Gault Millau 2006 Deutschland

„Der durchschnittliche deutsche Gourmet-Koch denkt nicht weiter als bis zu seinem Tellerrand, schielt fantasielos auf die großen Kreativen des Auslands und wurstelt mit deren Elementen der Fusions-, Cross over- oder Alchimistenküche vor sich hin. Er verwendet bestenfalls zweitklassige Zutaten, verlangt immer happigere Preise und jammert in jedes Mikrophon, dass die Gäste wegbleiben und sich gehobene Küche nicht mehr lohnt. Typisch für die Bequemlichkeit deutscher Köche ist, dass es fast überall das ganze Jahr Selleriemousse statt Gemüse der Jahreszeit gibt, typisch für die verflachende deutsche Küche, dass immer mehr Köche nicht stimmig und herzhaft würzen, sondern bloß gedankenlos Balsamico, Koriander und Zitronengras an alles und jedes geben können.“ So wettert der französische Restaurantführer Gault Millau in seiner jetzt erscheinenden Deutschland-Ausgabe 2006 .

Heftig geht der Guide auch mit der Weinkalkulation der Gastronomie ins Gericht: „Nach unseren Beobachtungen lagen die Weinpreise am Ende der DM im Jahr 2001 in der gehobenen Gastronomie (13 bis 15 Punkte) bei durchschnittlich 40 Mark für die Weißwein- und 60 für die Rotweinflasche. Mittlerweile sind es 35 € für Weiße und 45 für Rote – und das trotz relativ stabiler Weinpreise. Wucher wie bei den Flaschen erlebt der Gast allzu oft auch bei den offenen Weinen: Für immer erbärmlichere Qualitäten der Schoppen werden (wie auch beim Mineralwasser) hanebüchene Preise verlangt.“

Zum Service merken die Tester zynisch an: „Die westdeutschen Bundesländer verosten. Denn ohne heftige Anwerbung von Arbeitskräften aus den neuen Bundesländern und vermutlich darüber hinaus lässt sich der Service im Westen nicht aufrechterhalten. Dadurch wird dessen Niveau sinken, weil der zu erwartende Nachwuchs nicht sonderlich gut ausgebildet, nicht flexibel und weltgewandt genug ist, und weil er eher muffig als freudig zu Diensten ist. Rundum erfreulicher Service wird auch im Restaurant zum Luxus.“

Koch des Jahres: Thomas Bühner aus Dortmund, ein „zukunftsweisender Kosmopolit“

Als „Koch des Jahres“ kürte der Gault Millau den 43jährigen Thomas Bühner vom Restaurant „La Table“ in Dortmund. Aus der Begründung: „Als wacher Geist kann er unterscheiden zwischen bloßen Zuckungen des Zeitgeistes und zukunftsweisender Modernität, zwischen unverbindlichem Querwelteinkochen und wahrer kosmopolitischer Kulinarik, die nur dann in die Ferne schweift, wenn dies einer überlegenen Genussgestaltung dient. Mit wohlgereiften, formvollendeten Gerichten, die internationalen Maßstäben genügen, ist er auf der Höhe seiner Kunst. Wenn es gilt, einem Produkt oder Rezept sein Maximum zu entlocken, sprengt er alle Schranken.“
Bühner brillierte mit Gerichten wie mild geräucherter Makrele mit Traubensaftsauce und Ravioli aus Fenchel, die mit Ananas gefüllt sind, oder „Deutschlands schönstem Risotto: gerührt mit grünen Mandeln und Milchschaum, apart aromatisiert von Schinken und Fenchel, darauf Calamaretti“. Er bekam vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 19 von 20 möglichen Punkten, die „höchste Kreativität und Qualität“ bedeuten. Bühner, der in seiner Freizeit einen kleinen japanischen Ziergarten hegt und Mountainbike fährt, hatte als Schüler keinen bestimmten Berufswunsch und wurde aufgrund eines sechsstündigen Eignungstests beim Arbeitsamt Koch, weil ihm die vorgeschlagenen Alternativen nicht behagten: Landwirt wollte er nicht werden und als Bäcker „muss man zu früh aufstehen“.

