Neue DLG-Studie: Was wollen wir essen?

Neue DLG-Studie: Was wollen wir essen?
 
Gibt es für jede Lebensphase das passende Produkt, und ist das überhaupt gewünscht? – Ergebnisse einer tiefenpsychologische Studie in Zusammenarbeit mit dem rheingold institut in Köln
 
Produkte, die auf die Bedürfnisse der Verbraucher zugeschnitten sind, haben das größte Potenzial auf dem Markt. Die Ansprüche der Konsumenten unterscheiden sich jedoch erheblich. Dabei spielen nicht allein individuelle Bedürfnisse eine Rolle, nicht allein das Alter, die Herkunft, die Sozialisation oder individuelle Vorlieben. Auch gesamtkulturelle Entwicklungen und Trends verändern die Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen an Ernährung und Nahrungsmittel. Bei genauem Hinsehen lässt sich feststellen, dass sich auch Lebensphasen bzw. Übergänge von einer Phase in die nächste, auf die Ernährungsgewohnheiten auswirken können. Gibt es aber für jede Phase das passende Produkt? Die Ergebnisse der Studie sagen Nein. Ein expliziter Bezug auf spezifische Lebensabschnittsthemen ist für die Verbraucher kein relevantes Kriterium, wenn es um den Kauf von Lebensmitteln geht.
 
Ergebnisse im Überblick:
·        Verbraucher plagt die latente Sorge, sich „falsch“ zu ernähren, bzw. den gesellschaftlichen Ansprüchen nicht zu genügen.
·        Biographische Phasenwechsel sind zwar mit Umstellungen auch der Ernährungsgewohnheiten verbunden, dazu braucht es aber aus Verbrauchersicht keine „phasenspezifische Spezialprodukte“. Das bestehende Angebot ist vielfältig genug.
·        Allerdings verändert sich das gelebte Versorgungssystem und der persönliche Ernährungsstil nach lebensgeschichtlichen Umbrüchen bzw. Phasenwechsel (z.B. „versorgt werden durch die Eltern“, „Loslösung aus der elterlichen Versorgung“, „Partnerschaft“, „Elternschaft, kleine Kinder“, „Best Ager“).
·        Verbraucher haben Probleme, sich vorzustellen, über welche konkreten Produkteigenschaften eine glaubhafte, nachvollziehbare Differenzierung nach Lebensphasen bei Lebensmitteln erfolgen könnte.
·        Der moderne Konsument sträubt sich gegen die Vorstellung auf die Zugehörigkeit zu einer Lebensphase reduziert zu werden. Er möchte zumindest optional alles sein können, sich jederzeit verändern und verwandeln können. Die Abneigung gegen eine Festlegung auf „alte“ Rollenmodelle zeigt sich gerade bei der älteren Generation.
·        Grundlegende Problematik der Zielgruppendenke anhand soziodemographischer Merkmale: Derart definierte Zielgruppen erlauben kaum noch sichere Rückschlüsse auf das tatsächliche Kauf- und Entscheidungsverhalten der Konsumenten. Der Kauf eines Produktes hat meist wenig mit Soziodemographie als mit kontextabhängigen Verfassungen und Gestimmtheiten zu tun.
 
Das rheingold Institut in Köln ist im Auftrag der DLG in einer qualitativen Verbraucherstudie der Frage nachgegangen, wie stark spezifische Lebensabschnitts-Themen bei Verbrauchern die grundlegenden Erwartungen und Ansprüche im Bereich Lebensmittel beeinflussen. Und welche spezifischen Lebensabschnitts-Themen sich überhaupt identifizieren lassen.
 
Im Rahmen der Studie wurden 50 Verbraucherinnen und Verbraucher in jeweils zweistündigen ,face-to-face Interviews‘ zu ihrer aktuellen Ernährungswirklichkeit, aber auch zu ihrer Ernährungsbiographie psychologisch vertiefend befragt. Dies wurde flankiert durch ein ,Consumption Diary‘, in dem die Befragten über eine Woche lang Tagebuch darüber führten, in welchen konkreten Situationen und unter welchen Rahmenbedingungen sie welche Lebensmittel konsumierten. In der Stichprobe wurden unterschiedliche, relativ pragmatisch gefasste ,Lebensphasen‘ berücksichtigt.
 
