Gault Millau Bayern 2011

Heftige Kritik an Münchner Restaurants im neuen Gault Millau –
Gelungenes Comeback von Fritz Schilling im Schloss Hohenkammer
TV-Koch Alexander Herrmann leitet die „Kochschule des Jahres“

Viel Aufschwung im Mittelfeld der bayerischen Spitzengastronomie
schmeckt die französische Gourmet-Bibel Gault Millau in ihrer jetzt erscheinenden
Deutschlandausgabe 2011 ab. Auf 16 von 20 möglichen Punkten steigern
sich in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem bewertet, die
Küchenchefs von 3 Restaurants:
Frank Aldinger und Kai Stellner konzentrieren sich in der„Silberdistel“
im Hotel „Sonnenalp“ in Ofterschwang/Allgäu „auf modern interpretierte
Große Küche mit Edelprodukten. Originell machen sie das ‚Clubsandwich’ mit
gebratener Gänseleber und Toast (kunstvoll im Dreieck geschnitten), Pfirsichmark
statt klassischer Mayonnaise sowie geröstetem Belotaschinken und
Schinkenparfait zum saftig-knusprigen Erlebnis.“

Michael Fell überrascht in der „Villa am See“ in Tegernsee „mit Präsentationen
wie der Wachtel als schwarze Kugel auf einem Bett von zweierlei Sellerie:
Unter dem hauchdünnen Mantel aus pulverisierten Trompetenpilzen verbirgt
sich das aromatische Wachtel/Gemüse-Ragout. Schieres Vergnügen bereitet
auch die Seezunge mit Pfifferlingen und Spinat, wenn am Tisch sehr großzügig
eiskalte Gänseleber darüber gehobelt wird, die dem feinen Fisch ein Extramaß
an Schmelz verleiht.“

Peter A. Strauss vereint im „Ess Atelier Strauss“ in Oberstdorf „Talent,
Handwerk und Kreativität wie kaum ein zweiter im Allgäu“ und „bietet akkurate,
präzise und in sich stimmige Gerichte wie Jacobsmuschel und Scampi mit Zimt-
Ananas in Krustentierschaum“.

15 Punkte und damit jene Klasse, in der nach Gault Millau-Verständnis
Kochen zur Kunst wird, erreichten die Köche in 3 neueröffneten oder umprogrammierten
Restaurants:
Walter Leufen bereitet im „Il Barcaiolo“ im „Seehotel Überfahrt“ in Rottach-
Egern (Tegernsee) „hausmannsköstliche Cucina casalinga mit allem, was
die italienische Küche hierzulande so beliebt bleiben lässt“.
Fritz Schilling, zuletzt in Hamburg und davor bei Käfer in München, erfreut
nun in „Schloss Hohenkammer“ in Hohenkammer (nördlich Münchens)
„mit geschicktem Einsatz von frischen Kräutern und mediterranen Noten, mit
treffsicherer Würze und überzeugender Produktqualität. Zeitgemäß finden wir
den bewussten Einsatz vieler heimischer Gemüse.“
Anton Schmaus, 28, der zuvor beim US-Kochsuperstar Thomas Keller in
dessen „Per Se“ in New York arbeitete, „trumpft“ nun im „Historischen Eck“ in
Regensburg „mit zeitgeistiger Küche, trendy Präsentation und viel amerikanischer
Süße auf“.

Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault Millau in Bayern
und ihre 19 Punkte verteidigten Christian Jürgens vom „Seehotel Überfahrt“ in
Rottach-Egern und Heinz Winkler von der „Residenz Heinz Winkler“ im oberbayerischen
Aschau. Bei Jürgens, „einem der ambitioniertesten und ideenreichsten
Küchenchefs im deutschen Süden“, bestaunen die Tester einerseits,
dass „seine exzellente Interpretation des bayerischen Wirtshausklassikers
Lammbeuscherl wie ein Märchenwald aus der deutschen Romantik

daherkommt“ und fragen andererseits, „warum enorm facettenreiche Gerichte
als wahre Porzellanschau dargeboten werden müssen, darunter der extravaganteste
Teller dieser Testsaison: von schüsselartiger Dimension, einer offenen
Blüte nachempfunden und unten so rund, dass zur Stabilisierung ein Ring aus
Wildleder untergelegt werden muss. Was der Sinn eines Tellers ist, der nicht
allein stehen kann, und auf dem der Gast auch nicht sein Besteck ablegen kann,
erschließt sich uns nicht.“ Der „wie alle bedeutenden Köche in keine Schublade
passende Winkler“ bereitet „eine himmlisch leichte Küche mit hocharomatischen
Fonds“ und „intoniert Kompositionen von großer Klarheit und Transparenz
wie Felsenrotbarbe mit Pastinaken- und Rote Bete-Würfelchen in Wasabisauce“.
Noch höher als Jürgens und Winkler sind in Deutschland nur vier Köche
bewertet.