Eine höhere Bewertung haben hierzulande nur 3 Köche: Je 19,5 Punkte bekamen Harald Wohlfahrt von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn-Tonbach („auch nach 50 Lebens- und 25 Chefjahren unverbraucht und munter wie ein Perpetuum mobile: ein Gericht kann nicht durchdachter und vollkommener sein“), Helmut Thieltges vom „Waldhotel Sonnora“ in Dreis bei Wittlich in der Südeifel („bei seinen makellosen Tellern stellt sich ein Glücksgefühl ein, das Körper und Seele ganz gefangennimmt“) und Dieter Müller vom „Restaurant Dieter Müller“ im „Schloss Lerbach“ in Bergisch Gladbach bei Köln („die perfekten Teller-Kunstwerke der großartigsten Schlossküche Deutschlands glänzen ganz unangestrengt, fast beiläufig mit Geschmackserlebnissen, die dem Gaumen neue Perspektiven eröffnen“).

Ihnen folgen mit je 19 Punkten, die sie auch im Vorjahr hatten, Joachim Wissler vom „Vendôme“ in Bergisch Gladbach bei Köln („sensibel ausbalancierte Kompositionen eines intellektuellen Grüblers von höchster geschmacklicher Intensität und größtmöglicher Ursprünglichkeit“), Hans-Stefan Steinheuer von „Steinheuers Restaurant zur alten Post“ in Bad Neuenahr bei Bonn („begnadeter Wildspezialist, aber auch grandiose Fischkreationen“), Heinz Winkler vom „Restaurant Heinz Winkler“ im oberbayerischen Aschau („Großmeister der europäischen Klassik“), Hans Haas vom Münchner „Tantris“ („grandioses Kochkunsthandwerk in durchdachter Schlichtheit ohne Effekthascherei“), Dieter L. Kaufmann von der „Traube“ im rheinischen Grevenbroich („legendäre Klassiker und kreative Neuerungen mit feinen Aromenkontrasten“).

Entdeckung des Jahres: Peter Maria Schnurr in Leipzig, Shootingstar der ostdeutschen Kochszene

Auf 18 Punkte steigerten sich Jean-Claude Bourgueil vom Restaurant „Im Schiffchen“ in Düsseldorf- Kaiserswerth („erfreut durch den Mut, kräftiger und intensiver mit Gewürzen und Aromen umzugehen, sowie mit Anleihen in Asien“), Thomas Kammeier vom „Hugos“ in Berlin („verschmilzt mediterrane, klassische und jetzt auch exotischen Elemente als größter Harmoniker unter den Berliner Küchenchefs“), Eric Menchon vom „Le Moissonnier“ in Köln („unverwechselbare, sich permanent erneuernde Kochkunst in entspannter Darbietung“), Wolfgang Raub von „Raub’s Restaurant“ in Kuppenheim bei Baden-Baden („bereitet mit untrüglichem Instinkt für Aromen allzeit geschmacksstarke und harmonische Verbindungen bester Produkte“) und Jörg Sackmann vom „Gourmetrestaurant Schlossberg“ in Baiersbronn-Schwarzenberg („seine Gerichte, die Gaumen und Gemüt entzücken, offenbaren stets große Finesse, künstlerisches Empfinden und immense handwerkliche Meisterschaft“). Weil dessen „Kreativitätsmaschine läuft wie einst der VW in der Werbung“, kürten die Kritiker den „Aromenkünstler“ Sackmann auch zum „Aufsteiger des Jahres“.
Wie im Vorjahr mit 18 Punkten bewertet wurden die 6 Baden-Württemberger Josef Bauer vom „Landgasthof Adler“ in Rosenberg, der das Gault Millau-„Menü des Jahres“ als Musterbeispiel für „Kreativität ohne Allerweltsaromen“ bietet, Albert Bouley vom „Waldhorn“ in Ravensburg, Claus-Peter Lumpp vom „Bareiss“ in Baiersbronn, Bernhard Diers von der „Zirbelstube“, Martin Öxle von der „Speisemeisterei“ in Stuttgart und Christian Scharrer vom „Imperial“ im „Schlosshotel Bühlerhöhe“ in Bühl bei Baden-Baden; die beiden NRW-Köche Berthold Bühler von der „Résidence“ in Essen und Bernd Stollenwerk vom „Gut Lärchenhof“ in Pulheim bei Köln; die Bayern Martin Fauster vom „Königshof“ in München und Ingo Holland vom „Alten Rentamt“ in Klingenberg am Main; die Saarländer Christian Bau vom „Schloss Berg“ in Perl (Saarland) und Klaus Erfort vom „Gästehaus Klaus Erfort“ in Saarbrücken sowie Matthias Buchholz vom „First Floor“ in Berlin, Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg, Thomas Martin vom „Jacobs Restaurant“ in Hamburg und Jörg Müller vom „Restaurant Jörg Müller“ in Westerland (Sylt).