Der moderne Ernährungsalltag fordert schnelle, aber gesunde Produkte
Heute findet Ernährung zunehmen dann statt, wenn sich spontan ein Zeitfenster im Alltag auftut. Das gilt auch für ältere Generationen. Das hat Folgen für die Auswahl der Lebensmittel. Was zu sperrig ist, in der Zubereitung zu komplex oder zeitaufwändig hat es heutzutage schwer. Von dieser Entwicklung profitieren alle Convenience-Angebote. Schnelligkeit allein ist aber nicht genug. Die Verbraucher suchen nach Lösungen, die ihnen das Gefühl geben, den modernen Ansprüchen an „gesunde Ernährung“ gerecht zu werden. Zentrale Begriffe sind Frische und Ausgewogenheit. Ein weiteres wichtiges Thema ist punktgenaue Dosierbarkeit von Lebensmitteln, zum Beispiel kleine Packungsgrößen, Wiederverschließbarkeit, „Kammersysteme“ und die Möglichkeit einer portionsweisen Entnahme. Aus den Ergebnissen lässt sich die These formulieren: Im modernen Ernährungsalltag braucht man Produkte, die als schnelle, taktische „Eingreiftruppe“ punktgenau eingesetzt werden können.
 
Trend-Thema Regionalität
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Je voller die Regale, je variantenreicher das Angebot, desto dankbarer sind die Verbraucher für Produkte, die ihnen die Orientierung leicht machen. Zumal viele Verbraucher sich nach einem Gefühl von mehr Transparenz und „Ehrlichkeit“, Authentizität und klaren „Verhältnissen“ im Food-Sektor sehnen. Vor diesem Hintergrund kommt der Informationsgestaltung auf der Verpackung eine zentrale Bedeutung zu. Ein Trend-Thema wie „Regionalität“ greift dabei die latente Sehnsucht der älteren wie der jüngeren Konsumenten nach Überschaubarkeit und Vertrauen auf.
 
Kaufentscheidung weitestgehend unabhängig von Alter oder Lebensphase
Für jede Lebensphase das passende Produkt – es wäre schön, wenn das funktionieren würde. Doch wäre es das wirklich? Die Studienergebnisse zeigen mehr Risiken als Chancen. Die befragten Verbraucher erleben entsprechende Überlegungen mehr als persönliche Einengung denn als Zugewinn. Die Vision, sich zukünftig im Supermarkt dazu genötigt zu fühlen, seinen Einkaufswagen lebensphasengerecht zu befüllen, ist ihnen unangenehm, ja sie verweigern sich diesem Gedanken regelrecht.
 
Die Überlegungen, lebensphasenabhängige Lebensmittel anzubieten, folgt letztlich einem klassischen Zielgruppen-Denken, das heute mehr Probleme denn je aufwirft. Es geht davon aus, dass Menschen, die bestimmte soziodemographische Merkmale teilen, auch in ihren Kaufentscheidungen weitgehend konform sind – was natürlich voraussetzt, dass diese Merkmale die Kaufentscheidungen des Einzelnen determinieren und quasi vorhersagbar machen. Die vorliegende Untersuchung gibt aber Einblicke in eine Realität, in der die relevanten Faktoren für Kaufentscheidung völlig unabhängig und oft konträr zu Merkmalen wie Alter oder Lebensphasen verlaufen. Und in der Kaufentscheidung durch teils unbewusste Selbstentwürfe und Verwandlungswünsche der Konsumenten bestimmt sind. Heute mehr denn je und von Menschen unterschiedlichster Altersstufen.
 
Die Zusammenfassung der Studie ist erhältlich bei: als Download unter: http://www.dlg.org/aktuelles_ernaehrung.html?detail/dlg.org/4/1/6250

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