Die beiden bayerischen Kochkönige haben 4 Kronprinzen mit
jeweils 18 Punkten:
Martin Fauster vom „Königshof“ in München „entspricht in seinem Küchenstil
dem Geist des festlich stimmenden Hauses. Man fühlt sich eingebettet
in große kulinarische Tradition, die aber nichts Altväterliches hat, sondern zeitgemäß
interpretiert wird. Nur wenige Köche haben eine ähnlich zarte Hand im
Umgang mit Fisch wie der gestandene Steirer Fauster. Wunderbar zart gegart
war der Bretonische Hummer in gelungener Kombination mit der Fruchtigkeit
von Maracuja und der Süße junger grüner Erbsen.“

Hans Haas vom „Tantris“ in München behält zwar seine Note, muss
sich aber einen der kritischsten Texte gefallen lassen. „Reden wir nicht lange
drumherum: Das Tantris bietet die beste stehengebliebene Küche hierzulande.
Großalarm am Gaumen oder hellwach werdende Geschmackspapillen vor kreativem
Entzücken haben wir hier schon lange nicht mehr erlebt. Gleichwohl kehren
wir immer wieder gern ein, denn die bewährten Gerichte schmecken stets
sehr gut bis ausgezeichnet. Die Garzeiten sind perfekt, die Aromen stimmen.“
Andree Köthe und Yves Ollech vom „Essigbrätlein“ in Nürnberg „überraschen
durch Gemüsekreationen mit breitem Geschmacksspektrum und verwobenen
Aromenstrukturen. Beim harmlos anmutenden Gang aus Sellerie, grünem
Apfel und Rucola werden dünne Scheiben von Knollensellerie abwechselnd
mit Selleriepüree und grünem Apfel geschichtet und mit frischem sowie frittiertem
Rucola gekrönt. Das cremige, äußerst würzige Mundgefühl wird durch die
Frische des Apfels angenehm potenziert, zur Kräuternote des frischen Rucola
gesellt sich der frittierte mit fleischiger Assoziation und sorgt somit für eine in
ihrer Komplexität weit über einen rein vegetarischen Gang hinausgehende Differenziertheit
am Gaumen.“

Da auch noch 8 bayerische Köche – Denis Feix in Bad Griesbach, Reiner
Fischer in Lindau, Alexander Herrmann in Wirsberg, Thomas Kellermann
in Wernberg-Köblitz sowie Otto Koch, Steffen Mezger, Alfons Schuhbeck und
Jakob Stüttgen in München – 17 Punkte schafften, stehen von den 110 besten
deutschen Köchen (die 17 bis 19,5 Punkte haben) 13 in Bayern am Herd. Das
bedeutet Platz 3 in der kulinarischen Bundesliga hinter Baden-Württemberg mit
23 und NRW mit 19 Köchen.
Eins auf die Kochmütze bekommen die Küchenchefs von 4 Restaurants:
In „Laudensacks Parkhotel“ in Bad Kissingen legte „der neue Küchenchef
Frederik Desch mit zu stark angebratenem und trockenem Wolfsbarsch,
ältlich schmeckender Felsenrotbarbe oder ranzigen Nüssen im Dessert einen
Fehlstart hin. 15 statt der bisherigen 17 Punkte als neue Note waren schon so gut
wie beschlossen, da kam Desch nach längeren Anlaufschwierigkeiten endlich in
die Gänge.“

In Mario Gambas „Acquarello“ in München maulen die Kritiker über
„geschäumte Saucen möglichst Gang für Gang, jahrein, jahraus. Auch bei den
Fleischgängen zitiert sich die Küche mit Vorliebe selbst, immer wieder mit dem
legendären Brasato und dem Kalb von Kopf bis Fuß. Nichts gegen Klassiker,

aber es verwundert doch, dass sich ein Mann, der zu seinen angegrauten Locken
Converse-Turnschuhe ohne Schnürsenkel trägt, wie sie bei Teenagern in
Mode sind, dafür nicht zu jung fühlt.“