Auf 17 Punkte verbesserten sich gleich 13 Köche: die 4 Baden-Württemberger Thomas Heilemann vom „Olivo“ in Stuttgart, Armin Karrer vom „Hirschen“ in Fellbach bei Stuttgart, Andreas Krolik vom „Park- Restaurant“ in Baden-Baden und Wolfgang Staudenmeier vom „Da Gianni“ in Mannheim; die 3 NRW-Köche Roberto Carturan vom „Alfredo“ in Köln, Christof Lang vom „La Bécasse“ in Aachen, Heiko Nieder vom „L’orquivit“ in Bonn; die Bayern Markus Bischoff vom „Bischoff am See“ in Tegernsee und Joachim Räder von „Laudensacks Parkhotel“ in Bad Kissingen, die Berliner Bobby Bräuer vom „Quadriga“ und Thomas Kellermann vom „Vitrum“ sowie Gerd Eis von der „Ente“ in Wiesbaden und Wahabi Nouri (aus Casablanca) vom „Piment“ in Hamburg.

Dieselbe Note erreichten auf Anhieb zwei Köche neueröffneter Restaurants: der bereits in Berlin und vorher in Bad Oeynhausen (18 Punkte) erfolgreiche Christian Lohse vom „Fischers Fritz“ in Berlin, „ein profilierter Hoffnungsträger der aktuellen deutschen Küche“, und Peter Maria Schnurr vom „Falco“ in Leipzig, den die Tester wegen seiner „Emotionen des Geschmacks im spektakulärsten neuen Restaurant der neuen Bundesländer“ als „Shootingstar der ostdeutschen Kochszene“ und ihre „Entdeckung des Jahres“ preisen.

903 Restaurants ausgezeichnet, darunter 99 in den neuen Bundesländern

Insgesamt bewertet der alljährlich wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Feinschmeckern mit Spannung erwartete Gault Millau in seiner neuen Ausgabe 1115 Restaurants. Die 30 Tester, die stets anonym auftreten und dieses Jahr 287 600 € Spesen machten, verliehen 903 Luxuslokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants die begehrten Kochmützen. Dazu mussten die Köche mindestens 13 von 20 Punkten erreichen, was einem Michelin-Stern nahe kommt.

Auch 99 Küchenchefs in den neuen Bundesländern erkochten diese Auszeichnung. An ihrer Spitze stehen mit 17 Punkten – neben dem Newcomer Schnurr – wie bisher Marcello Fabbri vom Restaurant „Anna Amalia“ in Weimar, Oliver Heilmeyer vom „17fuffzig“ in Burg (Spreewald) und Stefan Hermann vom „Caroussel“ in Dresden. Ihnen folgen mit 16 Punkten Thomas Abel vom „La Cheminée“ in Ilmenau und Detlef Schlegel vom „Stadtpfeiffer“ in Leipzig, die diese Note erstmals erhielten, sowie Claus Alboth von „Alboth’s Restaurant im Kaisersaal“ in Erfurt, Rene Bobzin von den „Rothen Forellen“ in Ilsenburg am Harz, Peter Knobloch vom „Meeresblick“ in Göhren auf Rügen, Carmen Krüger von „Carmens Restaurant“ in Eichwalde bei Berlin und Mario Pattis vom „Pattis“ in Dresden.

Da auch die Welt der Gourmandise im ständigen Wandel ist und die Plätze im Gourmetparadies immer wieder neu gerührt und erkocht werden, servierte der Gault Millau im Vergleich zur Vorjahrsausgabe 151 langweilig gewordene Restaurants ab und nahm 101 inspirierte Küchen neu auf. 180 Köche wurden höher als im letzten Guide bewertet, 128 niedriger. 45 Küchenchefs verloren die Kochmütze.

