Die Sojabohne

Sie ist die Klassenbeste, die Streberin, die alles kann und
die trotzdem jeder mag. Wenn sich Landwirte, Ernährungsberater und
Lebensmitteltechnologen gemeinsam eine perfekte Nutzpflanze basteln
könnten, es würde die Sojabohne dabei herauskommen. Denn die
unscheinbare Hülsenfrucht lässt sich ohne zusätzlichen Stickstoff
anbauen und liefert mit einem Anteil von 40 Prozent mehr Eiweiß als
jede andere Pflanze.

„Selbstverständlich“ ist das Eiweiß des Klassenprimus Soja mit
seiner nahezu perfekten Zusammensetzung aller Aminosäuren ideal für
die menschliche und tierische Ernährung. Doch damit nicht genug. Im
Gegensatz zu ihrer meist fettfreien Verwandtschaft enthält sie
außerdem über 20 Prozent Öl, natürlich mit vorbildlichem
Fettsäuremuster, außergewöhnlich hohe Mengen an wertvollem Vitamin
E und bis zu 35 Prozent leicht verwertbare Kohlenhydrate. Komplettiert
wird das Traumpaket an nützlichen Inhaltsstoffen durch einen
ungewöhnlich hohen Gehalt an Lecithin, einer Gruppe von Verbindungen,
die als Emulgator für die Lebensmittelindustrie unverzichtbar sind.
Mit anderen Worten: Die Sojabohne ist das perfekte Lebensmittel.

Das hat man in Ostasien schon vor fast 5.000 Jahren gewusst und die
Sojabohne hier erstmals angebaut, um sie als Tofu, Miso oder Tempeh zu
genießen. Erst im Zuge der Industrialisierung konnten auch Amerikaner
und Europäer der fernöstlichen Bohne etwas abgewinnen – allerdings
nur als billige und gut sättigende Speise für Fabrikarbeiter. Dieses
Muster setzte sich auch in den Weltkriegen fort, wo viele
Nahrungsmittel für die Soldaten mit Soja als billige
Eiweißergänzung gestreckt wurden. Zur Berühmtheit gelangten dabei
die Pemmikan-Landjäger, die reichlich Sojamehl enthielten, und vor
allem beim Überfall in Polen zum Einsatz kamen. In amerikanischen
Medien sprach man deshalb sogar von der „Nazi-Bohne“ und „Soja
für den Blitzkrieg“.

Heute, in Zeiten veganer Lebensweise, hat sich der Ruf der Bohne
deutlich verbessert. Sie gilt als vollwertiges, sehr gesundes und
sogar leckeres Lebensmittel. Entsprechend groß ist die Nachfrage. Vom
Tofuschnitzel bis zum Latte Macchiato gibt es kaum ein Lebensmittel,
das nicht auf Sojabasis verfügbar ist. Trotz dieses Booms werden
nicht einmal drei Prozent der weltweiten Sojaernte für die
menschliche Ernährung genutzt. Denn Soja ist vor allem eines: Ein
ideales Eiweißfuttermittel für die moderne Tiermast. Weltweit werden
Rinder, Schweine und Hühner mit billigem, überwiegend gentechnisch
verändertem Sojaschrot gefüttert, das vor allem aus den USA und
Südamerika stammt. Die Anbaufläche ist inzwischen auf über 110
Millionen Hektar angewachsen, das entspricht der dreifachen Größe
Deutschlands. Dafür werden in Südamerika immer noch Urwälder und
Savannen in Äcker umgewandelt.

Doch zumindest in Europa denkt man derzeit um, die Anbauflächen in
traditionellen Anbauländern wie Italien, Serbien oder Rumänien
wachsen wieder. Und selbst in Deutschland, das lange Zeit als
ungeeignet für den Anbau galt, verzeichnete man 2015 eine
Rekordanbaufläche von 17.000 Hektar. Obschon akzeptabler Erträge ist
das jedoch nur ein Anfang. Denn um die derzeit importierten Mengen
für die Tiermast zu ersetzen, müssten deutsche Bauern den Sojaanbau
auf 2,3 Millionen Hektar ausdehnen.

/Jürgen Beckhoff,/ www.aid.de

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