Fettgeschmackswahrnehmung

Wichtiges Detail der Fettgeschmackswahrnehmung aufgeklärt

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung (DIfE) haben in Zusammenarbeit mit Forschern der
Technischen Universität München (TUM) erstmals drei fettspaltende Enzyme
(Lipasen) im menschlichen Speicheldrüsengewebe der Zunge nachgewiesen.
Ihre Existenz beim Menschen war lange Zeit umstritten. Das Vorhandensein
der Enzyme in direkter Nähe zu den Geschmacksknospen sowie sensorische
Testergebnisse der neuen Studie sind ein weiteres Indiz dafür, dass
Menschen Fette geschmacklich wahrnehmen können. Das Wissenschaftlerteam
unter Führung von Maik Behrens vom DIfE publizierte seine Ergebnisse nun
in der Fachzeitschrift Journal of Lipid Research (N. Voigt, J. Stein et
al., 2014).

Die Geschmackswahrnehmung spielt für die Nahrungsaufnahme eine
wesentliche Rolle. Sie hilft uns dabei zu entscheiden, welche Nahrung
dem Körper Energie und lebensnotwendige Bausteine liefert und welche
besser gemieden werden sollte. Die Natur hat es dabei so eingerichtet,
dass wir Geschmacksvorlieben für die zwei Makronährstoffe Kohlenhydrate
und Eiweiße entwickelt haben, wobei wir kohlenhydratreiche Nahrung mit
dem Süßgeschmacksrezeptor und eiweißreiche Speisen mit Hilfe des
Umamirezeptors erkennen können*. Ob Menschen jedoch auch Fett, den
dritten und energetisch bedeutsamsten Makronährstoff, schmecken können,
ist immer noch umstritten.

Viele Wissenschaftler gehen bislang davon aus, dass sich die
menschliche Vorliebe für Fett hauptsächlich auf den Geruchs- und
Tastsinn gründet, die auf die im Fett gelösten Aromastoffe und die
Beschaffenheit fetthaltiger Nahrung ansprechen. Ergebnisse von
Untersuchungen an Nagern und Menschen sowie der kürzlich von
DIfE-Forschern in Geschmacksknospen entdeckte Fettsäurerezeptor GPR120**
erhärten jedoch den Verdacht, dass auch der Geschmackssinn an der
Wahrnehmung von Fett beteiligt sein könnte und damit die Vorliebe für
fettreiches Essen beeinflusst. Jedoch war bislang keine Lipase im
Speichel bekannt, die erklären könnte, wie die für die Aktivierung des
GPR120 benötigten Fettsäuren aus den Nahrungsfetten freigesetzt werden.

Diese Lücke schließt die aktuelle Studie. Sie zeigt erstens, dass
entgegen früherer Annahmen die Von-Ebner-Speicheldrüsen, die ihre
Sekrete direkt in die Gräben von Geschmackspapillen freisetzen, Lipasen
herstellen. Diese lokal wirkenden Lipasen sind in der Lage, Fettsäuren
aus den Nahrungsfetten (Triglyceriden***) abzuspalten, die dann vom
GPR120-Rezeptor erkannt werden könnten. Zum zweiten belegt die Studie
dass Probanden einen schwächeren Fettgeschmack wahrnehmen, wenn sie
Nahrungsfette zusammen mit einem Hemmstoff verkosten, der die
Lipaseaktivität verringert. Beide Beobachtungen entkräften zudem ein von
Kritikern der „Fettgeschmackstheorie“ angeführtes Argument, dass in
Speisen kaum freie Fettsäuren enthalten sind, die einen
Fettsäurerezeptor aktivieren und damit einen Fettgeschmack auslösen
könnten.