Außer dem Koch, dem Aufsteiger und der Entdeckung des Jahres kürte der Guide noch sechs weitere Würdenträger: als „Oberkellner des Jahres“ Gerhard Retter vom „Lorenz Adlon“ in Berlin, als „Sommelier des Jahres“ Stefan Weise vom „Vendôme“ in Bergisch Gladbach-Bensberg, als „Restaurateur des Jahres“ Karin Kaiser von der „Klostermühle“ in Ehrenkirchen bei Freiburg, als „Kochschule des Jahres“ die „Gusto Geschmackswerkstatt“ des außerordentlich kreativen Frank Buchholz vom „Buchholz“ in Mainz, als „Barkeeper des Jahres“ Ewald Stromer vom „Raffael’s“ im Kempinski Hotel Falkenstein in Königstein/Taunus sowie als „Hotelier des Jahres“ Christine und Michael Clausing vom „Zur Bleiche“ in Burg/Spreewald, weil Wellness in ihrem Haus „keine Mode, sondern Gesamtkunstwerk“ ist.

Außerdem testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (892 Seiten, 30 €) wieder Kreuzfahrtschiffe, die für ihre gute Küche werben: die deutsche Luxusyacht „MS Europa“, die alle Küchenstile der Welt bietende „MS Westerdam“ der Holland-America-Linie und die vom Hollywood- Starkoch Wolfgang Puck beehrte japanische „MS Crystal Symphony“. Ferner beschreibt und klassifiziert er 420 Hotels.

Die Ausgezeichneten im Gault Millau Deutschland 2006

Koch des Jahres
Thomas Bühner, Restaurant La Table im Casino Hohensyburg, Dortmund, 19/20

Oberkellner des Jahres
Gerhard Retter, Restaurant Lorenz Adlon im Hotel Adlon, Berlin, 17/20

Aufsteiger des Jahres
Jörg Sackmann, Gourmetrestaurant Schlossberg, Baiersbronn, 18/20

Entdeckung des Jahres
Peter Maria Schnurr, Falco im Hotel The Westin Leipzig, Leipzig, 17/20

Sommelier des Jahres
Stefan Weise, Vendôme im Grandhotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach, 19/20

Restaurateur des Jahres
Karin Kaiser, Restaurant Klostermühle, Ehrenkirchen, 17/20

Barkeeper des Jahres
Ewald Stromer, Raffael’s Bar, Königstein

Menü des Jahres
Josef Bauer, Landgasthof Adler, Rosenberg, 18/20

Hotelier des Jahres
Christine und Michael Clausing, Hotel Zur Bleiche Resort & Spa, Burg

Kochschule des Jahres
Frank Buchholz, Restaurant Buchholz, Mainz 15/20

Sonderehrung
Harald Wohlfahrt, 25 Jahre Chef der Schwarzwaldstube, Baiersbronn 19,5/20

www.gault-millau.de

 

Gault Millau 2006 Deutschland
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3 Antworten auf „Gault Millau 2006 Deutschland“

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    um eines vorwegzunehmen: Ich bin kein notorischer Restaurant-Nörgler und suche auch nicht das berühmte Haar in der Suppe, wenn ich essen gehe. Im Gegenteil – als ein in der Sternegastronomie („Schweizer Stuben“, Wertheim – Bettingen, „Waldhotel Sonnora“ in Dreis, oder der „Fürstenhof Celle“, um einige zu nennen) langjährig erfahrener Koch, weiß ich, welche Kriterien ein Restaurant erfüllen muss und was dies bedeutet.

    Immer wieder freue ich mich über Inspirationen durch Kollegen und lass mich gerne von sinnvoll Neuem überzeugen – auch um das ein oder andere bei meiner jetzigen Arbeit in einer der größten ausländischen Botschaften in Berlin einzubringen.

    Gerne greife ich natürlich auch auf Ihren Restaurantführer zurück, um mich von nicht so bekannten oder neuen Restaurants begeistern zu lassen.

