich die Frage, ob die Gründe für das Ausdrucken nicht auch bei den Kunden und ihrer Bequemlichkeit liegen: Die gewohnte Zone der Sicherheit zu verlassen und rein technologische Bestätigungen zu nutzen erfordert Offenheit und Wissen“, ergänzt Thomas Pribbenow, Co-Autor der Studie.

„Und was den Datenschutz angeht“, so Claudia Brözel weiter: „Die meisten Befragten buchen online und haben dennoch Datenschutzbedenken gegen digitale Ticketformate zum Beispiel in Apps – es wird angenommen, dass die Apps unerwünschter Weise eine Fülle an 

Daten sammeln. Dagegen helfen PDF-Dateien auf dem Tablet oder Mobiltelefon, sie sind per Scanner lesbar und daher ohne Einschränkung gültig.“

Weitere Ergebnisse der Studie:

  • Je älter, desto Ausdruck: Ab dem Alter von 35 Jahren sinkt der Anteil derer, die ihre Tickets digital vorzeigen. Die Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen weist sich zu 63 Prozent (gesamt über alle Verkehrsmittel) mit einem Ausdruck aus. Die Altersgruppe 34 bis 55 Jahre druckt zu 71 Prozent aus, die Gruppe 55+ zu 76 Prozent. Diese Altersklasse zeigt auch die größten Datenschutzbedenken: Hier gab jeder zweite Befragte diesen Grund für das Ausdrucken an.
  • Wertigkeit und Komplexität begünstigen das Ausdrucken: Mit dem Preis einer Reise steigt das Sicherheitsbedürfnis. Ausdrucke kommen diesem Bedürfnis entgegen – daher steigt mit dem Reisepreis der Anteil der Papiertickets. Und: Wenn es um den reinen Transport von A nach B geht, werden eher digitale Ticketformen gewählt. Sobald eine Kombination ins Spiel kommt (Flug plus Mietwagen, Pauschalreise), steigt die Komplexität – und der Umgang mit Ausdrucken erscheint einfacher.
  • Analog ist bequemer: Wer einmal alles ausdruckt und ordnet, braucht keine weitere Organisation – es muss lediglich geschaut werden, ob die gebündelten Unterlagen in der Tasche sind. Sie werden dann auch als Bündel vorgelegt.
  • Übung macht digitale Meister: Je häufiger ein Verkehrsmittel genutzt wird, desto häufiger wird das Ticket digital vorgelegt. Das zeigt sich am Beispiel des Flugzeugs: Ab fünf Flügen in zwölf Monaten legt nur noch jeder dritte Fluggast das Ticket ausgedruckt vor. Und: Werden Reisen online gebucht (per App oder über eine Website), sinkt die Zahl der Ausdrucke insgesamt deutlich – für alle Verkehrsmittel.

„Im Jahr 2018 wurden laut ReiseAnalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen in Deutschland 126,9 Mio. Reisen mit vorab gebuchten Bestandteilen unternommen – der Papierberg der ausgedruckten Unterlagen lässt sich nur schätzen“, sagt Prof. Dr. Claudia Brözel. „Allerdings zeigt unsere Studie nicht nur das Problem, sondern belegt auch die Lernfähigkeit der Reisenden. Kommunikation und Information sind daher die Schlüssel zu weniger Ausdrucken und mehr Digitalisierung, also zu schlankeren Prozessen und weniger Abfall.“

Die Autoren schlagen daher drei Maßnahmen vor:

  • Gültigkeit betonen: Reiseanbieter sollten auf die Gültigkeit digitaler Tickets explizit und deutlich sichtbar hinweisen – und zudem die Vorteile hervorheben.
  • Weg weisen: Buchungsbestätigungen könnten künftig eine Schritt-für-Schritt-Anleitung dafür enthalten, wie sich das Ticket auf einen digitalen Speicher laden lässt.
  • Sicherheit versichern: Gleichzeitig hilft ein Hinweis darauf, dass alle Daten zur Not auch ohne Ticketvorlage von Schaffnern oder am Check-in-Schalter aufgerufen werden können, solange sich die Reisenden die Buchungsnummer notieren. In vielen Fällen kann man beim Check-in auch mit einem vorgelegten Ausweisdokument auf die Buchung zugreifen. Nutzer müssen sich also keine Gedanken über technische Notfälle machen. 

Zur Studie 

  • Die Studie entstand im Rahmen des Moduls „Grundlagen der empirischen Markt- und Sozialforschung“ im Masterstudiengang Nachhaltiges Tourismusmanagement an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und wurde im Dezember 2018 entwickelt und umgesetzt. 
  • Der quantitative Teil umfasste einen Fragebogen, den insgesamt 200 Befragte im Alter von 18 bis 65 Jahren über ein Online-Panel ausgefüllt haben. 
  • Im qualitativen Teil wurden 15 Interviews von jeweils etwa fünf Minuten Dauer mit typischen Vertretern der Zielgruppe geführt, die per Zufallsprinzip auf der Straße rekrutiert wurden. 
  • Im Mittelpunkt der quantitativen Befragung standen die Verkehrsmittel Flugzeug, Bahn und Fernbus bei Reisen von mind. 4 Nächten ohne dezidierten Fokus auf Pauschalreisen oder individuell geplante Reisen.

Autoren der Studie: 

Prof. Dr. Claudia Brözel ist seit März 2012 Professorin für Tourismusökonomie, Digitale Transformation und Marketing an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNEE) im Studiengang Nachhaltiges Tourismusmanagement. www.hnee.de/cbroezel

Thomas Pribbenow M.A. ist studierter Sozialökonom und arbeitet aktuell als Senior Researcher bei finleap, Europas größtem Entwickler von Fintech-Unternehmen. Nach seinem Studium hat TP bei verschiedenen Agenturen gearbeitet und Kunden vor allem zum Thema Customer Experience beraten unter dem Einsatz sämtlicher qualitativer und quantitativer Methoden. Pribbenow lehrt seit 2013 regelmäßig im Studiengang NTM im Modul Methoden der empirischen Sozialforschung.

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