„Wir gehen derzeit davon aus, dass die von uns identifizierten Lipasen
für die Verdauung der Fette nur eine untergeordnete Rolle spielen“,
sagt Nadine Voigt, Erstautorin der Studie. „Die von den Enzymen aus den
Nahrungsfetten freigesetzten Fettsäuren dienen vermutlich eher dazu,
über den Fettsäurerezeptor einen Fettgeschmack auszulösen. Ein
Prinzip, das man bereits von der stärkespaltenden Amylase* im Speichel
kennt“, erklärt Studienleiter Maik Behrens weiter.

„All diese Indizien sprechen für die geschmackliche Wahrnehmung
fetthaltiger Lebensmittel“, sagt Wolfgang Meyerhof, Leiter der
Abteilung Molekulare Genetik am DIfE. Ob es sich bei dieser Wahrnehmung
tatsächlich um eine sechste Grundgeschmacksart „fettig“ handelt,
bedarf jedoch weiterer Forschung. Beispielsweise müsse man nachweisen,
dass das durch den Fettrezeptor ausgelöste Signal über spezialisierte
Geschmackszellen und nachfolgende Nervenbahnen des Geschmackssinns ans
Gehirn weitergeleitet wird, so Meyerhof weiter. Allerdings seien die
Ergebnisse sehr interessant, da sie erstmalig zeigen, dass auch der
Mensch fettspaltende Enzyme in seinen Speicheldrüsen produziert.

Quelle:
Voigt N, Stein J, Galindo MM, Dunkel A, Raguse JD, Meyerhof W, Hofmann
T, Behrens M: The role of lipolysis in human orosensory fat perception.
J Lipid Res. 2014 Mar 31.

Hintergrundinformation:
* Derzeit sind fünf Grundgeschmacksarten wissenschaftlich anerkannt,
die wir über die Geschmacksrezeptoren auf unserer Zunge wahrnehmen
können. Wir sind in der Lage, süß, sauer, salzig, bitter und umami zu
schmecken, wobei der Begriff umami aus dem Asiatischen stammt und soviel
bedeutet wie „es schmeckt köstlich“. Der durch den Eiweißbaustein
Glutamat ausgelöste Umamigeschmack weist auf eiweißreiche Nahrung hin,
die neben Energie auch wichtige Baustoffe für den Körper liefert. Freies
Glutamat ist natürlicherweise z. B. in grünen Erbsen oder Tomaten
enthalten. Der Süßgeschmack zeigt an, dass die Nahrung energieliefernde
Kohlenhydrate enthält. Zucker gehören zu den Kohlenhydraten und
schmecken süß. Stärke, die in Mehl oder Kartoffeln enthalten ist,
schmeckt an sich nicht süß. Amylasen im Speichel spalten von der Stärke
jedoch Traubenzuckermoleküle ab, die wiederum süß schmecken. Dies
erklärt, warum Brot süß schmeckt, wenn man es ein wenig länger kaut.

Die Geschmacksrezeptoren befinden sich auf den
Geschmacksrezeptorzellen, die sich in den Geschmacksknospen befinden,
die wiederum in den Geschmackspapillen lokalisiert sind.

** Galindo MM, Voigt N, Stein J, van Lengerich J, Raguse JD, Hofmann T,
Meyerhof W, Behrens M: G protein-coupled receptors in human fat taste
perception. Chem Senses. 2012 Feb;37(2):123-39.

*** Triglyceride werden auch als Triacylglycerole bezeichnet. Es
handelt sich um dreifache Ester des dreiwertigen Alkohols Glycerin mit
drei Fettsäuremolekülen. Natürliche Fette bestehen zum überwiegenden
Teil aus Triacylglycerolen mit drei langkettigen Fettsäuren. Der auf der
Zunge gefundene Fettrezeptor GPR120 wird durch freie, langkettige
Fettsäuren aktiviert, welche hauptsächlich für den typischen
Fettgeschmack verantwortlich sind. Wie die aktuelle Untersuchung zeigt,
reagiert der Rezeptor nicht auf die in Triacylglycerolen gebundenen
Fettsäuren.

Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die
Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für
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Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes,
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Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen
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http://www.dzd-ev.de

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