    Oft bin ich mit Ihrer Kritik sehr einverstanden und orientiere meine Erwartung daran, wenn ich ein von Ihnen bewertetes Restaurant besuche.
    So eingestimmt auch am 02.11.2006, als ich mit einem Kollegen (er besitzt ebenfalls einschlägige Erfahrung in der Spitzengastronomie) das von Ihnen hoch gelobte „Carmens Restaurant“ in Eichwalde besuchte. Als Gastgeber wollte ich von einem „Aufsteiger“ überzeugen und nahm auch gerne eine einstündige Fahrtzeit in Kauf. Es sollte ein besonderer Abend werden.

    Als wir gegen 19.15h den schlichten, übersichtlichen Gastraum von „Carmens Restaurant“ betraten, wurden wir sofort zu unserem reservierten Tisch geführt und erhielten die Mitteilung vom Kellner, dass die Garderobe „durch die Tür dort“ führe.
    Mein Kollege und ich nahmen unseren beiden Begleiterinnen die Mäntel ab und gingen zur Garderobe, wo wir zahlreiche Auszeichnungen an den Wänden vorfanden. Von Gault Millau-‚Kochmützen’ bis zur Auszeichnung, bei „Berlin-Brandenburgs bester Köchin“ zu sein, versprachen wir uns sehr viel von der „Neuen Brandenburgischen Küche“, wie man gerne von sich behauptet.
    Nachdem wir am Tisch endlich die Speisekarten vom Nachbartisch bekamen, entschieden wir uns für drei Menüs und einmal die Vorspeise und den Fisch-Zwischengang vom gleichen Menü als ‚a la carte’, wir bestellten also einheitlich. Dazu entschieden wir uns für den Hauswein, 1 Flasche Spätburgunder „Carmen’s Select“, eine besondere Empfehlung des einzigen Kellners.
    Als die Vorspeise, eine Rehterrine, „aufgetischt“ wurde, warteten wir noch auf die vierte, die wir ‚a la carte’ bestellt hatten. Doch sie kam nicht. Auf Nachfrage entschuldigte sich der Kellner und verschwand erst einmal in der Küche. Zurück an unserem Tisch klärte er uns auf: „Tschuldigung, wir haben keine Terrine mehr, kann’s auch was anderes sein?“ So bestellten wir aus dem gleichen Menü die Kürbissuppe mit Scampis. „Gut, die kommt mit den anderen Suppen zusammen“, bekamen wir zu hören.
    Als wir uns dann der Rehterrine widmen konnten, wurde uns klar, das unsere Begleiterin nichts verpasste. Eine graue, grieselige und mürbe, an jeglichen Aromen fehlende Farce hatte man uns vorgesetzt. Nur der Preiselbeerenkompott aus dem Glas und der giftgrüne, bittere Friséesalat ließen überhaupt etwas schmecken, dazu eine Verzierung mit Balsamikoessig und Schnittlauch.
    Als die Kürbissuppe mit den lobenswerten Scampis und „Schnittlauch“ serviert wurde, hoffte man auf Besserung.
    Doch leider erfüllte sich dies nicht. So wurde uns ein Zanderfilet auf Linsen serviert, das nicht nur durch seine lieb- und lustlose Anrichteweise, sondern auch im Geschmack enttäuschte: Die Linsen, bis zur Unkenntlichkeit verkocht, und der fade, ohne jeglichen Geschmack gekochte Fisch oben drauf gesetzt. Garniert wurde, wie kann es anders sein, mit Schnittlauch und Balsamikoessig. Übrigens sind Menü- und ‚a la carte’- Portionen gleich groß, aber nicht gleich teuer!
    Dann der Hauptgang: Lammrücken mit Kräuterkruste an Schnippelbohnen und Kartoffeln.
    Was serviert wurde, hat mich als enthusiastischen Koch und Küchenmeister mit Auszeichnung verzweifeln lassen. Das versalzene Lamm muss mit seiner Paniermehl-Trockenkräuterhülle in der Friteuse gebacken worden sein, bis es „schön durch und trocken“ war und wurde uns dann mit geschnittenen Bohnen (und nicht Schnippelbohnen) sowie verkochten, in Wasser nochmals aufgewärmten Kartoffeln mit Schnittlauch (!) serviert. Es war nicht genießbar, wir legten das Besteck beiseite und warteten wieder auf den Kellner, der bereits bemerkt haben muss, dass wir vor unseren Tellern auf ihn warteten. Er verabschiedete aber erst andere Gäste, damit diese von unserer bevorstehenden Reklamation nichts bemerkten. „Was war?“ fragte er schließlich und ich teilte ihm meine Einschätzung und Enttäuschung mit! „Hm…ich werd’s der Küche sagen.“ Wir warteten auf eine Entschuldigung oder die Geste, uns einen anderen Hauptgang anzubieten – aber vergeblich. Anscheinend interessierte es niemanden und uns tat sich das Gefühl auf, als „Durchreisende“ rasch abgefertigt zu werden.
    Der Kellner kam zurück und fragte unfreundlich, arrogant und überhastig, was wir als Dessert wollten. Käse, Quarkklöße, Crème-Brûlée…das war das, was wir noch verstehen konnten.
    So entschieden wir uns für zweimal Käse und einmal die Quarkklöße. Wir erwarteten keinen Höhepunkt mehr und so war es auch. Der Käse, eine dünne Scheibe deutschen Schimmelkäse – mit Apfelmus und einem Glas Wein serviert – und die in sich zusammen gefallenen Quarkklöße mit einem Kompott. Beides völlig lieblos angerichtet und am Glastellerrand mit so vielen Fingerabdrücke und Schlieren versehen, dass man glaubte, ein Dutzend Köche und Kellner seien an dem Gericht beteiligt gewesen.
    Zum Abschluss fragte ich meine Gäste noch nach einem Digistif und Kaffee. Als wir schließlich die Bestellung von zwei Espressi und einer Tasse Tee aufgaben, sagte uns der Kellner verdutzt: „Tee? Haben wir nicht!“
    Das soll also die „Neue Brandenburgische Küche“ sein, in der zuweilen Carmen Krüger als beste Köchin gehandelt wird? Da wurde mir bei Besuchen in anderen brandenburgischen Restaurants wie „Alte Schule“ (Reichenwalde) „Restaurant Windspiel“ (Storkow) oder „Sternthaler“ (Müncheberg) weitaus anspruchsvollere Küche geboten.