Im „Hippocampus“ in München brilliert Cosimo („Mimmo“) Ruggiero
„mit einer klaren Küche, die puristische Eigenaromatik vor gekünstelte Eingriffe
stellt. Wir würden uns noch mehr über seine Küche freuen, wenn er sein Talent
voll entfaltete und die Pasta immer mit Passion und nicht gelegentlich mit Nonchalance
zubereiten (lassen) würde.“
Im „Le Ciel“ des „InterContinental Berchtesgaden Resort“-Hotels gingen
bei Ulrich Heimann „Gerichte geschmacklich irgendwo im Öligen unter oder
punkteten eher in der Optik als in der Aromatik. Der Rehrücken schmeckte mehlig,
der Nougat-Milchreisknödel mit Ingwer-Lakritzeis war im Inneren noch roh.
Vielleicht wären wir nachsichtiger gestimmt gewesen, hätten wir nicht gar so
lange auf die einzelnen Gänge warten müssen und wären die Preise nicht gar so
gepfeffert Aber wer sich preislich an den großen Metropolen orientiert, muss
sich auch qualitativ an ihnen messen lassen.“
Mit peinlichen 10 Punkten und viel Häme wird Patrik Jaros vom „La Baracca“
in München abserviert: „Dies ist ein Konzeptlokal, was hier zählt, ist der
Schein, nicht das Sein. Die angebotenen Speisen sind schlichter Natur, im Stil
eines durchschnittlichen Eckitalieners. Wobei man dort mehr Service geboten
bekäme. Die Gerichte werden per Touchscreen bestellt. Abends offenbaren sich
die Tücken des elektronischen Bestellsystems, dann regiert das Chaos. Wer in
größerer Gruppe speist, erlebt den Spaß, dass der eine noch bei der Vorspeise
ist, während der andere gerade den Hauptgang beendet und der dritte immer
noch auf seinen Wein wartet. Dazwischen immer wieder die Fragen des desorientierten
Servicepersonals: ‚Haben Sie das bestellt?’ Verneint man, ziehen sie
weiter an den nächsten Tisch, solange, bis ein Abnehmer gefunden ist.“
Als „Kochschule des Jahres“ kürte der Gault Millau das Studio von Alexander
Herrmann in Wirsberg und lobt den Lehrer: „In Gourmet-Workshops
vermittelt er Aromen, moderne Techniken
und Menükomposition, in Bistro-Kursen raffiniertes Grundwissen. Sein Motto:
Kreativität fördern statt Vorkochen.“

Die Tester beschrieben und bewerteten dieses Jahr insgesamt 142 Restaurants
in Bayern. 117 Küchenchefs zeichneten sie mit einer oder mehreren
Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen
Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schafften
auch die neu eröffneten Restaurants „Tramin“ in München und „Schloss
Kalteneck“ in Schwenningen mit ihren 14 Punkten.
Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner
strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen
gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in Bayern
18 langweilig gewordene Restaurants ab und nahm 13 inspirierte Küchen neu
auf; 8 wurden höher, 14 niedriger bewertet.

Als zusätzliches Schmankerl testete der im Münchner Christian Verlag
erscheinende Reiseführer für Genießer (888 Seiten, 29.95 €) das Ende September
2010 eröffnete „Restaurant Dieter Müller“ auf dem Kreuzfahrtschiff „MS
Europa“ sowie alle 8, nicht jedem Passagier zugänglichen Restaurants der
„Queen Mary 2“. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 365 Hotels.
Für unterwegs gibt es den Gault Millau auch als App fürs iPhone (7.99 €).
Die App enthält den gesamten Inhalt der Buchausgabe und bietet Zusatzfunktionen
zur Suche, Anfahrt und direkten Anwahl interessanter Restaurants.

GM KOCH DES JAHRES 2011:https://gourmet-report.de/artikel/336760/GM-Koch-des-Jahres-2011-Mario-Lohninger.html

GAULT MILLAU BADEN-WüRTTEMBERG 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336763/Gault-Millau-Baden-Wuerttemberg-2011.html

GAULT MILLAU BAYERN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336764/Gault-Millau-Bayern-2011.html

GAULT MILLAU 2011 IN BRANDENBURG: https://gourmet-report.de/artikel/336765/Gault-Millau-2011-in-Brandenburg.html

GAULT MILLAU 2011 IN BREMEN: https://gourmet-report.de/artikel/336766/Gault-Millau-2011-in-Bremen.html

GAULT MILLAU HAMBURG 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336767/Gault-Millau-Hamburg-2011.html

GAULT MILLAU HESSEN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336768/Gault-Millau-Hessen-2011.html

GAULT MILLAU MECKLENBURG-VORPOMMERN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336769/Gault-Millau-Mecklenburg-Vorpommern-2011.html

GAULT MILLAU NIEDERSACHSEN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336770/Gault-Millau-Niedersachsen-2011.html

GAULT MILLAU NRW 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336771/Gault-Millau-NRW-2011.html

GAULT MILLAU RHEINLAND-PFALZ 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336772/Gault-Millau-Rheinland-Pfalz-2011.html

GAULT MILLAU SCHLESWIG-HOLSTEIN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336776/Gault-Millau-Schleswig-Holstein-2011.html

GAULT MILLAU SAARLAND 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336773/Gault-Millau-Saarland-2011.html

GAULT MILLAU SACHSEN 2011: https://gourmet-report.de/artikel/336774/Gault-Millau-Sachsen-2011.html

GAULT MILLAU 2011 IN SACHSEN-ANHALT: https://gourmet-report.de/artikel/336775/Gault-Millau-2011-in-Sachsen-Anhalt.html

GAULT MILLAU THüRINGEN 2011:
https://gourmet-report.de/artikel/336777/Gault-Millau-Thueringen-2011.html

GAULT MILLAU Deutschland
Bestellmöchlichkeit: 978-3-86244-002-3

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