Europäischer Gerichtshof stärkt die Rechte von Flugreisenden

Generalanwalt Yves Bot, Mitglied des Europäischen Gerichtshofs, stärkte gestern in einer öffentlichen Stellungnahme, dem sogenannten Schlussantrag, die Rechte von Reisenden bei Flugverspätungen. Zuvor hatten einzelne Airlines die bisher geltende Regelung in Frage gestellt und den Europäischen Gerichtshof um eine erneute Überprüfung des Urteils zur Zahlung von Ausgleichsansprüchen bei großer Flugverspätung gebeten.

Laut Fluggastrechte-Verordnung Nr. 261/2004 der Europäischen Union steht Fluggästen bei der kurzfristigen Annullierung ihres Fluges eine Entschädigung zwischen 250 Euro und 600 Euro zu. Im November 2009 wurde in einem Präzedenzfall darüber hinaus entschieden, dass Flugverspätungen annullierten Flügen rechtlich gleichzustellen seien (Sturgeon/Condor, EuGH C-402/07). Dieses Urteil hat zur Folge, dass Passagiere, deren Flug mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden gelandet ist, ebenfalls Anrecht auf Schadensersatz für die entstandenen Unannehmlichkeiten haben. Diese Entscheidung wird nun auf Betreiben einiger Fluggesellschaften nochmals vom Europäischen Gerichtshof überprüft.

Konkret nahm Generalanwalt Bot in seinem Schlussantrag Stellung zu zwei Fällen, die derzeit in letzter Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden. Am Amtsgericht Köln hatte ein Familienvater mit seinen beiden Söhnen die Lufthansa auf je 600 Euro pro Person Schadensersatz verklagt, weil ihr Flug mehr als 24 Stunden Verspätung hatte. Die Airline legte Widerspruch gegen das Urteil ein (EuGH C-581/10). Nachdem sich die zivile Luftfahrtbehörde des Vereinigten Königreichs geweigert hatte, die Airlines von ihrer Pflicht zu entbinden, Entschädigungszahlungen zu leisten, haben die Fluggesellschaften TUI Travel, British Airways und Easyjet im zweiten Fall vor dem obersten britischen Gericht gegen die geltende Regelung geklagt (EuGH C-629/10).

Rechtsexperte Dr. Philipp Kadelbach von flightright ( www.flightright.de ), dem Verbraucherportal für Fluggastrechte, begrüßt die Stellungnahme Yves Bots: „Die Airlines wurden abgewiesen, da sie keine überzeugenden Argumente dafür liefern konnten, dass Reisenden weniger Schaden bei Verspätungen als bei Annullierungen entsteht. Wir freuen uns, dass der Generalanwalt derselben Ansicht ist wie wir und die Rechte der Reisenden weiter stärkt.“

Professor Dr. Ronald Schmid, Vertragsanwalt von flightright, war am maßgeblichen Sturgeon/Condor-Urteil beteiligt: „Die Fluggastrechte-Verordnung hat es sich zum Ziel gesetzt, den Verbraucher zu schützen. Dem Reisenden entstehen bei einem verspäteten Flug ähnliche Unannehmlichkeiten wie bei einem ausgefallenen Flug, auch der Zeitverlust ist in etwa gleich groß – daher hat der Verbraucher natürlich auch einen vergleichbaren Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Ich hoffe, dass sich der Europäische Gerichtshof den Ausführungen des Generalanwalts anschließt.“

Der Schlussantrag Bots ist für den Europäischen Gerichtshof nicht bindend, sondern zunächst ein Entscheidungsvorschlag im betreffenden Fall. Als Generalanwalt hat Bot die Aufgabe unabhängig und neutral die bisherige Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs zusammenzufassen, um darauf aufbauend eine Empfehlung für die Urteilsfindung auszusprechen. Der Europäische Gerichtshof folgt in drei Viertel aller Fälle den Vorschlägen des Generalanwalts. Das endgültige Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.

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