    Es ist zu lesen, dass ihr der „innere Künstler“ fehle, so Carmen Krüger. Wenn es das nur wäre. Was hier als die Kultivierung der Einfachheit verkauft wird, erscheint mir nach diesem Abend als modische Verklärung für handwerkliches Unvermögen und gastronomische Überforderung von Küche und Service. Dass man mit diesem Niveau in Berlins Speckgürtel gute Presse bekommt, spricht nicht für kulinarischen Sachverstand.

    Es gilt als Tradition, mindestens zweimal ein Restaurant zu besuchen, um sich eine objektive Meinung bilden zu können. Aber wenn das Maß der Unstimmigkeiten beim ersten Mal zu groß ist, darf man davon abweichen.
    Kollegen und Bekannten, mit denen ich seit Jahren in Berlin zusammenarbeite, werde ich von einem Besuch abraten. Es sei denn, sie wollten einfach mal wieder erfahren, für was sie in der Küche stehen, und wie wichtig es ist, zufriedene Gäste immer wieder begrüßen zu dürfen.

    Ich wünsche mir eine objektivere Bewertung dieses Hauses durch Ihre Restaurantkritiker.

    1. Lieber Frank Buttler,
      Die Restaurantkritik liebt die Aussenseiter: hier Alte, ostdeutsche Frau aus der Provinz
      Irgendwann glaubt die Köchin selber, wie toll sie ist, wenn sie das täglich liest und alle schreiben voneinander ab. Und der erfahrene Gast ist verwirrt.
      Allerdings war die (bürgerliche) Weihnachtsgans ganz ordentlich bei Carmen.

