Fördern Fertiggerichte Multiple Sklerose?

Die Ursache, wieso sich bei Multipler Sklerose das Immunsystem gegen die eigenen Nervenzellen wendet, ist bisher noch nicht geklärt. Aber es wird vermutet, dass wahrscheinlich eine Kombination aus Genetik und Umweltfaktoren einen Einfluss darauf hat.

In den vergangenen Jahren wurde als einer dieser Einflüsse immer wieder die Ernährung diskutiert. Was wir essen könnte sowohl auf die Entstehung als auch auf den Verlauf einer MS-Erkrankung Einfluss haben. In den letzten Jahrzehnten hat in bestimmten Teilen der Welt die Zahl an MS-Patienten deutlich zugenommen. Die Zunahme ist so stark, dass sie sich nicht nur durch verbesserte Diagnostik erklären lässt. Bei der Betrachtung, worin sich Länder mit einer Zunahme an MS-Diagnosen von anderen Ländern unterschieden, kamen die Forscher auf die Ernährung. Im Blick hatten sie dabei Fertigprodukte und Fast Food. Könnte die durch solche Produkte erhöhte Aufnahme von Salz zum Entgleisen des Immunsystems beitragen?

Fertiggerichte

Um diesen Zusammenhang zu untersuchen, arbeiteten Forscher mit speziellen Zellen und dem Mausmodell für MS. Mäuse, die spezielle Eiweiße gespritzt bekommen, entwickeln eine Art künstlich hervorgerufene MS, die experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE).

Sowohl in den Experimenten mit menschlichen Immunzellen als auch bei den Mäusen zeigte sich, dass viel Salz einen Einfluss auf das Immunsystem hat. Die Forscher beobachteten, dass viel Salz bestimmte Zellen des Immunsystems vermehrt aktivierte, die T-H17-Zellen. Dieser spezielle Typ von T-Helferzellen wird mit der Entstehung von Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang gebracht – also Krankheiten bei dem sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet, wie z. B. MS. Bei den Mäusen zeigte sich, dass Tiere, die zuvor eine sehr salzhaltige Kost erhalten hatten, stärkere Symptome entwickelten. Die Ergebnisse schienen die Überlegungen der Forscher zu bestätigen. Jedoch war es weiterhin unklar, ob sich diese Vorgänge auch auf den Menschen übertragen ließen.

Die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2015 deuteten dann darauf hin, dass bei MS-Patienten mit einem mittleren oder hohen Salzkonsum die Anzahl der Schübe höher lag, als bei solchen mit geringem Salzkonsum. Neuere Studien wiederum fanden keinen Zusammenhang.

Dieses Jahr werteten Forscher Daten von Teilnehmern einer Langzeitstudie aus. An der BENEFIT-Studie haben 465 Patienten teilgenommen, die ein sogenanntes klinisch isoliertes Syndrom (CIS) aufwiesen. Darunter versteht man das erstmalige Auftreten von schubförmigen neurologischen Symptomen durch eine lokale Entzündung, die Nerven schädigt, ohne dass eine MS bereits sicher diagnostiziert werden kann. Es kann sich um den Beginn einer MS handeln, muss es aber nicht unbedingt.

Im Rahmen von BENEFIT wurde untersucht, ob es Vorteile hat Menschen mit CIS sofort mit MS-Medikamenten zu behandeln oder erst einmal abzuwarten, ob eine MS-Diagnose bestätigt werden kann. Die Teilnehmer wurden danach jahrelang weiter beobachtet. Über einen Zeitraum von fünf Jahren im Anschluss an die Studie gaben die BENEFIT-Teilnehmer etwa alle vier Monate eine Urinprobe ab. Der Salzgehalt in den Proben ließ Rückschlüsse darauf zu, wie salzhaltig sich der jeweilige Teilnehmer ernährt hatte.

Die Auswertung der Daten deutet bei dieser Studie darauf hin, dass Salz anscheinend keinen Einfluss darauf hat, dass sich aus einem CIS eine Multiple Sklerose entwickelt. Auch fanden die Forscher keinen Zusammenhang zum Verlauf einer auf das CIS folgenden MS-Erkrankung. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch andere Forscher aus Harvard. Sie werteten Fragebögen zur Ernährung von Teilnehmern einer der größten Studienreihen zu chronischen Erkrankungen bei Frauen aus (NHS-Studien) und konnten keine Verbindung zwischen einer salzreichen Ernährung und einem höheren Risiko, an MS zu erkranken, finden.

Die Forschungsergebnisse weisen damit bisher in verschiedene Richtungen. Ob Salz nun einen Einfluss auf die Entstehung oder Entwicklung hat, wird weiter erforscht werden müssen. Nichtsdestotrotz kann ein Zuviel an Salz in der Ernährung schlecht für die Gesundheit sein und schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Daher schadet es grundsätzlich nicht, den eigenen Salzkonsum einmal zu überprüfen.

Referenzen:

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Fitzgerald KC, Munger KL, Hartung HP, Freedman MS, Montalbán X, Edan G, Wicklein EM, Radue EW, Kappos L, Pohl C, Ascherio A; BENEFIT Study Group. Sodium intake and multiple sclerosis activity and progression in BENEFIT. Ann Neurol. 2017 Jul;82(1):20-29. doi: 10.1002/ana.24965.

Zellstudie: Wu C, Yosef N, Thalhamer T, Zhu C, Xiao S, Kishi Y, Regev A, Kuchroo VK. Induction of pathogenic TH17 cells by inducible salt-sensing kinase SGK1. Nature. 2013 Apr 25;496(7446):513-7. doi: 10.1038/nature11984.

Mausstudie: Markus Kleinewietfeld, Arndt Manzel, Jens Titze, Heda Kvakan, Nir Yosef, Ralf A. Linker, Dominik N. Muller, and David A. Hafler. Sodium Chloride Drives Autoimmune Disease by the Induction of Pathogenic Th17 Cells. Nature. 2013 Apr 25; 496(7446): 518–522. doi: 10.1038/nature11868.

Studie mit Zusammenhang: Mauricio F Farez, Marcela P Fiol, María I Gaitán, Francisco J Quintana, Jorge Correale. Sodium intake is associated with increased disease activity in multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2015 Jan;86(1):26-31. doi: 10.1136/jnnp-2014-307928.

Havard-Studie: Cortese M, Yuan C, Chitnis T, Ascherio A, Munger KL. No association between dietary sodium intake and the risk of multiple sclerosis. Neurology. 2017 Sep 26;89(13):1322-1329. doi: 10.1212/WNL.0000000000004417.

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