Die Reifung von Rotweinen

Wann am besten trinken? Schöne Beispiele aus Baden

Es ist eine Binsenweisheit, dass Weine, vor allem gute Rotweine durch Reifen noch feiner, eleganter, vielschichtiger werden, ja zu wahren Genussfreuden auflaufen. Viele haben einen kleinen privaten Weinkeller, wo der eine oder andere gute Tropfen lagert. Doch wie lange sollten die Weine reifen und wie? Gilt das Besserwerden für alle? Gibt es einen Kulminationspunkt und was passiert da eigentlich genau?

Ein Wein braucht Potenzial zur Reifung
Wo nicht viel ist, kann nicht viel reifen. Es braucht schon kräftige, dichte Weine, um zur Hochform aufzulaufen. Insbesondere die Tannine spielen eine große Rolle. Tannine sind Gerbstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, die in den Traubenkernen, Beerenhäuten und Stielen vorkommen, wovon Rotweine deutlich mehr enthalten, insbesondere bei Maischegärung, da man ja die Farbe aus den Beerenhäuten gewinnt. Das Wort kommt aus dem Französischen, tanin oder tannin bedeutet Gerbstoff. Rotweine mit einem kräftigen Tanningerüst, das in der Jugend noch recht streng schmeckt, besitzen jedoch ein hohes Reifungspotenzial. Es lohnt also, zu warten.

Mit der Reifung werden die Weine weicher und deutlich vielschichtiger
Tannine sind komplexere Phenole und bestehen aus mehreren aromatischen Ringverbindungen des Kohlenstoffs, dem wichtigsten Baustein allen Lebens. Dabei können sich solche aromatischen Ringe aneinander ketten. Sie verbinden sich auch mit Aromen, wovon viele ebenfalls aus solchen Ringen bestehen. Dieses allmähliche Aneinanderketten ist es, was die Reifung des Rotweins ausmacht. Dabei entstehen, was eben Zeit braucht, sehr komplexe, weitverzweigte, lange Phenolketten. Diese sind es, die auf der Zunge so wunderbar weich und aromatisch schmecken und in gleicher Weise die Nase erfreuen, ja einen in Verzückung geraten lassen. Jugendliche, kürzere Tanninketten hingegen schmecken noch deutlich rauer. Die Säure wird im Laufe der Reifung übrigens kaum abgebaut, sie fügt sich nur geschmacklich in dieses Aromenspiel ein und tritt dann nicht mehr so stark hervor, bildet jedoch eine wichtige Basis und Unterstützung im Gesamtspiel. So sollten die Weine, die man zur Reifung ausersieht, nicht zu wenig Säure mitbringen.

Wie lange reifen und wie?
Weichere Rotweine mit weniger Säure und nicht zu kräftigen Tanninen sind nach ein bis zwei Jahren oft schon gut auf der Höhe. Sie bauen nach einigen Jahren auch wieder ab. Also nicht zu lange warten! Hin und wieder kann man ja eine Flasche probieren. Hochwertige Rotweine mit viel Frucht, vielen Aromen und vor allem einem kräftigen Tanningerüst von Anfang an können sich über Jahre, ja Jahrzehnte emporentwickeln. Für viele international bekannte Rotweine älterer Jahrgänge wird, wie man weiß, viel Geld geboten, wobei natürlich auch Spekulation mitschwingt.

Die Weine sollten auf jeden Fall liegend reifen, damit der Kork nicht austrocknet und zu viel Sauerstoff durchlässt, was schädlich ist. Licht und Wärme schaden ebenfalls – also im Keller möglichst nicht über 13 bis 14° C und ruhig reifen lassen, denn auch Erschütterungen schaden dem Aufbau der Aromenketten. Bei gering dosiertem Sauerstoff, wie der Kork oder ein Holzfass ihn passieren lässt, reifen die Weine etwas schneller als unter völligem Luftabschluss, wie zum Beispiel bei einem praktisch dichten Schraubverschluss. Wie lezterer jedoch über viele Jahre wirkt, darüber gibt es noch kaum Erfahrungen.

Auch die Farbe verrät etliches
Jugendliche Rotweine, die im Geschmack noch sanfte Hefenoten aufweisen, zeigen im Rahmen des roten Grundtons leichte violette Reflexe, die schon nach wenigen Monaten verschwinden und in dunkle, oft fast schwarze Reflexe übergehen. Mit der Reifung bilden sich unter dem dominierenden Rot jedoch allmählich zarte Goldreflexe, die im Alter mehr in einen bräunlichen Schimmer übergehen. Man kann davon ausgehen, dass Weine, die schon bräunliche Reflexe zeigen, den Höhepunkt überschritten haben.

Schöne Beispiele gereifter Rotweine aus Baden
In Baden wird als Rotweinsorte ja hauptsächlich blauer Spätburgunder angebaut, der insbesondere bei hochwertigeren Tropfen ein sehr schönes Reifungspotenzial besitzt. Gut gefallen hat der 2009 Durbacher Bienengarten Spätburgunder Spätlese trocken vom Weingut Andreas Männle, ein fülliger Tropfen mit kräftigen Tanninen und noch viel Zukunft. Schön gereift mit Noten von Preiselbeeren und Schokolade zeigte sich auch der 2009 „Alpha Wolf“, wie die Winzergenossenschaft Wolfenweiler im südbadischen Markgräflerland ihre trockene Spitzenlinie an Spätburgunder Rotwein aus der Lage Batzenberg nennt. „Mit der Zeit werden diese Weine eben deutlich komplexer“, kommentiert der Wolfenweiler Kellermeister Florian Zeller den Reifungsprozess. Eine echte und sehr positive Überraschung bildete der im Barrique gereifte 2008 Auggener Schäf Regent trocken vom ebenfalls im Markgräflerland gelegenen Winzerkeller Auggener Schäf, ein feiner Tropfen mit Schmelz, gut gereiften Tanninen und schöner Rückfrucht im Finish. Regent ist ja jene vor über 30 Jahren in der Pfälzer Rebzuchtanstalt Geilweilerhof neu gezüchtete umweltfreundliche Sorte, die deutlich weniger Schädlingsbekämpfung benötigt, weil die Rebe merklich widerstandsfähiger ist gegen Pilzbefall. Als großartiger Tropfen mit fein gereiften Tanninen und viel Struktur im Finish erwies sich die im Barrique ausgebaute Waldulmer Pfarrberg Spätburgunder Spätlese trocken aus dem Jahr 2007 von der Winzergenossenschaft Waldulm am Saum des Schwarzwalds der mittelbadischen Ortenau gelegen. Als ein Vertreter deutlich älterer Jahrgänge überzeugte der 1998 Ettenheimer Spätburgunder Rotwein trocken vom Wein- und Sektgut Weber aus Ettenheim im badischen Breisgau, ein Tropfen mit Noten von Schokolade im Duft sowie einem weichen fruchtigen Körper mit Anklängen an Kirschen und gedörrte Aprikosen und einem sehr milden Finish.

Näheres über die Erzeuger unter www.bonvinitas.com (Dieter Simon)

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