  2. Sehr geehrte Damen und Herren,

    um eines vorwegzunehmen: Ich bin kein notorischer Restaurant-Nörgler und suche auch nicht das berühmte Haar in der Suppe, wenn ich essen gehe. Im Gegenteil – als ein in der Sternegastronomie („Schweizer Stuben“, Wertheim – Bettingen, „Waldhotel Sonnora“ in Dreis, oder der „Fürstenhof Celle“, um einige zu nennen) langjährig erfahrener Koch, weiß ich, welche Kriterien ein Restaurant erfüllen muss und was dies bedeutet.

    Immer wieder freue ich mich über Inspirationen durch Kollegen und lass mich gerne von sinnvoll Neuem überzeugen – auch um das ein oder andere bei meiner jetzigen Arbeit in einer der größten ausländischen Botschaften in Berlin einzubringen.

    Gerne greife ich natürlich auch auf Ihren Restaurantführer zurück, um mich von nicht so bekannten oder neuen Restaurants begeistern zu lassen.

    Oft bin ich mit Ihrer Kritik sehr einverstanden und orientiere meine Erwartung daran, wenn ich ein von Ihnen bewertetes Restaurant besuche.
    So eingestimmt auch am 02.11.2006, als ich mit einem Kollegen (er besitzt ebenfalls einschlägige Erfahrung in der Spitzengastronomie) das von Ihnen hoch gelobte „Carmens Restaurant“ in Eichwalde besuchte. Als Gastgeber wollte ich von einem „Aufsteiger“ überzeugen und nahm auch gerne eine einstündige Fahrtzeit in Kauf. Es sollte ein besonderer Abend werden.

    Als wir gegen 19.15h den schlichten, übersichtlichen Gastraum von „Carmens Restaurant“ betraten, wurden wir sofort zu unserem reservierten Tisch geführt und erhielten die Mitteilung vom Kellner, dass die Garderobe „durch die Tür dort“ führe.
    Mein Kollege und ich nahmen unseren beiden Begleiterinnen die Mäntel ab und gingen zur Garderobe, wo wir zahlreiche Auszeichnungen an den Wänden vorfanden. Von Gault Millau-‚Kochmützen’ bis zur Auszeichnung, bei „Berlin-Brandenburgs bester Köchin“ zu sein, versprachen wir uns sehr viel von der „Neuen Brandenburgischen Küche“, wie man gerne von sich behauptet.
    Nachdem wir am Tisch endlich die Speisekarten vom Nachbartisch bekamen, entschieden wir uns für drei Menüs und einmal die Vorspeise und den Fisch-Zwischengang vom gleichen Menü als ‚a la carte’, wir bestellten also einheitlich. Dazu entschieden wir uns für den Hauswein, 1 Flasche Spätburgunder „Carmen’s Select“, eine besondere Empfehlung des einzigen Kellners.
    Als die Vorspeise, eine Rehterrine, „aufgetischt“ wurde, warteten wir noch auf die vierte, die wir ‚a la carte’ bestellt hatten. Doch sie kam nicht. Auf Nachfrage entschuldigte sich der Kellner und verschwand erst einmal in der Küche. Zurück an unserem Tisch klärte er uns auf: „Tschuldigung, wir haben keine Terrine mehr, kann’s auch was anderes sein?“ So bestellten wir aus dem gleichen Menü die Kürbissuppe mit Scampis. „Gut, die kommt mit den anderen Suppen zusammen“, bekamen wir zu hören.
    Als wir uns dann der Rehterrine widmen konnten, wurde uns klar, das unsere Begleiterin nichts verpasste. Eine graue, grieselige und mürbe, an jeglichen Aromen fehlende Farce hatte man uns vorgesetzt. Nur der Preiselbeerenkompott aus dem Glas und der giftgrüne, bittere Friséesalat ließen überhaupt etwas schmecken, dazu eine Verzierung mit Balsamikoessig und Schnittlauch.
    Als die Kürbissuppe mit den lobenswerten Scampis und „Schnittlauch“ serviert wurde, hoffte man auf Besserung.
    Doch leider erfüllte sich dies nicht. So wurde uns ein Zanderfilet auf Linsen serviert, das nicht nur durch seine lieb- und lustlose Anrichteweise, sondern auch im Geschmack enttäuschte: Die Linsen, bis zur Unkenntlichkeit verkocht, und der fade, ohne jeglichen Geschmack gekochte Fisch oben drauf gesetzt. Garniert wurde, wie kann es anders sein, mit Schnittlauch und Balsamikoessig. Übrigens sind Menü- und ‚a la carte’- Portionen gleich groß, aber nicht gleich teuer!
    Dann der Hauptgang: Lammrücken mit Kräuterkruste an Schnippelbohnen und Kartoffeln.
    Was serviert wurde, hat mich als enthusiastischen Koch und Küchenmeister mit Auszeichnung verzweifeln lassen. Das versalzene Lamm muss mit seiner Paniermehl-Trockenkräuterhülle in der Friteuse gebacken worden sein, bis es „schön durch und trocken“ war und wurde uns dann mit geschnittenen Bohnen (und nicht Schnippelbohnen) sowie verkochten, in Wasser nochmals aufgewärmten Kartoffeln mit Schnittlauch (!) serviert. Es war nicht genießbar, wir legten das Besteck beiseite und warteten wieder auf den Kellner, der bereits bemerkt haben muss, dass wir vor unseren Tellern auf ihn warteten. Er verabschiedete aber erst andere Gäste, damit diese von unserer bevorstehenden Reklamation nichts bemerkten. „Was war?“ fragte er schließlich und ich teilte ihm meine Einschätzung und Enttäuschung mit! „Hm…ich werd’s der Küche sagen.“ Wir warteten auf eine Entschuldigung oder die Geste, uns einen anderen Hauptgang anzubieten – aber vergeblich. Anscheinend interessierte es niemanden und uns tat sich das Gefühl auf, als „Durchreisende“ rasch abgefertigt zu werden.
    Der Kellner kam zurück und fragte unfreundlich, arrogant und überhastig, was wir als Dessert wollten. Käse, Quarkklöße, Crème-Brûlée…das war das, was wir noch verstehen konnten.
    So entschieden wir uns für zweimal Käse und einmal die Quarkklöße. Wir erwarteten keinen Höhepunkt mehr und so war es auch. Der Käse, eine dünne Scheibe deutschen Schimmelkäse – mit Apfelmus und einem Glas Wein serviert – und die in sich zusammen gefallenen Quarkklöße mit einem Kompott. Beides völlig lieblos angerichtet und am Glastellerrand mit so vielen Fingerabdrücke und Schlieren versehen, dass man glaubte, ein Dutzend Köche und Kellner seien an dem Gericht beteiligt gewesen.
    Zum Abschluss fragte ich meine Gäste noch nach einem Digistif und Kaffee. Als wir schließlich die Bestellung von zwei Espressi und einer Tasse Tee aufgaben, sagte uns der Kellner verdutzt: „Tee? Haben wir nicht!“
    Das soll also die „Neue Brandenburgische Küche“ sein, in der zuweilen Carmen Krüger als beste Köchin gehandelt wird? Da wurde mir bei Besuchen in anderen brandenburgischen Restaurants wie „Alte Schule“ (Reichenwalde) „Restaurant Windspiel“ (Storkow) oder „Sternthaler“ (Müncheberg) weitaus anspruchsvollere Küche geboten.

    Es ist zu lesen, dass ihr der „innere Künstler“ fehle, so Carmen Krüger. Wenn es das nur wäre. Was hier als die Kultivierung der Einfachheit verkauft wird, erscheint mir nach diesem Abend als modische Verklärung für handwerkliches Unvermögen und gastronomische Überforderung von Küche und Service. Dass man mit diesem Niveau in Berlins Speckgürtel gute Presse bekommt, spricht nicht für kulinarischen Sachverstand.

    Es gilt als Tradition, mindestens zweimal ein Restaurant zu besuchen, um sich eine objektive Meinung bilden zu können. Aber wenn das Maß der Unstimmigkeiten beim ersten Mal zu groß ist, darf man davon abweichen.
    Kollegen und Bekannten, mit denen ich seit Jahren in Berlin zusammenarbeite, werde ich von einem Besuch abraten. Es sei denn, sie wollten einfach mal wieder erfahren, für was sie in der Küche stehen, und wie wichtig es ist, zufriedene Gäste immer wieder begrüßen zu dürfen.

    Ich wünsche mir eine objektivere Bewertung dieses Hauses durch Ihre Restaurantkritiker.

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